Bernie Sanders spricht in Wisconsin vor 10.000 Zuhörern

Senator Bernie Sanders hielt am Mittwochabend in einem Stadion in Madison, Wisconsin, eine Rede vor mehr als zehntausend Zuhörern. Es war die bisher größte Kundgebung eines Kandidaten im Präsidentschaftswahlkampf für 2016.

Die Teilnehmerzahl war doppelt so groß wie bei Sanders' letzter Veranstaltung im Juni in Denver - damals waren 5.000 Zuhörer gekommen. Gleichzeitig zeigen Umfragen unter möglichen Wählern bei den Vorwahlen der Demokraten, dass die Unterstützung für den Senator aus Vermont deutlich zunimmt.

Laut einer Umfrage unter möglichen Wählern bei der Vorwahl in Iowa, dem ersten Bundesstaat, in dem eine Vorwahl stattfindet, konnte Sanders seinen Stimmanteil von fünfzehn auf 33 Prozent mehr als verdoppeln. Allerdings lag er noch immer weit hinter Spitzenkandidatin Hillary Clinton; ihr Anteil ging von 60 auf 52 Prozent zurück. Der Rest der Befragten unterstützte Vizepräsident Joe Biden (der nicht kandidiert) und den ehemaligen Gouverneur von Maryland, Martin O'Malley.

In New Hampshire liegt Sanders bei möglichen Teilnehmern an der Vorwahl nur noch acht Prozentpunkte hinter Clinton, d.h. innerhalb der Fehlergrenze bei der letzten Umfrage. Damit liegen die Kandidaten acht Monate vor der Vorwahl statistisch auf gleicher Höhe.

Am Donnerstag meldete Sanders' Wahlkampfleitung, dass sie fünfzehn Millionen Dollar sammeln konnte, seit Sanders Ende April seine Wahlteilnahme bekannt gegeben hat. Ein Großteil davon waren Spenden im Internet. Nach eigenen Angaben erhielt das Wahlkampfteam fast 400.000 Spenden in einer durchschnittlichen Höhe von 33,51 Dollar.

Hillary Clintons Wahlkampfteam konnte angeblich im gleichen Zeitraum fast dreimal soviel Geld sammeln, etwa 45 Millionen Dollar, allerdings ist die Zahl ihrer Spender vermutlich geringer, da Clinton viele Spenden in der maximalen Höhe von 2.700 Dollar erhalten hat.

Sanders Spendensammlung kann zwar nicht mit Clintons riesiger Geldbeschaffungsmaschinerie mithalten, ist aber mit der vieler betuchter Republikaner vergleichbar. Mitt Romney konnte beispielsweise in seinem ersten Wahlkampfbericht im Juli 2011 achtzehn Millionen Dollar vorweisen.

Die zunehmende Unterstützung für Sanders ist ein eindeutiges Anzeichen dafür, wie breit der Widerstand gegen soziale Ungleichheit in der Bevölkerung ist, die er zum zentralen Thema seines Wahlkampfes gemacht hat. Gleichzeitig wird er von einem Teil der Demokratischen Partei und des politischen Establishments gefördert -- ausdrücklich mit der Absicht, diese Stimmung in konventionelle pro-kapitalistische Kanäle zu lenken.

Sanders wird von den Mainstreammedien weiterhin freundlich behandelt. Ihnen ist bewusst, dass seine gelegentlichen Behauptungen, er sei ein "Sozialist", hohle Worte sind, und dass er keine Gefahr für die Profite und den Reichtum der amerikanischen Finanzaristokratie darstellt.

Ein typisches Beispiel dafür war der überschwängliche Bericht von Associated Press über die Veranstaltung in Madison: „Am Mittwoch versammelten sich fast 10.000 Anhänger von Bernie Sanders bei einer riesigen Veranstaltung, um seinem Präsidentschaftswahlkampf Schwung zu verleihen. Der Senator aus Vermont rief seine Unterstützer auf, ihm dabei zu helfen, eine politische Revolution zu entfesseln."

Trotz seiner Worte und einer detaillierten Beschreibung von sozialer Ungleichheit und der Vorherrschaft der Superreichen hatte Sanders seinem Publikum nur ein relativ bescheidenes Reformprogramm zu bieten, wie es noch vor einigen Jahrzehnten in einem demokratischen Vorwahlkampf üblich gewesen wäre. Sanders wirkt nur deshalb vergleichsweise radikal, weil die Demokraten und die ganze kapitalistische Politik seither so weit nach rechts gerückt sind.

