Lufthansa-Piloten streiken wieder

Seit heute früh streiken erneut die Piloten der Lufthansa. Es handelt sich um den 13. Streik in der laufenden Tarifauseinandersetzung. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) teilte gestern mit, dass der Streik alle Langstreckenverbindungen der Lufthansa sowie der Lufthansa Cargo aus Deutschland heraus beträfe. Die Arbeitsniederlegung soll bis eine Minute vor Mitternacht andauern.

Die Lufthansa hatte der Gewerkschaft noch am Donnerstag vergangener Woche Gespräche für Freitag und Samstag angeboten, um einen erneuten Streik der Piloten in letzter Minute zu verhindern. Aber Cockpit lehnte das Gesprächsangebot ab.

Ein Tag zuvor, am Mittwoch, waren Tarifgespräche zwischen der Lufthansa und den Piloten gescheitert, obwohl Cockpit Ende Juli in einer regelrechten Kapitulationserklärung beinahe alle Forderungen der Fluggesellschaft angenommen hatte. Nach eigenen Angaben belief sich das Einsparpotential des von Cockpit vorgelegten Pakets auf eine halbe Milliarde Euro. Darin sollten sowohl das Ruhestandsalter angehoben als auch massive Gehaltskürzungen bei den Piloten durchgesetzt werden. Die niedrigen Gehälter in den Tochtergesellschaften der Lufthansa sollten zementiert werden.

Im Gegenzug forderte die Vereinigung Cockpit aber, dass die Lufthansa „die Vorbereitungen zum Ausflaggen der heutigen Cockpitarbeitsplätze stoppt“. Damit ist die Strategie der Lufthansa gemeint, die Lufthansa-Piloten nach und nach durch ihre Kollegen der eigenen Billigtochter Eurowings zu ersetzen.

Der inzwischen eineinhalb Jahre andauernde Konflikt hatte sich anfangs über die Alters- und Übergangsversorgung der Piloten entwickelt, war aber wegen dieser Pläne von Lufthansa-Chef Carsten Spohr eskaliert. Nachdem eine Schlichtung bereits in der Vorbereitung Anfang Juli an der Haltung Spohrs scheiterte, setzte sich die VC-Tarifkommission vier Tage lang zusammen und arbeitete den 500 Millionen Euro schweren Kürzungskatalog aus, der die Verhandlungsgrundlage zu dem von der Lufthansa im Frühjahr vorgeschlagenen „Bündnis für Wachstum und Beschäftigung“ darstellen sollte.

Aber offensichtlich haben diese sehr weitgehenden Zugeständnisse der Pilotengewerkschaft den Konzern erst recht ermutigt, seine Offensive voranzutreiben. Keine zwei Wochen nach dem Angebot der Vereinigung Cockpit gründete die Lufthansa die Eurowings Europe GmbH mit Sitz in Wien. In einer Pressemitteilung hieß es, die neue Gesellschaft werde „der Ausgangspunkt für weiteres Wachstum sein und über verschiedene Basen in Europa verfügen“. Mit dieser Tochtergesellschaft will die Lufthansa gegen Billigairlines wie z. B. Ryanair, Easyjet und Vueling antreten. Die Ticketpreise für Europaflüge beginnen schon bei 33 Euro.

Spohr sagte, er halte Eurowings für die Zukunftsfähigkeit von Europas größtem Luftfahrtkonzern für notwendig. Auf dem Flughafen Wien-Schwechat werden vorerst zwei Eurowings-Flugzeuge stationiert, das Personal dafür stellt die österreichische Fluggesellschaft Austrian Airlines (AUA), die 2009 von Lufthansa übernommen worden war.

Spohr stellte aber klar, dass dies nur der Anfang sei. „Wir sehen hier Bedarf“, fügte er hinzu. Es gebe in Wien-Schwechat noch nicht so viel Angebot im Billigsegment. Es gehe darum, das Geschäft nicht den „englischen Konkurrenten“ zu überlassen.

Die Lufthansa wird die neuen Eurowings-Maschinen unter österreichischer Lizenz anmelden, unabhängig davon, wo sie eingesetzt werden. Für das kommende Jahr sucht der Konzern für die neue Billigtochter, die auf der Langstrecke Anfang November den Flugbetrieb aufnehmen soll, 120 Piloten und Kopiloten. Bei dem Wiener Tochter-Unternehmen gibt es bislang noch kein Tarifwerk, so dass die zukünftigen Piloten dort um 40 Prozent niedrigere Gehälter und auch mehr Arbeitstage als ihre Lufthansa-Kollegen haben werden.

Laut Vereinigung Cockpit habe Spohr es abgelehnt, die geplante Verlagerung von Flugzeugen und Arbeitsplätzen ins Ausland für die Zeit der Verhandlungen auszusetzen. Dies sei aber eine der wesentlichen Bedingungen für die Aufnahme der Verhandlungen auch über Themen wie die Betriebs- und Übergangsrenten für die etwa 5.400 Piloten von Lufthansa und Germanwings gewesen.

