Artilleriegefechte zwischen Nord- und Südkorea

Auf der koreanischen Halbinsel haben sich die Spannungen verschärft. Nordkorea und Südkorea lieferten sich am Donnerstag Artillerieduelle. Den Feindseligkeiten gingen wochenlang Vorwürfe und Gegenvorwürfe voraus, seit am 4. August zwei südkoreanische Soldaten an der demilitarisierten Zone (DMZ) durch Landminen verstümmelt worden waren. Seoul macht Pjöngjang dafür verantwortlich.

Gestern feuerte Nordkorea Berichten zufolge eine 14,5mm-Boden-Luftgranate ab, gefolgt von einer Anzahl Schüssen aus einem 76,2mm-Geschütz. Das südkoreanische Verteidigungsministerium behauptet, der erste Schuss sei auf einem unbewohnten Hügel südlich der Grenze gelandet, sechzig Kilometer nördlich von Seoul.

Der Süden reagierte mit Dutzenden 155mm-Geschossen in Richtung der zuerst abgeschossenen Granate. Oberst Jeon Ha-gye, ein Sprecher des südkoreanischen Oberkommandos, sagte den Medien: „Unser Militär hat die Alarmbereitschaft sofort auf die höchste Stufe gesetzt und beobachtet die Bewegungen des nordkoreanischen Militärs sehr genau. Es bleibt in voller Bereitschaft, um auf weitere Provokationen robust und entschlossen antworten zu können.“

Präsidentin Park Geun-hye forderte das Militär auf, „mit Nachdruck“ auf künftige Provokationen zu reagieren, und erhöhte damit das Risiko eines größeren Konflikts. Auf einer Kabinettssitzung am Montag beteuerte sie: „Die Grundlagen für eine friedliche Wiedervereinigung mit dem Norden könnten unter dem Schutz einer starken militärischen Bereitschaft geschaffen werden.“

Der Artilleriebeschuss ist der erste seit Oktober 2014. Ausgelöst wurde er am 10. August, als die südkoreanischen Propagandadurchsagen über die Grenze hinweg wieder aufgenommen wurden. Das hatte es seit elf Jahren nicht mehr gegeben. Die Regierung in Pjöngjang bezeichnete die Durchsagen als „Kriegserklärung“ und drohte, die Lautsprecher zu zerstören. Kurz nach dem Feuerwechsel forderte der Norden eine Einstellung der Propaganda innerhalb von 48 Stunden, andernfalls würden weitere militärische Maßnahmen ergriffen.

Die Propagandadurchsagen waren die Antwort Seouls auf den Vorfall vom 4. August, bei dem zwei südkoreanische Soldaten verwundet wurden. Sie werden nur mit ihren Nachnamen als Ha und Kim bezeichnet. Die beiden befanden sich nach den Angaben aus Seoul auf einer Routinepatrouille, als in der Nähe eines Durchgangs drei Landminen detonierten. Ha verlor beide Beine bis zum Knie, und Kim seinen rechten Fuß bis zum Fußgelenk. Anfänglich schloss Südkorea eine Verantwortung Nordkoreas aus, veränderte aber am 10. August seine Position und beschuldigt seither Pjöngjang, die Sprengkörper verlegt zu haben, ohne dass es dafür konkrete Beweise gibt.

Der Norden stritt eine Beteiligung ab. Am 14. August gab die Regierung Nordkoreas eine Erklärung heraus: „Wenn Südkorea weiter behaupten will, unsere Armee sei dafür verantwortlich, dann sollen sie ein Video vorlegen, welches das beweist. Wenn sie keins haben, dann sollen sie nie wieder von einer ‚nordkoreanischen Provokation’ sprechen.“

Obwohl Südkorea die DMZ mit Kameras und Wärmesensoren überwacht, konnte kein nordkoreanisches Eindringen festgestellt werden, bei dem die Minen hätten verlegt werden können. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Kim Min-Soek, erklärte: „Der Explosionsort ist von einem im Sommer dichten Wald umgeben und unterhalb eines Hügels gelegen, sodass Wärmesensoren schlecht funktionieren.“ Allerdings konnte eine Videokamera die Explosionen aufzeichnen.

