Seehofer und de Maizère hetzen gegen Flüchtlinge

In den letzten Tagen kam es in Deutschland zu einer Serie von Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. Nur durch Zufall ist bisher niemand ums Leben gekommen. Die Täter wurden bisher in den meisten Fällen nicht gefasst. Aber die geistigen Brandstifter sind bekannt. Sie sitzen in den Ministerien im Bund und in den Ländern.

Wie 1992, als in Rostock ein Mob ein Wohnheim für vietnamesische Arbeiter in Brand steckte und eine Welle von Anschlägen das Land überschwemmte, die schließlich in Solingen und Mölln mehrere Todesopfer forderte, geben auch heute wieder führende Politiker den Ausländerhassern durch ihre Hetze gegen Flüchtlinge Aufwind.

In der Nacht zum Samstag wurde im baden-württembergischen Remchingen ein geplantes Flüchtlingsheim in Brand gesteckt. Das Gebäude, in das Anfang nächsten Jahres Asylbewerber hätten einziehen sollen, wurde schwer beschädigt und muss wahrscheinlich abgerissen werden.

Fast gleichzeitig wurde in der Garage einer Flüchtlingsunterkunft im bayerischen Waldaschaff ein Papiercontainer in Brand gesteckt. Nur dank der raschen Entdeckung des Feuers konnte ein Übergreifen auf die von 30 Flüchtlingen bewohnte Unterkunft verhindert werden.

In der Nacht zum Donnerstag brannte im bayerischen Reichertshofen ein ehemaliger Gasthof, der derzeit zu einer Asylbewerberunterkunft umgebaut wird und Anfang September 67 Flüchtlinge beherbergen sollte.

Weitere Brandanschläge in den letzten Wochen gab es in Prien und Heppberg in Bayern, in Hoyerswerda und Meißen in Sachsen, in Lübeck in Schleswig-Holstein, in Zossen in Brandenburg, in Limburgerhof in Rheinland-Pfalz und in Tröglitz in Sachsen-Anhalt.

Eine Flüchtlingsunterkunft nahe Leipzig wurde in diesem Monat mehrmals mit scharfer Munition beschossen. Im hessischen Kreis Limburg wurde ein geplantes Flüchtlingsheim mit Schweineinnereien beschmiert. Und auf die Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Meißen wurde bereits im Februar ein Sprengstoffanschlag verübt, bei dem sieben Flüchtlinge zum Teil schwer verletzt wurden. Ursprünglich hatte die örtliche Polizei den Vorfall als harmlose Detonation eines Silversterböllers abgetan und von nur einem Verletzten gesprochen.

Die Antonio-Amadeu-Stiftung hat in diesem Jahr bereits 104 Angriffe mit rassistischem Hintergrund auf Flüchtlingsunterkünfte gezählt, darunter 15 Brandanschläge. In 29 Fällen wurden Flüchtlinge attackiert, wobei 49 Personen verletzt wurden. Im Jahr 2014 wurden von der Polizei 150 Fälle gezählt, davon 67 alleine in den Monaten Oktober bis Dezember. Das sind mehr als im ganzen Jahr 2013 und rund dreimal so viele wie 2012.

Die Gewalt gegen Flüchtlinge und Asylbewerberunterkünfte ist kein Ergebnis einer allgemeinen, wachsenden Ausländerfeindlichkeit, wie Politiker und Kommentatoren oft behaupten. In Remchingen organisierten die Bewohner nach dem Brandanschlag spontan eine Solidaritätskundgebung für die Flüchtlinge. Auch die Süddeutsche Zeitung musste zugeben, dass das zivilgesellschaftliche Engagement für die Unterbringung von Flüchtlingen weitaus höher ist, als die kleine im Ort ansässige rechtsradikale Szene.

In vielen kleinen Ortschaften, in denen Unterkünfte für Flüchtlinge hergerichtet werden, ist die Zahl derer, die die Aufnahme von Flüchtlingen begrüßen und praktisch unterstützen, in der Regel weit höher, als die der Teilnehmer an Protesten, die mit rassistischen Parolen die Unterbringung von Asylbewerbern verhindern wollen.

Diese kleine rassistische Minderheit wird durch die Propaganda führender Politiker unterstützt und regelrecht ermutigt.

So bezeichnete es Bundesinnenminister Thomas de Mazière am Wochenende in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „absolut verständlich“, dass Menschen „kritische Fragen stellen“, wenn Flüchtlinge aus Serbien, dem Kosovo oder Albanien kommen. Dass vierzig Prozent der Asylbewerber aus diesen Balkanstaaten kämen, sei „eine Schande für Europa und inakzeptabel“, erklärte er weiter.

Die „Schande“ besteht für de Maizière allerdings nicht darin, dass Menschen, in erster Linie Roma, dort vor Diskriminierung, Verfolgung und Elend fliehen müssen, sondern dass die EU nicht in der Lage ist, diese Flüchtlinge aufzuhalten. „Das Wichtigste ist, deren Anzahl drastisch zu reduzieren“, betonte der Innenminister.