„Ausflaggen ist das genaue Gegenteil eines Bündnisses für Wachstum und Beschäftigung“, erklärte Markus Wahl, Sprecher der VC, in einer Pressemitteilung. „Wenn ein solches Paket von über einer halben Milliarde Euro abgelehnt wird, zeigt sich, dass es Lufthansa nicht um marktgerechte Bedingungen, sondern um Tarifflucht und Auslagerung von Arbeitsplätzen geht.“ Die VC reagiere mit „Unverständnis und Enttäuschung“.

Die Lufthansa erklärte daraufhin, man habe nicht das komplette Angebot der VC abgelehnt. Eine Konzernsprecherin teilte mit, die einzelnen Themen sollten in Arbeitsgruppen besprochen werden, zu denen man Terminvorschläge gemacht habe. Neue Streiks würden „nur den eigenen Kunden, dem Unternehmen und all seinen Mitarbeitern“ schaden. „Allein die Wettbewerber dürften sich darüber freuen.“

Spohr bot den Piloten an, über alle Maßnahmen zu reden, die „die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigen und andererseits zu den notwendigen Kostensenkungen führen“. Die Fluggesellschaft teilte am Freitag mit, sie sei auch bereit, über die neue Wiener Tochtergesellschaft Eurowings Europe zu sprechen.

Doch es ist offensichtlich, dass Spohr und der gesamte Lufthansa-Konzern an den Piloten ein Exempel statuieren wollen, um die Arbeitsbedingungen im gesamten Konzern zu schleifen. Unterstützung findet der Konzern wie bereits seit eineinhalb Jahren bei den Medien und der Politik.

So kommentiert die Süddeutsche Zeitung, der VC sei „das rechte Maß für ihr Handeln abhandengekommen“. Die Gewerkschaft kämpfe „für einen Besitzstand, der nicht mehr zu bezahlen ist“. Um die Beschäftigten zu spalten, werden angebliche Ängste des Kabinenpersonals heraufbeschworen, „wegen der Forderungen der Flugzeugführer ihre Arbeitsplätze zu verlieren“.

All das dient ausschließlich dazu, die Piloten zu zwingen, gewaltige Gehalts- und Renteneinbußen hinzunehmen. Cockpit weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass die Lufthansa in diesem Jahr das beste Betriebsergebnis ihrer Geschichte erzielen werde. Spohr selbst deutete an, dass der angestrebte Gewinn von mehr als 1,5 Milliarden Euro wohl übertroffen werde. Auch bei der Tochtergesellschaft Germanwings erwarte er einen zweistelligen Millionenbetrag als Gewinn.

Gleichzeitig betont Spohr, das Ergebnis lasse sich nicht halten, wenn nicht die Kosten sinken würden, insbesondere bei der Altersversorgung. Allein im vergangenen Jahr hätten die künftigen Pensionen den Lufthansa-Gewinn um 475 Millionen Euro geschmälert. Die Fluggesellschaft sei der Dax-Konzern mit den höchsten Pensionsverpflichtungen. Der Vorstand nennt diese Entwicklung „bedrohlich“.

Es ist klar, dass die Gewinn-Interessen der Lufthansa-Aktionäre und ihres Vorstands nicht mit den Interessen der Piloten und aller anderen Beschäftigten vereinbar sind. Trotzdem versucht die VC, sie zu versöhnen. Sie strebt ein „zum Wohle der Fluggäste, der Mitarbeiter und der Aktionäre, ein alle Interessen berücksichtigendes und zukunftsweisendes Ergebnis“ an, wie es VC-Sprecher Wahl Ende Juli formulierte. Diese sozialpartnerschaftliche Perspektive der Vereinigung Cockpit kann den Angriffen des Vorstands nichts entgegensetzen. Die VC wird dem Vorstand schrittweise immer weitergehende Angebote unterbreiten.

Zu Beginn des letzten Streiks im März schrieben wir: „Anstatt alle Beschäftigen der europäischen und internationalen Fluggesellschaften zu einem gemeinsamen Kampf zu mobilisieren, versucht die Vereinigung Cockpit, durch eine begrenzte Nadelstich-Taktik und durch Schwerpunktstreiks die Konzernleitung der Lufthansa zu einer engeren Zusammenarbeit und Tarifpartnerschaft zu bewegen.“

Wir warnten davor, dass die Pilotengewerkschaft zu immer weiteren Zugeständnissen bereit sei. Anderthalb Jahre nach Beginn des Tarifkampfs der Piloten und einem Dutzend befristeten Streikaktionen ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Die national beschränkte Politik der Sozialpartnerschaft der Vereinigung Cockpit verhindert einen notwendigen europaweiten, bzw. internationalen Arbeitskampf von Piloten gemeinsam mit allen Beschäftigen der Fluggesellschaften.

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