Südkorea und das von den USA geführte United Nations Command (UNC) erklärten, sie hätten bei ihren Untersuchungen Fragmente von Holzkisten für Landminen entdeckt, wie sie häufig von Nordkorea genutzt werden.

In der DMZ soll es heute noch eine Million Landminen geben. Sie sind dort seit dem Koreakrieg vergraben. In der Vergangenheit wurden immer wieder Landminen von heftigen Regenfällen weggeschwemmt und später in zivilen Gebieten entdeckt, wo sie gelegentlich Opfer forderten. In diesem Fall schloss der UNC eine solche Möglichkeit allerdings aus.

Es war schon vorher bekannt, dass Nordkorea zusätzliche Landminen in der DMZ platziert hat, um die Flucht über die Grenze hinweg zu verhindern. Im Juni gelang es einem jungen nordkoreanischen Soldaten die Zone zu überwinden und sich einem südkoreanischen Wachposten zu stellen. Es ist möglich, dass die Minen, sollten sie denn von nordkoreanischen Truppen verlegt worden sein, darauf gerichtet waren, weitere Grenzübertritte zu verhindern, und nicht etwa, südkoreanische Patrouillen zu behindern.

Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass Nordkorea die Minen verlegt hat, um einen Zwischenfall in der DMZ zu provozieren. Das Regime in Pjöngjang ist für Provokationen bekannt, um von seinen innenpolitischen Krisen abzulenken. In diese Kategorie fallen drei Atomwaffentests und die Drohung mit einem vierten, sowie Raketentests und der Beschuss der Insel Jeonpjeong im Jahr 2010, bei dem vier Südkoreaner ums Leben kamen.

Unbestätigten Gerüchten zufolge gibt es seit einiger Zeit scharfe Differenzen innerhalb des nordkoreanischen Regimes. Wie der Nationale Nachrichtendienst Seouls behauptet, seien seit Kim Jong-uns Machtübernahme im Dezember 2011 bis zu siebzig hohe Beamte des Regimes hingerichtet worden, darunter Kim Jong-uns Onkel Jang Song-thaek, der Beijing sehr nahe stand, und Verteidigungsminister Hyon Yong-chol.

Am 11. August erklärten südkoreanische Regierungsquellen, dass der Vizepremier des Nordens, Choe Yong-gon, im Mai nach Meinungsverschiedenheiten mit Kim hingerichtet worden sei. Am Mittwoch wurde im Süden behauptet, Won Tong-yon, der Vizechef der Einheitsfront-Abteilung der regierenden Arbeiterpartei, sei abgesetzt und zu Arbeitslager verurteilt worden.

Für das Aufflackern von Feindseligkeiten auf der koreanischen Halbinsel sind in erster Linie die Vereinigten Staaten von Amerika verantwortlich. Die Obama-Regierung hat in den letzten Jahren ganz bewusst den militärischen und wirtschaftlichen Druck auf Nordkorea erhöht. Es ist Teil ihres „Pivot to Asia“, der Politik, die sich vor allem gegen China richtet. Die amerikanische Regierung konzentriert und modernisiert US-Truppen in der Region, um China militärisch einzukreisen und zu bedrohen. Damit will sie die Regierung in Beijing zwingen, sich Washingtons wirtschaftlichem und geopolitischem Diktat zu unterwerfen.

Am Montag begannen die jährlichen Manöver der USA und Südkoreas unter der Bezeichnung „Ulchi-Freedom Guardian“. Sie sollen bis am 28. August dauern, und 50.000 koreanische und 30.000 amerikanische Soldaten werden daran teilnehmen.

Nordkorea drohte Anfang der Woche, angemessene Gegenmaßnahmen gegen die Manöver zu ergreifen, die es als Kriegsdrohung bezeichnete. Obwohl sich die Washingtoner Regierung und einer ihrer wichtigsten asiatischen Verbündeten mit diesen Operationen in erster Linie gegen Nordkorea richten, sind die Manöver gleichzeitig eine gute Gelegenheit, für einen potentiellen Konflikt mit China zu üben.

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