Perspektive

Verteidigt die griechischen Arbeiter! Kämpft gegen das Diktat von Schäuble und Merkel!

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Die Partei für Soziale Gleichheit verurteilt in aller Schärfe die Vereinbarung, die Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel Griechenland auf dem Euro-Gipfel vom Sonntag aufgezwungen haben. Wir rufen die arbeitende Bevölkerung Deutschlands und ganz Europas auf, sich mit den griechischen Arbeiterinnen und Arbeitern zu solidarisieren und der deutschen Regierung energisch entgegenzutreten.

Das neue Spardiktat, vor dem die Regierung Tsipras am frühen Montagmorgen kapitulierte, stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten. Es geht weit über die Maßnahmen hinaus, die die griechischen Wähler nur eine Woche zuvor mit großer Mehrheit abgelehnt hatten. Es bedeutet für Millionen Griechen bittere Armut, Arbeitslosigkeit, Krankheit und sogar Tod. Es verwandelt Griechenland de facto in ein Protektorat Deutschlands und der mächtigsten europäischen Finanzinteressen.

Die Troika kehrt nach Athen zurück und diktiert die Politik der Regierung. Die Rolle des Parlaments reduziert sich darauf, die Spar- und Reformvorgaben abzunicken und automatische Haushaltskürzungen abzusegnen. Öffentliches Eigentum im Wert von 50 Milliarden Euro wird an eine Treuhand-Anstalt übereignet, die sie an den Meistbietenden verscherbelt. Kurz: Es handelt sich um eine Vereinbarung zur rücksichtslosen Ausbeutung und Ausplünderung der griechischen Arbeiterklasse.

Ihr undemokratischer Charakter ist derart augenscheinlich, dass er selbst konservativen Kommentatoren nicht verborgen bleibt. So beschuldigte Wolfgang Münchau in der Financial Times Griechenlands Gläubiger, sie seien „zu den nationalistischen europäischen Machtkämpfen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zurückgekehrt“ und hätten die Eurozone zu einem System degradiert, „das Deutschlands Interessen dient“ und „zusammengehalten wird, indem es allen, die die vorherrschende Ordnung in Frage stellen, mit völliger Verarmung droht“. Paul Krugman warf der Eurogruppe in der New York Times „schiere Rachsucht“ und die „komplette Zerstörung der nationalen Souveränität Griechenlands ohne Hoffnung auf Abhilfe“ vor.

Das brutale Vorgehen von Schäuble und Merkel erinnert an die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Es sind noch keine 75 Jahre her, seit Hitlers Wehrmacht Griechenland besetzte, eine blutige Terrorherrschaft errichtete und das Land rücksichtslos ausplünderte. Die Erhebung hoher Besatzungskosten, die erzwungene Ausfuhr fast der gesamten griechischen Produktion und der Diebstahl von Maschinen und Fahrzeugen führte zu einer Hungerkatastrophe, der Unzählige zum Opfer fielen. Die Säuglingssterblichkeit stieg auf 80 Prozent.

Auf den Widerstand von Partisanen reagierte die Wehrmacht, indem sie die Bevölkerung zahlreicher Dörfer wie Distomo, Lingiades oder Kommeno ermordete. Mindestens 30.000 Zivilisten wurden Opfer solcher Vergeltungsaktionen. 80.000 griechische Juden wurden deportiert und ermordet, die jüdische Gemeinde Thessalonikis, eine der ältesten der Welt, vollständig ausgelöscht. Entschädigt wurden die Opfer nie und kaum ein Täter wurde bestraft.

Nun treten Schäuble und Merkel wieder in die Fußstapfen ihrer historischen Vorgänger. Die ganze unverdaute Geschichte kommt durch den Schlund wieder hoch. Sie zeigen eine Arroganz, als sähen sie sich wieder als Herrenrasse Europas.

Unterstützt werden sie von einer rückgratlosen Presse, der kein Klischee und Vorurteil zu billig ist, um es gegen die griechische Bevölkerung zu schleudern, die statt Informationen Propaganda verbreitet und die alles unternimmt, um die Öffentlichkeit zu verwirren und irrezuführen, sowie von biegsamen Akademikern. Historiker wie Jörg Baberowski von der Humboldt-Universität verharmlosen die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Ökonomen stellen die Verarmung der griechischen Arbeiter als objektive Notwendigkeit dar. Politikwissenschaftler wie Herfried Münkler wollen Deutschland wieder zum Hegemon Europas machen.

Auch alle im Bundestag vertretenen Parteien stehen hinter der Regierung. Vor allem der SPD-Vorsitzende Gabriel bemüht sich, Schäuble und Merkel rechts zu überholen.

Sie alle bilden sich ein, die Geschichte sei vergessen. Doch sie täuschen sich. Die Arbeiterklasse Griechenlands, Deutschlands und ganz Europas kann und wird nicht zulassen, dass sie ihre historischen Verbrechen widerholen.

Mit ihrem aggressiven Vorgehen in Griechenland verfolgt die Bundesregierung zwei Ziele. Sie will ein Exempel statuieren, um jeden Widerstand gegen ihren Austeritätskurs in Europa und auch in Deutschland selbst einzuschüchtern. Und sie will ihre Vormachtstellung in Europa stärken.

