Fed interveniert, um amerikanische Aktienkurse in die Höhe zu treiben

Ein hoher Vertreter des Vorstands der Federal Reserve deutete am Mittwoch unterschwellig an, dass die amerikanische Zentralbank entgegen früheren Andeutungen beim Treffen ihres Entscheidungsgremiums im September doch noch nicht beschließen werde, den Leitzins zu erhöhen.

Die Erklärung von William Dudley, Präsident der Federal Reserve Bank von New York und Vizevorsitzender des Federal Open Market Committee (FOMC) der Fed, war zeitlich darauf abgestimmt, den morgendlichen Anstieg der Kurse an amerikanischen Börsen zu verstärken. In den letzten sechs Börsensitzungen wurden durch massive Kursverluste mehr als zwei Billionen Dollar Marktkapitalisierung vernichtet. In den letzten sechs Tagen verlor der Dow Jones elf Prozent seines Marktwertes.

Dudley erklärte bei einem Auftritt in New York etwa eine Stunde vor Beginn des Börsentages um 9:30 Uhr: „Aus meiner Sicht wirkt die Entscheidung, den Normalisierungsprozess beim Septembertreffen des FOMC zu beginnen, weniger verlockend als noch vor ein paar Wochen.“ Mit „Normalisierung“ meint die Fed den Beginn einer langsamen, aber stetigen Anhebung des staatlichen Leitzinssatzes von knapp über Null, wo er seit dem Börsenkrach im September 2008 liegt.

Dudleys Äußerungen haben eine besonders hohe Aussagekraft, weil er als enger Verbündeter der Fed-Vorsitzenden Janet Yellen bekannt ist. Seine Aussage war ein kalkuliertes Signal an die Banken der Wall Street und andere Finanzinteressen, dass die amerikanische Zentralbank und die Regierung bereit sind, den Geldhahn noch weiter aufzudrehen und so viel öffentliche Gelder bereitzustellen wie notwendig sind, um die Finanzelite vor den Folgen eines neuerlichen Ausbruchs der Krise des Kapitalismus zu schützen.

Zum Zeitpunkt von Dudleys Äußerungen war der Dow Jones von einem Anstieg um 430 Punkte zu Börsenbeginn auf 300 Punkte gesunken und es breitete sich die Furcht aus, dass sich der Handelstag genau wie der Dienstag entwickeln würde, als nach einem anfänglichen Zuwachs von 442 in den letzten 30 Minuten ein Rückgang auf 205 Gewinnpunkte oder 1,3 Prozent folgte.

Dudleys Intervention hatte den erwünschten Effekt. Großinvestoren verfielen in einen Kaufrausch und trieben die Kurse in die Höhe, sodass alle drei wichtigen Indizes – der Dow Jones, der Standard & Poor's 500 und der technologielastige Nasdaq – massive Kursgewinne verzeichneten. Der Dow Jones war zum Ende des Tages um 619 Punkte (3,5 Prozent) gestiegen, der S&P 500 lag 73 Punkte höher (3,9 Prozent) und der Nasdaq stieg um 191 Punkte (4,24 Prozent). Diese Kursgewinne waren die höchsten aller drei Indizes seit der zweiten Jahreshälfte 2011.

Die amerikanischen Märkte erholten sich, obwohl die chinesischen einen weiteren Tag lang sanken. Eine anfängliche Erholung des Shanghai Composite Index hielt nicht an. Zum Ende des Börsentages waren die Kurse um 1,3 Prozent gesunken. Es war der fünfte Börsentag mit Verlusten in Folge. Dabei hat der wichtigste chinesische Börsenindex mehr als ein Viertel seines Wertes verloren.

Der Verlust war umso bedeutender, da er auf die Ankündigung der chinesischen Zentralbank vom Dienstag folgte, umfangreiche Maßnahmen zu treffen, darunter eine Senkung des Leitzinssatzes um ein Viertelprozent und eine Senkung der Eigenkapitalbestandsvorgaben. Diese Maßnahmen sollten hunderte Milliarden Euro neues Geld in die Finanzmärkte des Landes pumpen.

Die Kurssteigerungen an der Wall Street ereigneten sich außerdem vor dem Hintergrund neuer Verluste auf den europäischen Märkten. Am Mittwoch schloss der französische CAC 40 mit 1,4 Prozent Verlust, der deutsche DAX verlor 1,29 Prozent, und der britische Aktienindex FTSE 100 sank um 1,68 Prozent.

Es gab weitere Anzeichen, dass der globale deflationäre Druck, welcher den jüngsten Aktienverkäufen zugrunde liegt, ungehindert anwächst. Der lang anhaltende Verfall der Rohstoffpreise ging weiter, die Ölpreise sanken sowohl in den USA als auch in Europa. Vor den Kursverlusten der amerikanischen Märkte wurden letzte Woche Inventurdaten aus den USA veröffentlicht, die einen Rückgang der Nachfrage nach Benzin und Rekordbestände von Rohöl- und Erdölprodukten zeigten. Die Kupferpreise sanken zum Beispiel um 3,1 Prozent.

