Obama setzt sich für „historisches“ Atomabkommen mit dem Iran ein

Nach achtzehntägigen intensiven Verhandlungen haben sich der Iran und die P5+1-Staaten (die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China) auf ein endgültiges Abkommen geeinigt. Es sieht vor, das zivile Atomprogramm des Iran über die nächsten fünfzehn Jahre zu „normalisieren“.

Ein gemeinsamer umfassender Aktionsplan (JCPOA) bekräftigt die Zugeständnisse, die Teheran im Rahmenabkommen gemacht hat, das am 2. April im Schweizerischen Lausanne unterzeichnet worden war. Zudem beinhaltet er weitere Bedingungen und Vorgaben, die Washington von großem Vorteil sind.

Der Iran muss die wichtigsten Elemente seines Atomprogramms entweder demontieren oder verkleinern und einfrieren. Außerdem muss er die gründlichsten Atominspektionen erdulden, die je angeordnet worden sind.

So sieht der JCPOA beispielsweise vor, dass Teheran in den nächsten zehn Jahren zwei Drittel seiner Zentrifugen einmotten muss und mehr als 95 Prozent seines Bestandes an niedrig angereichertem Uran beseitigen muss. Er muss auch den Reaktorkern im Schwerwasserkraftwerk Arak ausbauen und die Einheit so umbauen, dass sie nur in kleinen Mengen Plutonium produzieren kann.

Außerdem muss der Iran die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zufriedenstellen, indem er alle erdenklichen Fragen über die „Möglichkeiten zur militärischen Nutzung“ seines Atomprogramms beantwortet. Gestützt auf gefälschte Dokumente und mit haltlosen Behauptungen haben Washington und Israel seit langem behauptet, dass Teheran an der Entwicklung von Atomwaffen forscht. Der Iran hat diese Vorwürfe immer entschieden dementiert.

Erst nach allen diesen Schritten, deren Umsetzung mindestens ein halbes Jahr dauern wird, beginnt die „Implementierungssphase“ des Abkommens. Und erst dann sind die USA und die EU verpflichtet, ihre verheerenden Wirtschaftssanktionen gegen den Iran aufzuheben. Sie gelten allgemein als die härtesten, die bisher in Friedenszeiten verhängt wurden, und stehen auf einer Stufe mit einer Wirtschaftsblockade während eines Krieges. Seit ihrem Inkrafttreten 2011 haben sich die iranischen Ölexporte halbiert, mehr als 100 Milliarden Dollar der iranischen Zentralbank und Erlöse aus dem Ölgeschaft wurden auf ausländischen Bankkonten eingefroren, der Außenhandel des Iran ist zusammengebrochen und die Bevölkerung hat keinen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten und anderen medizinischen Gütern.

Der JCPOA sieht vor, dass die Sanktionen der USA und der EU, sowie diejenigen des UN-Sicherheitsrates, welche die rechtliche Grundlage für die anderen Sanktionen bilden, unter zwei Bedingungen automatisch wieder in Kraft treten können. Diese Bedingungen sind so formuliert, dass sie von den USA und ihren europäischen Verbündeten leicht dazu benutzt werden können, den Iran zu bedrohen und einzuschüchtern. Die Mehrheit der Unterzeichner des Abkommens (z.B. also die USA und ihre europäischen Partner, die zusammen vier von sieben Unterzeichnern ausmachen) muss darin übereinstimmen, dass Teheran gegen das Abkommen verstoßen hat. Die Sanktionen würden dann wieder in Kraft gesetzt, bis der Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, die eine erneute Aussetzung innerhalb von 35 Tagen vorsieht. Da die USA gegen eine solche Resolution ihr Veto einlegen können, hat Washington die Macht, die Wiedereinführung der Sanktionen fast nach eigenem Ermessen zu veranlassen.

Laut dem JCPOA wird das UN-Verbot von Importen und Exporten von Waffen und Waffensystemen in und aus dem Iran nach dem „Tag der Umsetzung“ für weitere fünf Jahre in Kraft bleiben, das Verbot des Imports und Exports von Technologien, die zum Bau von Langstreckenraketen dienen, für weitere acht Jahre.

Noch während die Nachrichten über das Abkommen vom Dienstag bekannt wurden, hielt US-Präsident Barack Obama am Morgen eine längere Rede im Weißen Haus. Darin erklärte er, das Abkommen mit Teheran diene der „nationalen Sicherheit“ der USA, d.h. den strategischen Interessen des US-Imperialismus.