Er plädierte für weitere Restriktionen für Flüchtlinge und forderte, Leistungen wie das so genannte „Taschengeld“ in Höhe von 143 Euro monatlich für Asylbewerber vom Westbalkan zu streichen. Die Streichung des Taschengeldes, die zuvor bereits der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, gefordert hatte, würde neu ankommende Flüchtlinge völlig mittellos dastehen lassen und zudem gegen geltendes europäisches Asylrecht verstoßen.

Noch weiter ging der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Auf einem Bezirksparteitag der CSU in Niederbayern erklärte er, es handle sich bei den Flüchtlingen vom Balkan um „einen massenhaften Missbrauch“. Ein solcher „Asylmissbrauch“ schmälere die Akzeptanz für Flüchtlinge in der Bevölkerung. „Wir müssen rigorose Maßnahmen ergreifen“, so Seehofer. Die bayerische Landesregierung will dafür die ohnehin schon niedrigen Standards bei der Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen weiter drastisch senken.

Am Montag beschloss das bayerische Kabinett auf einer Klausurtagung in St. Quirin, für Flüchtlinge vom Balkan zwei spezielle Aufnahmeeinrichtungen nahe der Grenze zu Österreich und Tschechien aufzubauen. Ministerpräsident Seehofer schloss dabei ausdrücklich nicht aus, dass dort provisorische Zeltlager für jeweils tausende Flüchtlinge errichtet werden, in denen innerhalb von zwei Wochen Asylanträge abgelehnt und Flüchtlinge danach rigoros abgeschoben werden.

Am Rande der Klausursitzung steigerte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer die Flüchtlingshetze. Der Passauer Neuen Presse sagte er: „Der Druck durch den nicht abreißenden Zuzug von Flüchtlingen ist übergroß und kaum noch auszuhalten. An den Grenzen stehen 60 Millionen Flüchtlinge. Wie sollen wir dieser Massen Herr werden? Wir können nicht die ganze Welt retten.“

Mit solch hetzerischen Parolen und der pauschalen Kriminalisierung von Flüchtlingen legt die CSU die Lunte für die nächsten brennenden Flüchtlingsheime.

Heribert Prantl bezeichnete in der Süddeutschen Zeitung die Pläne Seehofers als Nachahmung der Flüchtlingspolitik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. In Ungarn wird nicht nur ein 175 Kilometer langer Zaun an der Grenze zu Serbien errichtet, um Flüchtlinge an der Einreise zu hindern, sie werden auch mit allen erdenklichen Mitteln drangsaliert, kriminalisiert und inhaftiert. Wie Seehofer in Bayern will auch Orban Flüchtlinge aus den Städten verbannen, damit „die örtliche Bevölkerung nicht durch die Massen an Flüchtlingen gestört wird“, wie Janos Lazar, Stabschef von Orban, jüngst erklärte.

Obwohl die ungarische Flüchtlingspolitik massiv gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und geltendes Recht der Europäischen Union verstößt, wird sie immer mehr zum Vorbild für die Demagogen in der deutschen Regierung.

Auch Bundesinnenminister de Maizière findet ganz offensichtlich Gefallen an der menschenverachtenden Haltung der ungarischen Regierung. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte er: „Ungarn ist ein Land, das eine Schengen-Außengrenze hat, und wir verlangen, dass diese Staaten diese Außengrenzen sichern. Zudem ist Ungarn sehr belastet, dort wurden in den vergangenen Monaten Zehntausende Asylbewerber aufgenommen und registriert.“

Die Hetzkampagne gegen Flüchtlinge ist jedoch keineswegs auf den rechten Rand der Union beschränkt. Auch der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, forderte am Wochenende mehr Restriktionen und die konsequentere Abschiebung von Flüchtlingen. Schon im September, als die Bundesregierung das Asylrecht massiv verschärfte, konnte sie sich im Bundesrat auf die Stimmen der rot-grünen Landesregierung in Baden-Württemberg stützen.

Auch die SPD und die Linkspartei unterstützen die Angriffe auf grundlegende Rechte von Flüchtlingen. Zu Beginn dieses Jahres erklärten der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und der Fraktionschef der Linkspartei Gregor Gysi, man müsse gegenüber der rechtsextremen Pegida-Bewegung gesprächsbereit sein und deren rechte Aufmärsche und Drohungen gegen Flüchtlinge und Ausländer als Ausdruck von berechtigten Ängsten und Sorgen weiter Teile der Bevölkerung verstehen, die sich überfordert fühle.

Die Situation erinnert fatal an das Jahr 1992/93. Damals waren Hunderttausende Flüchtlinge vor dem Bürgerkrieg in Jugoslawien nach Deutschland geflohen. Als Rassisten und Neonazis dann regelrecht Jagd auf Migranten machten, schafften die im Bundestag vertretenen Parteien das Asylrecht faktisch ab. Mit einer neuen Welle von Flüchtlingen konfrontiert, greift die herrschende Klasse wieder zu den gleichen verbrecherischen Mitteln, um die Axt an den verbliebenen Rest des Asylrechts zu legen.

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