Neben dem scharfen Abschwung des chinesischen Wirtschaftswachstums und dem Zusammenbruch der Rohstoffpreise ist die Krise der sogenannten Schwellenmärkte ein weiterer akuter Ausdruck der zunehmenden weltweiten Rezession und wachsender finanzieller Probleme. Länder wie Brasilien, Russland, die Türkei, Indonesien, Thailand und Südafrika leiden unter sinkenden Aktien- und Wertpapierpreisen, abstürzenden Währungen und wachsender Verschuldung.

Besonders der Abschwung in China, einem wichtigen Markt für Rohstoffexporte, und allgemeiner die Kombination aus sinkenden Rohstoffpreisen und übersättigten Märkten macht diesen Ländern zu schaffen. Am Dienstag meldete Südafrika, die größte Wirtschaftsmacht auf dem afrikanischen Kontinent, überraschend einen Rückgang seiner Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um 1,3 Prozent (auf Jahresbasis). Ökonomen hatten einen Anstieg von 0,6 Prozent erwartet, was bereits ein starker Rückgang der Erwartungen für das erste Quartal von 1,3 Prozent war.

Dudley verwies in seinen Äußerungen auf die jüngsten globalen Unruhen auf den Aktien- und Währungsmärkten. Er erklärte: „Die internationalen Entwicklungen haben das Abschwungsrisiko der amerikanischen Wirtschaft leicht erhöht. Der Abschwung in China und der starke Rückgang der Rohstoffpreise verstärken die Belastungen für viele Schwellenmärkte, und das könnte zu einer Verlangsamung des globalen Wachstums und weniger Nachfrage nach amerikanischen Gütern und Dienstleistungen führen.“

Dudley gab zwar stillschweigend den Forderungen prominenter Finanzfachleute wie dem ehemaligen Finanzminister Lawrence Summers nach, eine Erhöhung der Zinssätze zu verschieben, allerdings wies er die Forderungen von Summers und Ray Dalio, dem Chef des Hedgefondriesen Bridgewater Associates nach einer neuen Runde „quantitativer Lockerung“, d.h. Anleihenkäufen durch die Fed zurück, um weitere Milliarden Dollar direkt in die amerikanischen Finanzmärkte zu pumpen.

Er erklärte: „Ich bin noch weit von quantitativer Lockerung entfernt. Die amerikanische Wirtschaft läuft sehr gut.“ Er stellte auch die Möglichkeit in Aussicht, dass die Fed ihre Zinsen vor Ende 2015 erhöhen könnte und erklärte: „Ich hoffe sehr, dass wir die Zinssätze noch dieses Jahr erhöhen können.“

Allerdings macht Dudley durch seine Andeutung, die Fed sei bereit, alles notwendige zu tun, um die Finanzaristokratie vor den Folgen ihrer eigenen Spekulationen und halbkriminellen Aktivitäten zu retten, eines deutlich: die herrschende Klasse wird genau die gleiche Politik weiter betreiben, die mit dem Wall Street-Börsenkrach 2008 begann und seitdem keinen echten Aufschwung herbeigeführt, sondern die Krise weiter verschärft hat.

Die amerikanische Zentralbank und die Regierung, sowie ihre internationalen Partner haben ihre Bemühungen darauf konzentriert, die Finanzoligarchie zu retten und die Bedingungen dafür zu schaffen, dass sie sich weiterhin auf Kosten der Arbeiterklasse bereichern kann.

Das wurde hauptsächlich durch die Bereitstellung von Geldern in unbegrenzter Höhe erreicht, mit denen die parasitären Aktivitäten der Banken und Hedgefonds subventioniert und gesichert wurden. Das wichtigste Werkzeug zur Erzeugung des „wealth effect“ („Wohlstandseffekt“) wie es die Fed nennt, d.h. die Bereicherung der Wirtschafts- und Finanzelite, war der Aktienmarkt. Die Fed finanzierte dort durch ihre Nullzinspolitik und das Drucken von Geld in Form der quantitativen Lockerung eine massive Inflation der Aktienkurse.

Vor den jüngsten Unruhen auf den Märkten hatten sich die Aktienkurse auf den amerikanischen Märkten seit ihrem Tiefstand auf dem Höhepunkt der Finanzkrise Anfang 2009 verdreifacht, international hatten die Aktienmärkte Rekordstände erreicht.

Dies ging Hand in Hand mit unablässigen Angriffen auf die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung durch Massenentlassungen, Lohnsenkungen und den Abbau von Sozialprogrammen. Die Bereitstellung von Geldern zur Rettung der Banken und Spekulanten, deren Schulden den kapitalistischen Staaten aufgehalst wurden, hat Regierungen in den Bankrott getrieben, und die Arbeiterklasse wurde dafür zur Kasse gebeten.

Der Realwirtschaft wurden derweil Investitionen in die Produktion vorenthalten und es wurde nichts gegen ihre Stagnation unternommen. Die derzeitige Unruhe auf den Aktienmärkten zeigt die Stärkung deflationärer Tendenzen in der Weltwirtschaft, die stärker sein könnten als die Versuche, Finanzblasen zum Nutzen der Reichen zu schaffen und aufrecht zu erhalten.

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