Obama erklärte, wie das iranische Atomprogramm durch das Abkommen beschränkt und eingedämmt und das Land gleichzeitig einer beispiellosen internationalen Überwachung unterworfen wird. Ansonsten war die Rede mit Lügen gesprickt. Obwohl Obama sich damit brüstete, zahlreiche Militäraktionen genehmigt zu haben, stellte er die USA als Garant des Völkerrechts und Vorkämpfer für den Frieden dar und als eine Macht, die auf Diplomatie und die friedliche Lösung von Konflikten setzt.

In Wirklichkeit haben die USA, unter demokratischen und unter republikanischen Regierungen, seit der iranischen Revolution 1979, die das despotische amerikanische Marionettenregime des Schah stürzte, eine gnadenlose Kampagne gegen den Iran geführt. Unter Obama und seinem Amtsvorgänger George W. Bush haben die USA einen Wirtschafts- und Cyberkrieg gegen den Iran organisiert und dem Land mehrfach mit Krieg gedroht. Noch während der Verhandlungen in Wien in den letzten zweieinhalb Wochen rühmten sich Vertreter der US-Regierung, darunter der scheidende Vorsitzende des Generalstabs, General Martin Dempsey, damit, wie weit die Kriegsvorbereitungen gegen den Iran fortgeschritten sind.

Dass sich Obama trotzdem Mühe gab, das Abkommen mit Teheran positiv darzustellen, liegt daran, dass es einen deutlichen taktischen Kurswechsel seitens des US-Imperialismus darstellt, der von einflussreichen Teilen des politischen Establishments und des Militär- und Geheimdienstapparats genauso abgelehnt wird, wie von langjährigen amerikanischen Klientelstaaten im Nahen Osten, allen voran von Israel und von Saudi-Arabien.

Hinter dem Kurswechsel stehen eine Reihe strategischer Erwägungen der Obama-Regierung, die darauf abzielen, die weltweite Vormachtstellung der USA aufrecht zu erhalten.

Die wichtigsten dieser Erwägungen sind: (1) Russlands und China werden von der amerikanischen Elite zunehmend als größte Bedrohung für ihre globale Vorherrschaft angesehen. Der Konflikt mit Teheran wird der strategischen Isolation und den Kriegsvorbereitungen gegen diese beiden Staaten untergeordnet. (2) Die Obama-Regierung geht davon aus, dass das krisengeschüttelte bürgerliche Regime im Iran für die strategischen Interessen des US-Imperialismus eingespannt werden kann.

Obama und US-Außenminister John Kerry argumentierten in ihren Stellungnahmen am Dienstag, dass das Sanktionsregime gegen Teheran vermutlich zusammenbrechen würde, wenn die USA ein so günstiges Abkommen ablehnten. Obama erklärte: „Die Welt würde eine Sanktionskampagne, deren Ziel die dauerhafte Unterwerfung des Iran ist, nicht unterstützen.“

In Wirklichkeit war die Unterstützung von Russland und China ein entscheidender Grund, warum die USA und ihre europäischen Verbündeten in der Lage waren, die iranische Wirtschaft so zu schädigen. Da die USA offen die Konfrontation mit Russland in der Ukraine, und mit China im Südchinesischen Meer suchen, fällt es ihnen immer schwerer, sie dazu zu bringen, die Sanktionen gegen Teheran aufrecht zu erhalten.

Die Befürworter eines „diplomatischen Kurswechsels“ gegenüber dem Iran sind außerdem besorgt, dass Teheran eine engere Partnerschaft mit China und Russland aufbauen könnte. Als Reaktion auf Washingtons aggressives Vorgehen gegen sie haben Moskau und Peking ihre strategischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Regime von Ajatollah Chamenei ausgebaut.

China ist bereits der größte Wirtschaftspartner des Iran, während die strategischen Beziehungen zwischen Russland und Teheran immer enger werden, u.a. aufgrund ihrer gemeinsamen Unterstützung für das bedrängte Baath-Regime in Syrien.

Obama erklärte bei seiner Rede am Dienstag praktisch, es sei für die USA zweckmäßiger (also kostengünstiger und weniger riskant) die vom Iran erpressten Zugeständnisse anzunehmen und Teherans Bereitschaft zu einer Einigung mit Washington zu sondieren, als die Wirtschaftssanktionen und Kriegsdrohungen noch weiter zu verschärfen.

Um Zuge dieser Argumentation betonte er: „Wir geben nichts auf, wenn wir austesten, ob sich dieses Problem friedlich lösen lässt“, d.h. ob Teheran für die strategischen Interessen der USA eingespannt werden kann. Obama betonte, dass „uns alle Optionen in der Zukunft offen bleiben“ - also auch ein Krieg gegen den Iran.

