Tsipras tritt im Wahlkampf für Sparpolitik ein

Der griechische Syriza-Führer und Ex-Premierminister, Alexis Tsipras, debattierte am Montag drei Stunden lang im nationalen Fernsehen mit Evangelos Meimarakis, dem Führer der rechten Nea Dimokratia (ND). In den Umfragen hatte die ND mittlerweile mit Syriza gleichgezogen. Nun versuchten beide Kandidaten, kurz vor der Wahl am kommenden Sonntag noch einmal Boden gut zu machen.

Das Ergebnis war eine praktisch inhaltsleere Pflichtübung. Wie der ganze Wahlkampf, war die Veranstaltung davon geprägt, dass Syriza ihr ursprüngliches Wahlversprechen, die Sparpolitik der Europäischen Union (EU) zu beenden, völlig verraten hat.

Syriza kam im Januar mit dem Mandat an die Regierung, die Austeritätsforderungen der EU zurückzuweisen, und noch im Juli erhielt sie im Referendum den eindeutigen Auftrag, das EU-Ultimatum abzulehnen. Aber weil die bürgerliche Basis der Partei den Euro nicht verlieren und gute Beziehungen zur EU beibehalten wollte, kapitulierte Tsipras und unterzeichnete ein neues EU-Sparpaket über dreizehn Milliarden Euro.

Tsipras hat sich in kurzer Zeit und mühelos vom jungen Politiker, den die Medien als linken Feuerkopf lobten, in einen konventionellen, wirtschaftsfreundlichen Politiker verwandelt. Er führt seinen jetzigen Wahlkampf auf der Grundlage der sozialen Kürzungen und der Vereinbarung, die er mit der EU ausgehandelt hat. So sind die politischen Vorstellungen von Syriza und der ND im Wahlkampf kaum noch auseinanderzuhalten.

Vor der Debatte warnten einflussreiche Kreise in Griechenland, eine solche Partei werde die Opposition in der Bevölkerung, die sich gegen die EU entwickelt, nicht wirkungsvoll kontrollieren können. Am Freitag brachte To Vima einen Leitartikel unter der Überschrift: „Sie müssen über die wirklich wichtigen Fragen reden“. Das Blatt kritisierte die Sieben-Parteien-Debatte vom letzten Donnerstag, weil dort nichts über die Folgen des Sparpakets der EU, das Tsipras im Juli unterzeichnet hatte, gesagt worden war.

„Wie jeder weiß, wird die Regierung, die die Wahlen gewinnt, an eine Vereinbarung gebunden sein, deren zahlreiche besonderen Maßnahmen und Reformen das Leben aller Bürger beeinflussen wird. Und dennoch wurden die großen Fragen, vor denen wir alle in wenigen Tagen stehen, in der Debatte kaum angesprochen. Die Veränderungen am Rentensystem, die Millionen betreffen, standen zum Beispiel nicht einmal auf der Tagesordnung“, heißt es in der Zeitung.

To Vima forderte Tsipras und Meimarakis auf, die griechische Bevölkerung auf die massiven Angriffe vorzubereiten, die das neue EU-Sparpaket bringt. Die Zeitung schrieb: „Es ist absurd, den politischen Streit darauf zu beschränken, ob Junge oder Alte besser in der Lage seien, die Vereinbarung mit unseren Gläubigern durchzusetzen.“ Sie beklagte, dass Politiker sich weigerten, „offen darüber zu sprechen, dass die nächste Zeit kein Spaziergang sein wird…“

Am Montag sprachen dann weder Tsipras noch Meimarakis die verheerenden Folgen an, welche die Erhöhung der Mehrwertsteuer, Subventionskürzungen und Rentenkürzungen für die arbeitende Bevölkerung haben werden. Stattdessen zogen sie es vor, sich gegenseitig Korruption oder Inkompetenz bei den Verhandlungen mit der EU vorzuwerfen. Die ganze Angelegenheit war farblos. Die Disputanten lächelten sich meistens freundlich an und kamen gut miteinander aus.

Meimarakis betonte mehrfach, auch er habe die Absicht, Tsipras Austeritätsabkommen mit der EU umzusetzen. Aber er versuchte, Tsiparas mit dem Argument zu schlagen, dass Syriza in der Frage der EU-Austerität eine 180-Grad-Wende vollzogen habe.