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 ist sie zum Schluss gelangt, dass sie diese Vormachtstellung nicht mehr durch Kompromisse und finanzielle Zuwendungen aufrechterhalten kann. Stattdessen, so der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler, ein Stichwortgeber der Regierung, müsse Deutschland vom „Zahlmeister“ zum „Zuchtmeister“ Europas werden. Anfang vergangenen Jahres verlangten führende Vertreter der Regierung, Deutschland müsse in Europa und in der Welt wieder eine Rolle spielen, die seiner Größe und seinem Einfluss tatsächlich entspreche.

Erstmals erprobt wurde diese Großmachtpolitik in der Ukraine, wo die Bundesregierung den pro-westlichen Putsch unterstützte, der das Land in den Bürgerkrieg und die Nato in eine Konfrontation mit der Atommacht Russland trieb. Nun wird sie mit einer Art Staatsstreich in Athen fortgesetzt.

Damit verändert sich auch das Gesicht der Europäischen Union. Es wird immer deutlicher, dass die EU nicht dem friedlichen Zusammenleben der europäischen Völker dient, sondern ein Instrument für die Vorherrschaft der mächtigsten imperialistischen Interessen und für die rücksichtslose Ausbeutung der Arbeiterklasse ist. Massen von Leuten betrachten die EU inzwischen mit Abneigung und Hass.

Je offener Deutschland die EU benutzt, um selbst zur Weltmacht aufzusteigen, desto mehr verschärfen sich die nationalen Konflikte innerhalb Europas – vor allem zwischen Deutschland und Frankreich – sowie die Spannungen mit den USA. Bereits im Vorfeld des Gipfels vom Sonntag war es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Berlin und Paris gekommen, das aus innenpolitischen Gründen einen gemäßigteren Kurs gegenüber Griechenland bevorzugt. Die französische Regierung fügte sich schließlich dem deutschen Diktat, weil sie weit mehr Angst vor der eigenen Arbeiterklasse als vor der deutschen Vorherrschaft hat. Aber die Spannungen bleiben.

Es ist die Aufgabe der Arbeiterklasse in Deutschland und ganz Europa, dieser gefährlichen Entwicklung entgegenzutreten, die breite Bevölkerungsschichten in bitteres Elend und den Kontinent in Krieg und Diktaturen zu stürzen droht, wie in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Dazu müssen die Lehren aus den griechischen Ereignissen und der Rolle Syrizas gezogen werden.

Es fällt schwer, in der Geschichte ein Beispiel für einen ähnlich feigen und jämmerlichen Verrat zu finden, wie ihn Tsipras und seine Regierung in den letzten Tagen verübt haben. Im Frühjahr aufgrund des Versprechens gewählt, die Austeritätspolitik zu beenden, machten sie ein Zugeständnis nach dem andern an Berlin und Brüssel. Schließlich organisierten sie ein Referendum in der Hoffnung, eine Mehrheit werde sich für die Sparpolitik aussprechen. Als stattdessen eine überwältigende Mehrzahl dagegen votierte, kapitulierten sie innerhalb einer Woche vollständig vor dem deutschen Diktat. Selbst eine rechte bürgerliche Regierung wäre nicht so weit gegangen.

Diese Kapitulation bestätigt die Einschätzung der PSG, dass Syriza keine linke und schon gar keine sozialistische Partei ist, sondern eine pseudolinke Organisation wohlhabender, egoistischer Mittelschichten, die vor allem um ihren eigenen Vorteil bedacht sind und für die Arbeiterklasse nur Verachtung übrig haben. Ihre Kapitulation ist Wasser auf die Mühlen von Rechtsextremen wie Chrysi Avgi, die von einem reaktionären, nationalistischen Standpunkt scheinbar konsequenter gegen das Diktat aus Brüssel und Berlin auftreten als Syriza.

Was für Syriza gilt, gilt auch für ihre internationalen Gesinnungsgenossen, Die Linke in Deutschland, Podemos in Spanien und viele andere. Die deutsche Linkspartei trägt eine große Verantwortung für das Schicksal Griechenlands. Im Februar hat sie gemeinsam mit den Regierungsparteien den „Hilfsprogrammen“ für Griechenland samt den damit verbundenen Sparauflagen zugestimmt. Während sie die Politik der Bundesregierung gelegentlich kritisiert, um nicht den letzten Rest an Glaubwürdigkeit zu verlieren, hat sie keinen Finger gerührt und keine einzige Demonstration organisiert, um die griechischen Arbeiter zu verteidigen. Gelangt sie in Berlin an die Regierung, wird sie denselben Weg gehen wie Syriza. In mehreren Landesregierungen hat sie das bereits praktisch unter Beweis gestellt.

Die Linke arbeitet auch eng mit den Gewerkschaften zusammen, die in den letzten Wochen die Streiks der Lokführer, der Postler, der Kita-Beschäftigten, der Beschäftigten der Krankenhäuser und anderer Berufsgruppen abgebrochen und ausverkauft haben, um der Bundesregierung den Rücken freizuhalten.

Die PSG appelliert an alle Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich in sozialen Auseinandersetzungen befinden, an Jugendliche und die gesamte arbeitende Bevölkerung: Unterstützt die griechischen Arbeiter! Organisiert Solidaritätsstreiks gegen das Diktat Schäubles und Merkels! Brecht mit den Gewerkschaften, der Linkspartei und der SPD und organisiert Euch unabhängig!

Schließt Euch der PSG an, der deutschen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, und baut in ganz Europa Sektionen des IKVI auf, die für die Einheit der europäischen Arbeiterklasse und für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa kämpfen!

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