Die Herrscher der Islamischen Republik streben eigentlich schon seit langem eine Annäherung an den US-Imperialismus an. Die Sanktionen haben eine Wirtschaftskrise ausgelöst, die den Widerstand der Arbeiterklasse gegen die weit verbreitete Armut und die tiefe soziale Ungleichheit im Land anwachsen lässt. Daher hat Teheran den USA immer verzweifeltere Angebote gemacht. Hassan Ruhani, der seit 2013 das Amt des iranischen Präsidenten bekleidet, ist ein Protegé von Hashemi Rafsanjani, der von 1989 bis 1997 Präsident des Iran und jahrzehntelang der Wortführer der Fraktion der politischen Elite war, die am energischsten auf eine Versöhnung mit Washington gedrängt hat.

Der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Chamenei, hat mehrfach Angebote an Washington persönlich genehmigt. 2001 unterstützte Teheran die USA bei der Einsetzung von Hamid Karsai als Marionettenpräsident von Afghanistan. Zwei Jahre später, kurz vor dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der USA in den Irak, genehmigte Chamenei ein geheimes Angebot an die USA. Darin erkläre sich der Iran bereit, Israel anzuerkennen und seine Unterstützung für die Hisbollah einzustellen, wenn die USA dafür von einem Regimewechsel Abstand nehmen würden.

Chamenei behauptete öffentlich, bei den Verhandlungen mit Washington in den letzten zwanzig Monaten sei es nur um das iranische Atomprogramm gegangen, und es sei nicht über die diversen Kriege und Krisen diskutiert worden, welche die USA im Nahen Osten provoziert haben. Allerdings arbeiten der Iran und die USA zumindest stillschweigend zusammen, um die irakische Regierung gegen den Islamischen Staat (IS) zu unterstützen. Zudem haben Ruhani und sein Außenminister, Dschawad Sarif immer wieder Teherans Bereitschaft signalisiert, die USA bei der Stabilisierung des Nahen Ostens zu unterstützen. Am Dienstagmorgen schrieb Ruhani auf Twitter: „Nachdem diese unnötige Krise gelöst ist, stehen wir vor neuen Horizonten und konzentrieren uns auf gemeinsame Herausforderungen.“

Vermutlich werden Washington und seine Verbündeten jetzt beginnen, Teheran dazu zu drängen, seine Unterstützung für den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad einzustellen und sie bei der Verwirklichung einer „politischen Lösung“ in Damaskus zu unterstützen, d.h. bei einem Regimewechsel.

Der französische Präsident Präsident Francois Hollande erklärte bei seiner ersten öffentlichen Rede nach Bekanntgabe des Atomabkommens: „Der Iran muss zeigen..., dass er in Syrien bereit ist, uns zu helfen, um diesen Konflikt zu beenden.“

Da die Republikaner in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit haben, wird allgemein erwartet, dass der Kongress Abstimmungen durchführen wird, um zu versuchen, das Atomabkommen mit dem Iran zu verhindern. Am Dienstag äußerten mehrere republikanische Fraktionsführer und Präsidentschaftskandidaten, darunter Jeb Bush, scharfe Kritik an dem Abkommen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete es als „schweren Fehler von historischem Ausmaß“. Die demokratischen Fraktionsführer waren generell zurückhaltender, obwohl sich zuvor viele öffentlich für eine noch aggressivere Haltung gegen den Iran ausgesprochen hatten.

Laut Gesetzen, die im Frühjahr mit Unterstützung der Obama-Regierung durchgesetzt wurden, hat der Kongress 60 Tage Zeit, um eine Resolution zu diskutieren und zu verabschieden, die es dem Präsidenten verbietet, die Sanktionen gegen den Iran aufzuheben. Obama würde dann sein Veto gegen die Resolution einlegen und der Kongress hätte weitere 22 Tage Zeit, das Veto des Präsidenten mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern des Kongresses zu überstimmen. Das würde nicht nur den einstimmigen Widerstand der Republikaner erfordern, sondern auch ein Überlaufen von großen Teilen der demokratischen Fraktionen im Senat und im Repräsentantenhaus.

Obama kündigte bei seiner Rede am Dienstag an, er werde gegen jede Resolution des Kongresses, die das Abkommen ablehnt, sein Veto einlegen. Gleichzeitig bekräftigte er die entschlossene Unterstützung seiner Regierung für die Atommacht Israel und die reaktionären Golfmonarchien.

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