Großbritannien:

Wahl des Vorsitzenden der Labour Party endet in Parteikrise

Die Wahl des Vorsitzenden der britischen Labour-Party gleitet in eine Farce ab. Nicht nur, dass ein Abbruch der Wahlen gefordert wird, bei einem Sieg des „falschen“ Kandidaten wird sogar ein Putsch angedroht.

Grund dafür ist der voraussichtliche Sieg Jeremy Corbyns über seine drei Konkurrenten Andy Burnham, Yvette Cooper und Liz Kendall.

Die Wahl des Vorsitzenden wird zum ersten Mal nach dem Prinzip „ein Mitglied, eine Stimme“ durchgeführt. Nach dem Beispiel der Vorwahlen in den USA kann sich jeder Bürger an den Wahlen beteiligen, sofern er eine Parteimitgliedschaft für drei Pfund erwirbt. Dies wurde als Maßnahme deklariert, die Labours Anbindung an die öffentliche Meinung gewährleiste, in Wirklichkeit soll dadurch nur verschleiert werden, dass die Parteiführung keinerlei Kontrolle durch die schwindende Basis mehr unterliegt.

In den Unterhauswahlen im Mai desertierten die Wähler aus der Arbeiterklasse scharenweise, was zur Folge hatte, dass ein paar Führungsmitglieder es als notwendig erachteten, einen scheinbar „linken“ Kandidaten ins Rennen zu schicken. Die Wahl des Vorsitzenden sollte dadurch nicht nur insgesamt attraktiver werden, sondern die erwartete Niederlage Corbyns sollte auch den Nachweis liefern, dass es in der Partei auch nicht den leisesten Hauch von Zustimmung für eine Umkehrung der Verteilung von unten nach oben gibt. Das galt als eine Frage von Sein oder Nichtsein, da sich Labour auf eine Verschärfung der Sparmaßnahmen eingeschworen hat.

Unter diesen Voraussetzungen unterstützte eine Reihe erklärter politischer Gegner Corbyns dessen Kandidatur und ermöglichte noch in letzter Minute seinen Einstieg in das Rennen.

Corbyn selbst glaubte nie an den eigenen Sieg. In den mehr als dreißig Jahren als Parlamentsabgeordneter hatte seine Ablehnung der einen oder anderen der schlimmsten Maßnahmen Labours – beispielsweise ihrer Unterstützung des Irakkrieges – nie irgendetwas an der rechten Agenda der Partei ändern können.

Nach Labours vernichtender Niederlage warnte er jedoch, dass die Partei das gleiche Schicksal ereilen könne, wie ihre Pendants in Europa, die durch ihre Unterstützung der Sparpolitik in die politische Bedeutungslosigkeit versunken sind. Corbyn argumentiert, Labour müsse sowohl die Lehren aus Griechenland, als auch aus Spanien ziehen, um der Gefahr der „Pasokifikation“ zu begegnen. Gemeint ist der Zusammenbruch von Pasok in Griechenland als Folge der rücksichtslos betriebenen Sparpolitik.

In diesen Ländern, so sagte er, „ist es sehr interessant, dass sozialdemokratische Parteien, die die Sparagenda übernehmen und schließlich durchsetzen am Ende eine Menge Mitglieder und viel Unterstützung verlieren.“

„Ich denke, wir haben die Chance es hier anders zu machen.“

27 Labour-Kandidaten bei den Parlamentswahlen, die keine Sitze gewonnen hatten, schlossen sich Corbyns Warnung an. In einem offenen Brief, in dem sie sich für seine Kandidatur aussprachen, betonten sie, die Partei habe die Wahlen verloren, weil sie „es versäumt hat, sich dem grundsätzlichen Konsens über die Sparmaßnahmen offensiv entgegenzustellen. Das hat uns alle Stimmen gekostet.“

Diese Botschaft wird in der Parteiführung kein Gehör finden. Erst letzte Woche enthielten sich Burnham, Cooper und Kendall bei der Abstimmung über die letzte Runde der Sozialkürzungen, die weitere Zehntausende in Armut stürzen wird. Die Maßnahme konnte beschlossen werden, weil die amtierende Vorsitzende der Partei, Harriet Harman, eine entsprechende politische Entscheidung traf.

Als einziger Kandidat, der dagegen stimmte, sieht sich Corbyn jetzt mit 53 Prozent an der Spitze, gegenüber 47 Prozent für den bisherigen Spitzenreiter Burnham.

Daraufhin hat sich der Labour-Abgeordnete John Mann ins Geschirr geworfen und Harman gedrängt die Ausscheidung zu stoppen, sodass neue Mitglieder ordentlich überprüft werden können. Die meisten Neumitglieder unterstützen angeblich die Kandidatur Corbyns.

