Monitor: Wie deutsche Unternehmen von der Griechenland-Privatisierung profitieren

Das EU-Spardiktat hat nichts mit Griechenland-Rettung zu tun, wie allerorten behauptet wird. In Wahrheit geht es um die Rettung und Steigerung der Profite der deutschen Wirtschafts- und Finanzelite. Griechenland soll im Interesse der größten europäischen Mächte und vor allem Deutschlands ausgeplündert und ausgeschlachtet werden.

Dies war eine der zentralen Aussagen in der letzten Ausgabe der ARD-Sendung Monitor vom 23. Juli. Am Tag nach der Verabschiedung der neuesten EU-Vereinbarung im griechischen Parlament setzte sich das ARD-Magazin kritisch mit der Griechenland-Politik der Bundesregierung auseinander.

Neben einer Kritik am 900-seitigen Sparprogramm und Interviews mit ausländischen Journalisten, die die Rückkehr „der deutschen Frage“ und des „hässlichen Deutschen“ kommentierten, behandelte ein spezieller Beitrag die Bedeutung des Treuhandfonds. Er ist das Herzstück des neuen EU-Sparprogramms, das wesentlich von Finanzminister Schäuble und Bundeskanzlerin Merkel durchgesetzt wurde. Diesem Fonds, der unter europäischer Aufsicht und damit im Wesentlichen unter deutscher Kontrolle stehen wird, muss Griechenland seine staatlichen Vermögenswerte übertragen, deren Privatisierung 50 Milliarden Euro einbringen soll: Flughäfen und Häfen, Post, Eisenbahnen, Autobahnen, Strom-, Gas- und Wasserversorgung, Gebäude, Strände, sogar ganze Inseln und einiges mehr.

Schäuble hatte Mitte Juli beim EU-Gipfel das mit Frankreich und dem IWF abgestimmte Angebot von Alexis Tsipras, aus Privatisierungen jährlich 500 Millionen Euro in den Fonds zu zahlen, strikt abgelehnt. Laut Süddeutsche Zeitung vom 14. Juli ließ er die Verhandlungen „zum x-ten Mal“ unterbrechen und brüstete sich anschließend vor den Medien mit seiner Unnachgiebigkeit: „Ich sagte 50 Milliarden, 50 Milliarden!“

Die Behauptung, dieses Geld solle Griechenlands Schulden abtragen und Banken und Wirtschaft wieder in Gang bringen, wird von Monitor widerlegt. Unter der Überschrift „Milliarden-Deals mit Griechenland: Wer sind die Profiteure der Privatisierung“ berichtet die Sendung über das Beispiel von Fraport, der Frankfurter Flughafengesellschaft. Diese hatte sich bereits im letzten Jahr um Betreiber-Konzessionen von Flughäfen insbesondere auf Touristeninseln in Griechenland beworben und den Zuschlag erhalten. Der Deal wurde nach der Machtübernahme von Syriza allerdings zunächst auf Eis gelegt.

Doch nach der Kapitulation der Syriza-Regierung vor der EU hat jetzt Fraport freie Bahn. Mithilfe des Privatisierungsfonds will die Gesellschaft für nur 1,23 Mrd. EUR und einer jährlichen Gebühr von 22,9 Millionen EUR die lukrativsten 14 Flughäfen, darunter die Filetstücke auf Touristeninseln wie Rhodos, Mykonos, Santorin und Korfu, für mindestens 40 Jahre übernehmen. Die anderen über 30 Flughäfen, die subventioniert werden müssen, bleiben beim griechischen Staat. „Das ist ein Modell, das so noch nirgendwo in Europa angewandt wurde. Das passt eher zu einer Kolonie, als zu einem EU-Mitgliedsland“, sagte dazu Infrastrukturminister Christos Spirtzis in Monitor.

Auch Bürgermeister Kostas Nikolouzos von Korfu, dessen Flughafen aufgrund der Touristenströme große Umsätze aufweist, klagte im Interview, dass man das Land „der Mittel beraubt“, um die Schulden zurückzubezahlen. Öffentliche Unternehmen und Einrichtungen werden „weit unter Wert verhökert“, warnt ebenso ein Vertreter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in der Sendung. Das werde künftigen griechischen Regierungen Ärger bereiten.

Dafür winken deutschen Unternehmen wie Fraport satte Gewinne, wie die Zahlen belegen. Im letzten Jahr stieg an den begehrten griechischen Flughäfen die Anzahl der Flüge auf über 188.000, ein Plus von 13,8 Prozent, und die Passagierzahlen nahmen um 19 Prozent auf mehr als 22 Millionen zu, immerhin etwa ein Drittel des Aufkommens am Heimatflughafen Frankfurt.

