Perspektive

Ein Jahr Krieg in Irak und Syrien unter Obama

In dieser Woche jähren sich erstmals der Beginn der Luftangriffe im Irak und der Anfang eines neuen Krieges der USA im Nahen Osten.

Die Obama-Regierung begeht diesen furchtbaren Jahrestag mit einer weiteren qualitativen Eskalation des Krieges. Sie hat dem Pentagon grünes Licht gegeben, eine umfassende Luftunterstützung für eine kleine Truppe von Söldnern zu organisieren, die vom US-Militär ausgebildet, bewaffnet, bezahlt und nach Syrien geschickt wurde.

Die neuen Einsatzregeln legen fest, dass sich die Luftangriffe zugunsten dieser Truppe -- die weniger als 60 Mann umfasst hat, bevor letzte Woche ihre Kommandanten und mehrere Mitglieder gefangen und weitere getötet wurden -- gegen jede angebliche Bedrohung durch syrische Regierungstruppen richten werden.

Diese Befehle sind ein offensichtlicher Trick, um das US-Militär direkt in den blutigen Krieg für einen Regimewechsel in Syrien hineinzuziehen. Dieser schon vier Jahre andauernde Krieg wird von Washington und seinen regionalen Verbündeten durch den Einsatz islamistischer Milizen als Stellvertretertruppen geschürt. Die einzig mögliche Funktion der sogenannten „Neuen Syrischen Truppe“, die kaum größer ist als ein amerikanisches Footballteam, ist es, als Lockvogel das Feuer des syrischen Militärs auf sich zu ziehen, um den Vorwand für eine offene Intervention der USA zum Sturz der Regierung von Präsident Baschar al-Assad zu liefern.

Dieser Kurswechsel auf eine Ausweitung der Intervention und ein noch größeres Blutvergießen ist nur das jüngste Kapitel einer Kriegspolitik, die von dermaßen verwirrenden Widersprüchen geprägt ist, dass sie sich unmöglich auf kohärente Weise verteidigen lässt. Daher stützt sich die Obama-Regierung auf Lügen und Betrug, um der amerikanischen Bevölkerung den Krieg aufzuzwingen.

Als Obama vor einem Jahr Luftangriffe im Irak anordnete und ein kleines Kontingent von Spezialkräften ins Land schickte, erklärte er der amerikanischen Öffentlichkeit, dies geschehe einzig und allein zu dem Zweck, die kleine religiöse Gemeinde der Jesiden im Nordirak vor einem angeblich unmittelbar bevorstehenden Massaker durch den Islamischen Staat (IS) zu bewahren.

Im Monat zuvor hatte der IS, eine sunnitische Miliz, fast ein Drittel des Iraks erobert und die von den USA ausgebildeten irakischen Truppen zu einer chaotischen Flucht gezwungen. Dieses Debakel war wiederum das Ergebnis der früheren US-Interventionen, die zu Hunderttausenden irakischen Todesopfern und zur Aufspaltung der Gesellschaft entlang religiöser und sektiererischer Linien geführt hatten.

Der IS selbst trägt den Stempel "Made in the USA". Er wurde im Krieg für einen Regimewechsel in Syrien von der CIA und Washingtons wichtigsten Verbündeten in der Region unterstützt, der Türkei, Saudi-Arabien und Katar. Auch der Nato-Krieg in Libyen 2011, der mit dem Sturz und der Ermordung von Staatschef Muammar Gaddafi endete, stärkte den IS. Bei diesem neokolonialen Unternehmen setzten die USA auf ähnliche, mit Al Qaida verbündete islamistische Milizen, und viele ihrer Mitglieder wurden anschließend mit riesigen Mengen erbeuteter libyscher Waffen nach Syrien geschmuggelt.

Das Schicksal der Jesiden ist längst in Vergessenheit geraten. In der Folge stellte Washington den neuen Krieg als wichtigen Kampf gegen den Terrorismus dar -- das heißt, gegen die gleichen Terroristen, die es in Libyen und Syrien unterstützt hatte -- und schlachtete die Enthauptung von gefangenen Amerikanern durch den IS propagandistisch aus.

Dann kam der Kampf gegen die Belagerung der syrischen Stadt Kobane, bei welcher die US-Air Force den kurdischen Milizen, die gegen den IS kämpften, Luftunterstützung leistete. Wie vorauszusehen war, nutzten diverse pseudolinke Organisationen die Verteidigung der Kurden als Rechtfertigung für ihre Unterstützung des imperialistischen Krieges.