Mann klagte, dass die Ausscheidung „vollkommen außer Kontrolle geraten ist“, und er behauptete Corbyns Unterstützer seien Leute, die „in Opposition zur Labour-Party stehen und sie zerstören wollen...“

Mann behauptet beweisen zu können, dass „trotzkistische“ Organisationen dabei sind, die Wahlen zu stören. Caroline Flint, Energieministerin des Schattenkabinetts, die als Fraktionsvorsitzende kandidiert, fordert: „Jedem, von dem rauskommt, dass er die Ziele und Werte der Labour-Party nicht teilt, sollte die Stimmabgabe bei den Führungswahlen untersagt werden.“

Unter der Überschrift: „Extrem linke Verschwörung zur Infiltrierung der Labour-Führungswahl“ berichtete die Times, die Unterstützung für Corbyns Kandidatur reiche bis in die Kommunistische Partei Großbritanniens und bis zu „Aktivisten“ der Grünen. Sie lamentierte, einige der neuen Mitglieder „haben vorher für die Trade Unionist and Socialist Coalition kandidiert, eine Wahlliste, auf der auch die Socialist Workers' Party stand, und die von Bob Crow gegründet wurde, dem späteren linkslastigen Vorsitzenden der Eisenbahnergewerkschaft RMT.“

Ein Großteil der Pseudo-Linken hat sich tatsächlich auf Corbyns Seite gestellt. Weit von einer „extrem linken“ Verschwörung zur Zerstörung der Partei entfernt, ist es ihr Anliegen, Labour als wichtigste Opposition gegen Sozialismus und Revolution zu erhalten. Die Kommunistische Partei Großbritanniens hat dazu lange an der Fiktion festgehalten, Labour sei eine „Arbeiterpartei“. Gleichzeitig wurde aus Teilen der Gewerkschaftsbürokratie und der Pseudo-Linken die Trade Unionist and Socialist Coalition als Wahlblock zur Verhinderung einer politischen Rebellion gegen Labour aufgebaut.

Dies ist auch der Grund für die Unterstützung, die Corbyn bei Unite, der größten Gewerkschaft, und einigen anderen Gewerkschaften fand. Am meisten fürchtet die Gewerkschaftsbürokratie, Labours zu offensichtliche Anpassung an die Politik der Torys könne den Weg für das Auftreten einer neuen, sozialistischen Arbeiterpartei eröffnen.

Aber anstatt zu beweisen, dass Labour für Arbeiter und junge Menschen immer noch bedeutsam sei, hat Corbyns Kandidatur nur offenbart, wie sklerotisch, morbide und rechts die Partei ist. Schon die Andeutung einer möglicherweise notwendig werdenden oppositionellen Haltung lässt die Partei in in den Grundfesten erschüttern.

Letzte Woche wurde der ehemalige Premierminister Tony Blair aus dem Museum hervorgeholt und betonte, dass alle, die für eine am „Herzblut“ ausgerichtete Labour-Politik eintreten „ein Transplantat bekommen“ sollten. Lord Peter Mandelson, der sich auf infame Weise damit brüstete, dass Labour „sehr gelassen auf Menschen mit obszönem Reichtum reagiere“, klagte, dass jetzt die Existenz der Partei als „wirkliche Kraft im Wahlkampf“ auf dem Spiel stehe.

Einige Geldgeber Labours warnen nicht nur vor einer möglichen Palastrevolte und einer Spaltung der Partei, sie drohen offen mit der Einstellung ihrer finanziellen Unterstützung, sollte Corbyn gewinnen.

Der Telegraph berichtete: „Führende Labour-Abgeordnete planen den Sturz Jeremy Corbyns, falls er als Parteivorsitzender gewählt werden sollte“ „Quellen aus dem Schattenkabinett“ ließen die Zeitung wissen, „ein Putsch könne innerhalb von Tagen nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses am 12. September stattfinden.

„Wir werden entscheiden müssen, ob er sofort abgesetzt werden sollte oder ob es besser wäre diese Katastrophe ein oder zwei Jahre lang zu ertragen und ihn dann 2018 loszuwerden“, sagte ein nicht namentlich genannter Abgeordneter.

Lord David Owen, der 1981 eine rechte Abspaltung von Labour angeführt und die Sozialdemokratische Partei aufgebaut hatte, warnte, dass ein solches Vorgehen eine weitere „Spaltung wahrscheinlicher machen würde, wenn zu abrupt vorgegangen wird.“

Owen sagte: „Einige von ihnen mögen der Ansicht sein, dass sie damit (mit dem Sieg Corbyns) nicht einmal ein Jahr lang leben können. Aber das wäre sehr spalterisch. Ich würde es ausprobieren und dann weitersehen.“

Cooper und Kendall, die in den Abstimmungen schlechte Werte erzielt hatten, wurden aufgefordert, aus den Wahlen auszusteigen und Burnham zu unterstützen. Aber das führte nur zu Krach in der egoistischen, privilegierten Clique, aus der Labour sich zusammensetzt. Die zwei Frauen behaupteten sie seien -Opfer von Sexismus.

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