Lufthansa Consulting gehört passender Weise zu den Beratungsteams des griechischen Privatisierungsfonds und kennt die Wirtschaftszahlen der Flughäfen. Sie bestätigte gegenüber Monitor, die Zahlen seien zwar vertraulich, aber es könne beim Fraport-Geschäft „sicherlich von einer wirtschaftlichen Lukrativität ausgegangen werden“. Der Fonds, so resümiert Monitor, werde somit eingesetzt, um einem deutschen Unternehmen profitable Geschäfte zu vermitteln, das sich noch dazu mehrheitlich in öffentlicher Hand, nämlich im Besitz der Stadt Frankfurt und des Lands Hessen, befindet. Die Erlöse der Privatisierung fließen in deutsche staatliche Kassen – zu Lasten des griechischen Staats.

Auch in anderen Medien werden inzwischen die wahren Absichten der bundesdeutschen Griechenland-Politik thematisiert. Nach wochenlanger Hetzkampagne gegen „die Griechen“, deren rassistischer Tonfall fatal an die jüngste Vergangenheit der griechischen Besatzung erinnerte, beginnen nach der Kapitulation Syrizas einige Wirtschaftsredaktionen auszuloten, welche Schnäppchen die deutsche Wirtschafts- und Finanzelite in Griechenland an sich reißen könnte.

Das Handelsblatt berichtete am 25. Juli ebenfalls über den Fraport-Deal und schrieb, das Land Hessen organisiere „derweil in Brüssel politische Unterstützung für das Griechen-Geschäft. In der vergangenen Woche war Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bei Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.“ Bereits am 21. Juli veröffentlichte das Handelsblatt einen Artikel unter dem zynischen Titel „Sommerschlussverkauf in Athen“. Darin werden mögliche Verkaufsobjekte taxiert, unter anderem die zahlreichen griechischen Inseln. Einige traumhafte Reisefotos zeigen „die elf günstigsten Inseln“, die der Verkaufswebsite Private Islands Online entnommen sind (privateislandsonline.com). In der Bildunterschrift heißt es: „Experten gehen von einem Ausverkauf griechischer Inseln in den nächsten Jahren aus.“

Am 13. Juli schrieben die Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass Schäubles Treuhand-Vorschlag vor allem deshalb auf große Empörung und Widerstand stieß, weil der ursprüngliche Plan vorsah, den Fonds in die deutsche KfW-Bank zu integrieren. Wörtlich heißt es dort: „Der von Wolfgang Schäuble vorgeschlagene Treuhand-Fonds, in den griechisches Volksvermögen übertragen werden soll, sorgt für Aufruhr in ganz Europa. Der Fonds ist nämlich eine 100 Prozent-Tochter der deutschen Staatsbank KfW.“

Auf Nachfrage teilte der Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung der Griechischen Botschaft, Christos Dokomes, mit, das sei so nicht korrekt. Es gebe zwar eine Zusammenarbeit mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), aber der jetzt vereinbarte Fonds habe seinen Sitz in Athen, werde von der griechischen Regierung geleitet und von den europäischen Institutionen überwacht.

Fest steht, dass Schäuble und die deutsche Regierung Griechenland mit Hilfe des Privatisierungsfonds wie ein Protektorat mit eingeschränkter Souveränität behandeln und ausbeuten. Die Erpressung der griechischen Bevölkerung geht noch über die Rolle der Treuhandanstalt nach der Wiedervereinigung hinaus. Damals wurden mit Hilfe der Treuhandanstalt DDR-Betriebe und -Institutionen entweder stillgelegt oder zum Schleuderpreis an Investoren aus dem Westen verscherbelt und Massen von Arbeitern in die Arbeitslosigkeit geschickt.

Auch heute zielt der Privatisierungsfonds darauf ab, die Massenarbeitslosigkeit in Griechenland zu erhöhen. In der jüngsten Ausgabe des Spiegels heißt es: „Die Bundesregierung hält es für zwingend, dass viele griechischen Bürger im Rahmen des dritten Hilfspakets ihre Arbeitsplätze verlieren.“ Der Spiegel-Artikel steht unter der Überschrift: „Griechenland – Mehr Arbeitslose“ und zitiert Aussagen vom Parlamentarischen Staatssekretär Jens Spahn (CDU), der auflistete, welche „Reformen 'im Bereich der Arbeitsmärkte in Griechenland insbesondere ergriffen werden müssen', nämlich ausdrücklich auch 'Massenentlassungen nach dem mit den Institutionen vereinbarten Zeitplan und Ansatz'“.

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