Im Vorfeld der Debatte tadelte Meimarakis Tsipras wiederholt, weil er sein Angebot, eine ND-Syriza-Koalition einzugehen, abgelehnt habe: „Warum reagiert Tsipras nicht positiv? Wovor hat er Angst? Warum möchte er außen vor bleiben? Will er wieder Steine schmeißen? Will er in sechs Monaten wieder einen auf Anti-Memorandum machen? Will er uns dann rufen, um das durchzusetzen, was er unterzeichnet hat, weil er selbst es nicht tun will?“

Tsipras gab „Fehler“ zu und versuchte, sich verbal von den schlimmsten Kürzungsmaßnahmen des EU-Pakets zu distanzieren, dem er selbst zugestimmt hatte. Aber auch er bejahte das Bailout-Paket der EU und stellte es zynisch als Ergebnis eines „militanten“ Kampfs seiner Regierung hin.

Auf die Aufforderung, „der Bevölkerung zu erklären, warum sie einen Ministerpräsidenten wählen solle, der zugegebenermaßen in wichtigen politischen Fragen Fehler gemacht habe“, antwortete Tsipras: „Ich habe in kurzer Zeit Erfahrungen gesammelt. Ich habe versucht, alles zu machen, zu kämpfen. Nur wer nichts macht, macht keine Fehler. Wir haben gekämpft und wir haben den Kampf nicht ausverkauft. Wir haben einiges für unser Land herausgeholt. Wir haben mit dem Referendum das Volk ins Spiel gebracht. Wir haben eine Vereinbarung erreicht, die den Weg zum Fortschritt eröffnet. Wir haben den Grexit verhindert.“

Diese Darstellung ist ein Witz. Nicht nur hat Tsipras nichts „für Griechenland erreicht“, sondern er akzeptierte in vollem Umfang die Bedingungen, die von Kanzlerin Merkel diktiert wurden. Er hat keinen Kampf geführt, er hat niemals an die arbeitende Bevölkerung Europas appelliert, die ebenfalls gegen Austerität kämpft. Stattdessen hat er ein Abkommen mit der EU abgeschlossen, das den beispiellosen sozialen Rückschritt fortsetzt, den die EU in den letzten fünf Jahren in Griechenland durchgesetzt hat.

Wenn Tsipras behauptet, mit dem Referendum „das Volk ins Spiel gebracht“ zu haben, dann ist das ein zynischer Betrug. Er hat das Manöver mit dem Referendum vollzogen, weil er auf eine Niederlage hoffte. Diese hätte er dann als Zustimmung zur Austeritätspolitik gewertet und damit seine Kapitulation vor den Forderungen der EU begründet. Das haben Syriza-Vertreter inzwischen offen eingeräumt. Der Plan ging allerdings schief, weil die griechische Bevölkerung massiv mit „Nein“ stimmte. Dessen ungeachtet setzte sich Tsipras über das Ergebnis des Referendums hinweg und setzte die Sozialkürzungen trotzdem durch.

Ein anderer Journalist fragte: „Im Januar sagten Sie, Sie würden das Memorandum zerreißen. Nichts davon wurde realisiert. Warum wollen Sie jetzt unter einem Memorandum regieren, das sich nicht ändern wird?“

Tsipras antwortete: „Unser Kampf hat eine Stimmung erzeugt. Die Vereinbarung ist ein lebender Organismus. Es gibt offene Fragen: die Schulden, der Entwicklungsfond usw. Die Bevölkerung wird entscheiden, ob eine Regierung, die kämpft, oder eine Regierung, die zu allem Ja und Amen sagt, diese Fragen weiter verfolgt.“

Diese Präsentation Syrizas als einer Regierung, die „kämpft“, um ein paar technische Details des EU-Bailout zu modifizieren, im Unterschied zur ND, die zu allem, was die EU vielleicht noch fordern wird, „Ja und Amen sagt“, ist eine weitere Lüge. Syriza hat nicht gekämpft sondern zu allen EU-Forderungen Ja gesagt.

Es wird immer deutlicher, dass die grundlegenden sozialen Rechte der Arbeiterklasse nur in einem unabhängigen Kampf gegen Syriza und ihre Verbündeten in ganz Europa verteidigt werden können.

Tsipras versucht zwar, sich als Kämpfer zu präsentieren, aber gleichzeitig lässt er keine Gelegenheit aus, vor Merkel zu katzbuckeln und seine guten Beziehungen mit ihr zu loben: „Meine Beziehung zu Merkel war von gegenseitigem Respekt vor meinem Staatsamt geprägt, aber auch von scharfen Konflikten und Differenzen … Wer mit Selbstvertrauen und Respekt auftritt, wird auch von seinem politischen Gegenüber respektiert.“

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