Ungarische Regierung geht gegen Flüchtlinge vor

Die ungarische Regierung von Premier Victor Orban geht massiv gegen Flüchtlinge im Land vor. Dabei genießt sie die Unterstützung der Europäischen Union und arbeitet Hand in Hand mit den ultra-rechten Kräften im Land.

Ungarn hat bereits mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zu Serbien begonnen. Auf diese Weise soll der Zustrom von Flüchtlingen begrenzt werden. Der erste 150 Meter lange Musterabschnitt entsteht nahe der Ortschaft Mórahalom rund 180 Kilometer südlich der Hauptstadt, teilten das Innen- und das Verteidigungsministerium mit. Der Bau soll Ende November abgeschlossen sein. Der insgesamt 175 Kilometer lange Zaun ist vier Meter hoch. Die Bauarbeiten werden teilweise von umfangreichen Militärkräften gesichert.

Die Kosten für den gesamten Bau belaufen sich auf rund 6,5 Milliarden Forint (21 Mio. Euro). Das ist ungefähr zehnmal soviel, wie Ungarn derzeit jährlich für Asylverfahren, Flüchtlingsunterbringung und Grenzschutz aufwendet. Denn nur 2.700 Flüchtlinge warten tatsächlich ihr Asylverfahren in Ungarn ab. Pro Jahr werden weniger als 500 aufgenommen.

Nach Regierungsangaben sollen zuletzt rund 1000 Menschen pro Tag über die serbische Grenze nach Ungarn gekommen sein. Insgesamt seien seit Jahresanfang 80.000 Flüchtlinge auf diesem Weg ins Land gelangt. Die meisten stammen aus dem Irak, Afghanistan, Syrien und dem Kosovo. Die Menschen fliehen vor den katastrophalen Bedingungen, die durch die Kriegspolitik der USA und der europäischen Mächte geschaffen wurden.

Menschenrechtsorganisationen kritisierten den geplanten Zaun als Teil einer „Propagandakampagne der Regierung gegen Einwanderer“. Doch kaum eine andere europäische Regierung sprach sich gegen die Pläne aus. Ungarns Innenminister Pinter bestätigte im Gegenteil, dass die rigide Politik Ungarns durchaus auf der Linie der Europäischen Union liege. Er betonte, dass aus Brüssel kein Protest gegen den Zaun gekommen sei.

Der menschenverachtende Umgang mit Flüchtlingen ist nicht auf Ungarn beschränkt. Andere EU-Mitglieder gehen ähnlich rücksichtslos vor. Der deutsche Innenminister Thomas de Mazière bezeichnete es vergangene Woche in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „absolut verständlich“, wenn Menschen in Deutschland wegen Asylbewerbern aus dem Kosovo und Albanien „kritische Fragen“ stellten. Dass vierzig Prozent der Asylbewerber aus diesen Balkanstaaten kämen, sei „eine Schande für Europa und inakzeptabel“.

Die Orban-Regierung wehrt nicht nur Flüchtlinge an der Grenze ab. Sie vertreibt sie auch aus den Städten. Ein Sprecher des Innenministeriums kündigte an, man wolle Flüchtlinge künftig nicht mehr in bewohnten Gebieten haben. Stattdessen sollen nur noch Zeltlager als Übergangsunterkünfte eingerichtet werden, wie Orbans Stabschef János Lázár erklärte. So werde die örtliche Bevölkerung „nicht durch die Massen an Flüchtlingen gestört“. Eines davon soll an der Grenze zu Serbien entstehen.

Regierungschef Orban schimpfte, Asylsuchenden seien allesamt „Wirtschaftsflüchtlinge“. Sie seien „artfremd“ und hätten vor, das „christliche Europa zu zerstören“. Flüchtlinge sollen generell kriminalisiert werden. So soll es zukünftig erlaubt sein, sie länger als 48 Stunden einzusperren.

Orbans Regierung arbeitet eng mit faschistischen Kräften zusammen. Anfang Juli provozierten Neonazis, die in Kontakt zur Partei Jobbik stehen, am Bahnhof der grenznahen Stadt Szeged Flüchtlinge und deren ungarische Helfer, ohne dass die Polizei einschritt.

Als Rechtsextreme vor dem Budapester Ostbahnhof gegen „einfallende Horden aus Afrika“ demonstrierten, begleitete die Polizei dies mit schikanösen Flüchtlingskontrollen. Der ehemalige Jobbik-Abgeordnete György Gyula Zagyva kündigte auf der Demonstration „eine Reihe von Aktionen an der Grenze und an Flüchtlingslagern“ an. Die neofaschistische Jobbik hat in Polizei- und Geheimdienstkreisen zahlreiche Mitglieder.

Mit dem Bau des Grenzzaunes und der Verschärfung der Flüchtlingspolitik hat die Regierung die Politik der Ultrarechten übernommen. Laszlo Toroczkai, Bürgermeister von Asotthalom, einem Dorf bei Szeged, hatte vor einem Jahr den Bau des Grenzzaunes gefordert. Er erklärte nun: „Ich bin froh, dass die Regierung meine Idee aufgegriffen hat.“

Toroczkai hatte 2001 die rechtsextreme Gruppe „64 Burgkomitate“ gegründet. Diese faschistische Gruppe tritt für die Schaffung eines Großungarns ein. Toroczkai selbst nahm 2006 am Angriff rechter Banden auf das ungarische Fernsehen teil und erhielt wegen seiner provokanten Auftritte Aufenthaltsverbote in drei Nachbarländern. 2013 wurde er zum Bürgermeister der kleinen Gemeinde bei Szeged gewählt. Er wirbt offen dafür, Flüchtlinge zu bedrohen und zu vertreiben.

In Asotthalom wie auch in einigen anderen ungarischen Gebieten arbeiten faschistische Milizen und reguläre Polizeikräfte eng zusammen. Rund 20 Milizen wurden teilweise bewaffnet und zur Hatz auf Flüchtlingen geschickt. Toroczkai berichtete der Presse stolz, die Bürgerwehr habe eine Gruppe von etwa 100 Flüchtlingen, die im Park vor dem Bürgermeisteramt übernachtete, „umstellt und so lange bewacht, bis die Polizei sie wegbrachte. Die Zusammenarbeit funktioniert gut.“

Der Schweizer Tagesanzeiger hat darüber berichtet, wie die Polizei mit Flüchtlingen in Ungarn umgeht. Sie bringe Flüchtlinge „in die ehemalige Haftanstalt Nagyfa bei Szeged, wo sie untersucht und registriert werden und einen provisorischen Ausweis bekommen“. Dann würden sie am Bahnhof Szeged ausgesetzt und müssten selbst den Weg in eines der drei Flüchtlingslager finden. „Wer das nicht innert zwei Tagen schafft, verliert die Aufenthaltserlaubnis. Nicht alle reisen dann weiter nach Westeuropa. Viele stranden auf Bahnhofsvorplätzen und Unterführungen in Städten wie Szeged oder Budapest. Auch Familien mit Kleinkindern sind dabei.“

Vergangene Woche starb ein Einwanderer auf der Flucht vor der Polizei. Laut Augenzeugen hielt sich der Mann mit anderen Flüchtlingen an einer Tankstelle auf, als eine Polizeistreife sie verhaften wollte, floh er über die Autobahn und wurde von einem Fahrzeug erfasst. Seine Familie, einschließlich seiner Kinder mussten die Szene mit ansehen.

Loading