Syriza und Anel gehen neue Austeritätskoalition ein

Nach dem Sieg Syrizas bei der Wahl am Sonntag wurde Parteiführer Alexis Tsipras am Montagabend als Ministerpräsident vereidigt.

Das Endergebnis wies einen Sieg Syrizas mit 35,47 Prozent der Stimmen und 145 Sitzen aus. Die Konservativen von der Nea Dimokratia erreichten als Zweitplatzierte 28,09 Prozent und 75 Sitze. Syriza wir im neuen Parlament vier Sitze weniger haben. Die ND hat einen Sitz verloren.

Syriza hat eine eigene Mehrheit im 300-Sitze-Parlament knapp verpasst. Wie im Januar beabsichtigt die Partei eine Koalition mit den rechten, fremdenfeindlichen Unabhängigen Griechen (Anel) einzugehen. Mit den zehn Sitzen Anels verfügt die neue Regierung über 155 Sitze, im Januar waren es noch 162 gewesen. Das sind nur vier Sitze über der absoluten Mehrheit.

Tsipras hatte schon vor der Wahl erklärt, er wolle wieder mit Anel regieren, falls seine Partei keine eigene Mehrheit bekomme. Am Montagmorgen traf er sich in der Parteizentrale Syrizas mit Anel-Chef Panos Kammenos zu Gesprächen über die Zusammensetzung des neuen Kabinetts. Es ist zu hören, dass die neue Regierung am Mittwochmorgen vereidigt werden soll.

Im Parlament werden insgesamt acht Parteien vertreten sein. Drittstärkste Partei mit 6,99 Prozent und 18 Sitzen ist die faschistische Goldene Morgenröte. Das Bündnis der sozialdemokratischen Pasok mit der Syriza-Abspaltung Demokratische Linke (Dima) erreichte 6,28 Prozent und 17 Sitze. Die stalinistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) verlor leicht und kam noch auf 5,55 Prozent und 15 Sitze. Auch To Potami (Der Fluss) verlor gegenüber Januar und kommt noch auf 4,09 Prozent und elf Sitze, gegenüber vorher 17 Sitzen.

Die Unabhängigen Griechen erhielten nur 200.420 Stimmen und zehn Sitze gegenüber 13 Sitzen im Januar. Das sind nur noch 3,69 Prozent. Die Partei kam also nur knapp über die Drei-Prozent-Hürde.

Die achte Partei, die ins Parlament einzieht, ist die Pro-Austeritäts-Partei Union der Zentristen, die ursprünglich 1992 von Vassilis Leventis gegründet wurde, einem Gründungsmitglied und Abgeordneten von Pasok. Sie gewann mit 3,43 Prozent der Stimmen neun Mandate.

Die Volkseinheit (LAE), die Pseudolinke Gruppe, die aus der Linken Plattform Syrizas entstanden ist, erhielt nur 155.240 Stimmen (2,86 Prozent) und schaffte damit nicht den Einzug ins Parlament. Das kleinere pseudolinke Bündnis Antarsya, das gemeinsam mit der Workers Revolutionary Party (EEK) von Savas Michael-Matsas kandidierte, erhielt 46.049 Stimmen (0,85 Prozent).

Berichten zufolge wird Tsipras Euklid Tsakalotos wieder zum Finanzminister ernennen. Die Web Site Times of Change bemerkte: „Tsakalotos hat eine gute Arbeitsbeziehung und ein gewisses Vertrauen zu den Gläubigern aufgebaut. Seine erneute Ernennung würde als ein klares Signal der Kontinuität bei der Umsetzung des neuen Bailout-Memorandums verstanden.“

Syrizas Nikos Kotzias wird wahrscheinlich Außenminister bleiben, während Giannis Panousis, ein ehemaliger Abgeordneter der Demokratischen Linken, vermutlich Innenminister bleibt.

Anel-Chef Kammenos wird sein Amt als Verteidigungsminister behalten. Diese wichtige Position hatte Anel schon im Januar als Bedingung für eine Koalition für sich reklamiert. Die Unabhängigen Griechen werden noch weitere Positionen im Kabinett erhalten.

Das auffälligste an der Parlamentswahl war die hohe Enthaltung.

Syrizas Wahlprogramm war so gut wie identisch mit dem der ND. Beide hatten sich verpflichtet, das verheerende Kürzungsprogramm durchzusetzen, das im Juli mit der Troika (Europäische Union, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfond) vereinbart wurde. Nach einer Berechnung unterstützen nun 89 Prozent der Abgeordneten in dem 300-köpfigen Parlament das Austeritätsprogramm der Troika

Der britische Economist bemerkte: „Viele Wähler Syrizas fühlen sich von Tsipras’ Abkehr von seinem Versprechen, die Austeritätspolitik zu beenden, verraten. Anstatt sich einer anderen Partei zuzuwenden, enthielten sie sich der Stimme.

Fast die Hälfte der Wahlberechtigten (44,46 Prozent) stimmte mit den Füßen ab und ging gar nicht erst zur Wahl, obwohl in Griechenland Wahlpflicht herrscht. Es gab Situationen, da war die Zahl der Wähler so gering, dass nicht sicher war, ob Umfragen zum Wahlausgang durchgeführt werden können.