Bei der Veranstaltung in Madison wurde Sanders von John Nichols vorgestellt, einem Redakteur der Zeitung Capital Times. Nichols war lange Jahre Autor des Magazin The Nation und ist ein begeisterter Anhänger der Obama-Regierung. Wie schon in früheren Reden schimpfte Sanders über die "Milliardärsklasse" und wies auf die Kluft zwischen den Reichen und dem Rest des Landes hin, die "in Amerika so breit ist wie zuletzt 1928."

Sanders erklärte: „Das Problem der Vermögens- und Einkommensungleichheit ist nach meiner Meinung das größte moralische Problem unserer Zeit. Es ist das größte wirtschaftliche Problem unserer Zeit, und es ist das größte politische Problem unserer Zeit."

Er nannte eine Reihe von sozialen Übeln, die auf wirtschaftliche Ungleichheit zurückgehen: eine reale Arbeitslosenquote von über elf Prozent, eine Jugendarbeitslosenquote von über 30 Prozent, niedrige Löhne für Dutzende Millionen Arbeiter, Gefangenenzahlen auf Rekordniveau, zunehmende Polizeigewalt gegen afroamerikanische Jugendliche und wachsende Verschuldung von Studenten.

Der Kandidat forderte eine „politische Revolution in Amerika, eine Revolution gegen die Gier der Wall Street und der Konzerne; dagegen, dass die Republikanische Partei im Wesentlichen auf der Gehaltsliste des Großkapitals steht, und dass zu viele Demokraten im Interesse des Großkapitals handeln."

Sanders versucht, die Illusion zu bewahren, diese „Revolution" ließe sich im Rahmen der Demokratischen Partei und ohne einen Kampf gegen das kapitalistische System durchführen. Er schlägt nicht vor, den Reichtum der Milliardäre zu beschneiden, die riesigen Konzerne und Banken zu verstaatlichen; er macht nicht einmal konkrete Vorschläge für eine Umverteilung des Reichtums -- obwohl er diesen Begriff einmal zum Ende seiner einstündigen Rede verwendete.

Er richtete sich hauptsächlich gegen den politischen Einfluss der Milliardäre, als ließe sich die Anhäufung von beispiellosem Wohlstand von der Anhäufung von politischer Macht trennen. Sanders schilderte kurz die Geschichte der amerikanischen Politik und tat so, als ob erst die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Fall Citizens United im Jahr 2010 das System korrumpiert habe, das bis dahin eine mustergültige Demokratie gewesen sei. Das Urteil von 2010 hatte das frühere Verbot der Wahlkampfwerbung von Firmen aufgehoben.

In Wirklichkeit hat das amerikanische Großkapital im ganzen zwanzigsten Jahrhundert sowohl Demokraten als auch Republikaner kontrolliert. Das Zweiparteiensystem ist ein politisches Monopol der Finanzaristokratie. Das Urteil im Fall Citizens United war nur ein weiterer Meilenstein in dieser Entwicklung, weil es den Milliardären erlaubt, ihre bevorzugten Kandidaten in unbegrenzter Höhe zu finanzieren.

Hinter Sanders demagogischer Sprache verbirgt sich ein völlig konventionelles und in wichtigen Punkten zutiefst reaktionäres politisches Programm. Er vertritt einen giftigen Wirtschaftsnationalismus, der teilweise an anti-chinesischen Chauvinismus grenzt.

In seiner einstündigen Rede kritisierte Sanders Freihandelsabkommen wie die geplante Transpazifische Partnerschaft von einer nationalistischen Perspektive, ansonsten äußerte er sich nicht über außenpolitische Themen. Dieses Schweigen ist bemerkenswert für einen Mann, der sich anschickt, der nächste "Oberbefehlshaber" des US-Imperialismus zu werden.

Sanders versuchte nicht, die Antikriegsstimmung für sich zu nutzen, die in der breiten Masse der amerikanischen Bevölkerung herrscht. Das bedeutet, er hat keine Probleme mit der Außenpolitik des Präsidenten, dem er nachfolgen will, seinem Parteigenossen Barack Obama, der in Afghanistan, dem Irak und Syrien Kriege führt, in einem halben Dutzend Staaten Drohnenmorde anordnet und militärische Konfrontationen mit den Atommächten Russland und China schürt.

Auffallend war, dass Sanders in seiner Rede am Mittwoch Obama nur zweimal erwähnte, und zwar beide Male positiv. Er begrüßte dessen Wahlsieg als erster afroamerikanischer Präsident und gratulierte ihm für seinen jüngsten Vorstoß zur Bezahlung der Überstunden für mehrere Millionen Arbeiter, die als "Manager" eingestuft werden.

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