Nur wenige Monate später hat jetzt Washington seine ehemaligen kurdischen Verbündeten den türkischen Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Als Gegenleistung für die Erlaubnis, türkische Stützpunkte benutzen zu können, um Syrien zu bombardieren, hat Washington Ankara erlaubt, im Rahmen eines Kampfes gegen „den Terrorismus“ kurdische Stellungen zu bombardieren. Obama unterstützte außerdem den Vorschlag der Türkei, eine Pufferzone auf syrischem Staatsgebiet entlang der türkischen Grenze einzurichten, um den Krieg für einen Regimewechsel gegen Assad zu verschärfen.

Das jüngste Debakel -- die Gefangennahme der syrischen Söldner Washingtons durch die al Nusra-Front -- hat im Weißen Haus Überraschung und Bestürzung ausgelöst. Damit kam ans Tageslicht, dass die Obama-Regierung bisher ihre Strategie auf eine „Einheitsfront“ mit diesem syrischen Ableger von Al Qaida gestützt hat. Soweit zum Thema „Krieg gegen den Terrorismus“!

Die einzigen erkennbaren Konstanten in diesem Krieg sind die räuberischen Ziele des US-Imperialismus, die er seit einem Vierteljahrhundert ununterbrochen durch den Einsatz militärischer Gewalt verfolgt. Obama verdankte seinen Wahlsieg der starken Antikriegsstimmung in Amerika, agiert aber seither als das unterwürfige Sprachrohr des amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparates. Der erneute Krieg ist eine Fortsetzung des kriminellen Angriffskrieges gegen den Irak, den George W. Bush im Jahr 2003 auf der Grundlage von Lügen begonnen hatte. Jener Krieg war wiederum eine Fortsetzung des Golfkrieges, den Bushs Vater 1991 begonnen hatte.

Dieser Ausbruch des US-Militarismus wird mit jeder Stufe gefährlicher. Das Ziel dieser jüngsten Intervention in Syrien ist nicht nur, die Assad-Regierung zu stürzen und ein von den USA kontrolliertes Marionettenregime an die Macht zu bringen und so die Hegemonie der USA über den strategisch wichtigen und ölreichen Nahen Osten zu stärken. Sie bedeutet auch die Vorbereitung auf noch katastrophalere Kriege gegen die wichtigsten Verbündeten von Damaskus -- den Iran und Russland.

Der Drang des US-Imperialismus nach Weltherrschaft führt in seiner Logik unweigerlich zum Krieg gegen Russland und China und zur Eskalation der Spannungen mit Washingtons angeblichen Verbündeten in Europa. Für die Menschheit bedeutet dies die Gefahr eines Dritten Weltkrieges.

In dieser Woche war jedoch nicht nur der erste Jahrestag von Obamas Krieg im Irak und Syrien, sondern auch des dritten Parteitags der Socialist Equality Party in den USA, auf dem einstimmig die Resolution „Der Kampf gegen Krieg und die politischen Aufgaben der Socialist Equality Party“ verabschiedet wurde.

In diesem wichtigen Dokument heißt es u.a. „Da die Vereinigten Staaten den Mittelpunkt des Weltimperialismus und damit die Kommandozentrale der internationalen Kriegsplanung und Konterrevolution bilden, kann ohne das Auftreten einer machtvollen Antikriegsbewegung in diesem Land die Opposition gegen den Krieg auf globaler Ebene nicht mobilisiert werden. Die amerikanische Arbeiterklasse muss ihren Platz in einem Kampf der internationalen Arbeiterklasse zur Beseitigung des Imperialismus und des kapitalistischen Nationalstaatensystems einnehmen.“

Weiter heißt es: „Außerhalb des IKVI und der SEP gibt es keine andere Bewegung, die sich auch nur die Aufgabe stellt, die Arbeiterklasse in einem revolutionären Kampf gegen den Krieg zu führen, oder die dazu in der Lage wäre. Dieser Kampf erfordert sowohl in der Arbeiterklasse als auch innerhalb ihrer Vorhut ein Verständnis des unauflöslichen Zusammenhangs zwischen den auswärtigen Kriegen und der Ausbeutung im eigenen Land – zwischen Imperialismus und Kapitalismus.“

Durch die Ereignisse des letzten Jahres - die Ausweitung des Krieges im Nahen Osten auf den Jemen und seine Eskalation im Irak und Syrien, die Militarisierung Osteuropas und die Kriegsdrohungen gegen die Atommacht Russland und die immer aggressiveren Provokationen gegen China - ist diese Perspektive dringender denn je.

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