9.836.997 Griechen waren wahlberechtigt, aber nur 5.562.820 gingen zur Wahl. Das war die geringste Wahlbeteiligung in Griechenland seit der Wiederherstellung des Parlamentarismus nach dem Ende der faschistischen Militärjunta 1974.

Die Goldene Morgenröte, die sich als Gegner der Austerität gibt, konnte sich Syrizas Verrat zunutze machen und ihren Stimmenanteil leicht erhöhen. Nach Angaben von Bloomberg News „schnitten die Faschisten unter Arbeitslosen und auch auf griechischen Inseln gut ab, die stark von der Flüchtlingskrise betroffen sind.“

Aus den Kommentaren des Sprechers der Goldenen Morgenröte, Ilias Kasidiaris, wird klar, dass die Austeritäts-Politik Syrizas und ihre Weigerung, sich dem gegen die Migranten gerichteten Chauvinismus entgegenzustellen, die volle Verantwortung für die Stärkung der Faschisten trägt. Die griechische Bevölkerung „hat die schlimmsten Auswirkungen des Memorandums und der illegalen Einwanderung noch gar nicht erlebt“, sagte Kasidiaris. „Wenn das passiert, dann werden Sie sehen, dass die Unterstützung für die Goldene Morgenröte dramatisch zunimmt.“

Tsipras hatte die Wahl in direkter Absprache mit der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfond angesetzt. Nach der Wahl drängten die Institutionen der europäischen Finanzelite darauf, dass die neue Regierung so schnell wie möglich das dritte brutale Sparprogramm in fünf Jahren umsetzt.

Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, schrieb an Tsipras: „Vor uns liegt viel Arbeit und wir haben keine Zeit zu verlieren“. Er fügte hinzu: „Wir werden die Anstrengungen der neuen Regierung unterstützen.“

Jeroen Dijesselbloem, der holländische Chef der Eurogruppe twitterte, dass das Gremium „Griechenland weiterhin bei seinen ambitionierten Reformvorhaben begleiten wird.“

Der Sprecher der deutschen Regierung, Steffen Seibert, sagte: „Das dritte Hilfsprogramm gilt auch noch nach dem Wahltag.“

Der Präsident des Europäischen Rats, Donald Tusk, schrieb an Tsipras: „Ihre Entschlossenheit und Führung ist für die Durchsetzung der wirtschaftlichen Anpassungsmaßnahmen entscheidend…“

Pedro Ricardo Santos, ein Broker bei X-Trade Brokers DM SA in Lissabon gab der Haltung in Wirtschaftskreisen gegenüber Syriza Ausdruck. Er sagte: „So erarbeitet sich Tsipras Legitimität, um die notwendigen Reformen durchführen zu können.“

Die konservative Tageszeitung Kathimerini merkte gestern an, dass Griechenlands Zehnjahresanleihen in den letzten vier Wochen gestiegen sind, weil die Erwartung vorherrscht, dass das Wahlergebnis den internationalen griechischen Bailout nicht aus der Spur bringen wird.“ Das Blatt fuhr fort: „Das kontrastiert mit der Wahl im Januar, als der Wahlsieg der Anti-Austeritätspartei Syriza eine Verkaufswelle von Staatsanleihen auslöste.“

Die Zeitungen am Montag waren voll mit Fotos von Tsipras und Kammenos, wie sie lachten und scherzten, und sich vor ihren Gesprächen auf den Rücken klopften. Am Sonntagabend hatten Syriza-Funktionäre und -Anhänger auf dem Klathmanos-Platz getanzt, als Tsipras seine Siegesrede hielt. Zwischendrin ergriff er die Hand von Kammenos und drückte sie.

Man kann sich kaum einen schärferen Kontrast zwischen dieser zur Schau gestellten Jovialität und der verzweifelten Lage der Mehrheit der verarmten griechischen Bevölkerung vorstellen. Diese groteske öffentliche Zurschaustellung ist ein Beweis für Tsipras’ rechten, wirtschaftsfreundlichen Kurs, aber es ist keineswegs der einzige. In die gleiche Kategorie fallen sein Sommerurlaub in der Villa eines führenden Schiffsmagnaten und die Anmeldung seines ältesten Sohnes in einer der elitärsten Privatschulen des Landes.

Mehrere Kommentatoren warnten vor neuer Opposition und sozialer Unruhe, wenn Tsipras jetzt beginnt, verschärfte Sparmaßnahmen durchzusetzen. Der Daily Telegraph kommentierte am Freitag: „Syrizas Triumph könnte sich als sehr kurzlebig erweisen, wenn sie ihre Aufgabe angeht, das extremste Austeritätsprogramm umzusetzen, dass irgendein Schuldnerland in der Eurozone je auf sich nehmen musste.

Guillaume Menuet, Ökonom bei der Citigroup, warnte: „Wir bezweifeln, dass die griechischen Wähler wirklich schon realisiert haben, dass schmerzhafte Haushaltskürzungen und Strukturreformen die notwendige Voraussetzung für die weitere Mitgliedschaft in der Eurozone sind. Die weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in der zweiten Hälfte von 2015 wird ihre Haltung wahrscheinlich weiter verhärten.

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