Die Linke begrüßt den Wahlsieg Syrizas

Weite Teile der Linkspartei haben den Sieg von Syriza bei der griechischen Parlamentswahl vom Sonntag begeistert begrüßt, obwohl sich die Partei verpflichtet hat, das bislang härteste Spardiktat der Europäischen Union zu verwirklichen.

Der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras hat einen Tag nach der Wahl erneut eine Regierung mit der rechtspopulistischen ANEL gebildet, um die weit reichenden Privatisierungen und massiven Angriffe auf den Lebensstandard der griechischen Bevölkerung umzusetzen, die im dritten Memorandum mit der Troika vereinbart wurden. Dieser Kurs wird von der Linkspartei enthusiastisch unterstützt.

Die Führungsriege der Partei konnte ihre Begeisterung kaum zurückhalten. Noch bevor die erste amtliche Hochrechnung am Sonntagabend bekannt wurde, veröffentlichten die beiden Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, eine Presseerklärung, in der sie Tsipras zum Wahlsieg gratulierten.

Ein großer Teil der Wähler sei offenbar der Überzeugung, „dass eine linke Regierung in der Krise besser ist als eine Rückkehr zu den korrupten Altparteien“, schrieben sie. „Die Klientelpolitik der Altparteien hegte und pflegte Oligarchinnen und Oligarchen, während ihnen bei den Verhandlungen mit der Troika die Beschäftigten, die erwerbslosen Jugendlichen und die Rentnerinnen und Rentner egal waren.“

Das stellt die Tatsachen auf den Kopf. Tatsächlich unternahm die Syriza-Regierung ebenso wenig gegen „Oligarchinnen und Oligarchen“ wie ihrer Vorgänger von Nea Dimokratia und Pasok. Und es war Tsipras, der im Juli trotz eines überwältigenden Votums gegen weitere Sparmaßnahmen eine Vereinbarung mit den Gläubigern unterzeichnete, die die Lebensgrundlage von Millionen Arbeitern in Griechenland angreift.

Laut Kipping und Riexinger zeigt die schwache Wahlbeteiligung, „wie demokratiefeindlich die Politik der EU und der Troika ist“. Damit leugnen sie jede Verantwortung von Syriza für die Unterzeichnung und Verwirklichung des jetzigen Sparpakets. Die geringe Wahlbeteiligung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass fast die Hälfte aller Wahlberechtigten keiner Partei zutraute, dass sie glaubhaft ihre Interessen vertritt.

Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im Bundestag, war am vergangenen Freitag sogar eigens nach Athen geflogen, um auf der Abschlusskundgebung an der Seite von Tsipras für Syriza zu werben. Am Sonntagabend erklärte Gysi dann, er freue sich „außerordentlich für unsere Schwesterpartei Syriza und meinen Freund Alexis Tsipras“.

Anschließend appellierte Gysi an die deutsche Regierung, die das drakonische Sparpaket maßgeblich diktiert hatte, „den Wählerauftrag der Griechinnen und Griechen endlich zu respektieren und einer neuen Linksregierung in Athen nicht länger mit Erpressung zu begegnen, sondern der EU-Partnerin Griechenland einen fairen Neuanfang zu ermöglichen“.

Als im deutschen Bundestag vor zwei Monaten über das dritte Spardiktat für Griechenland debattiert wurde, hatte Gysi bereits erklärt, er würde dafür stimmen, stünde er an der Stelle von Tsipras. Aus rein taktischen Gründen stimmte die Linksfraktion dann gegen das Kürzungsprogramm, in dem Bewusstsein, dass es auch ohne ihre Stimmen für eine Mehrheit reiche.

Die Begeisterung, mit der die Linkspartei Syriza und ihr arbeiterfeindliches Programm unterstützt, zeigt, dass es sich nicht nur um ein griechisches, sondern um ein internationales soziales Phänomen handelt.

Tsipras und Syriza haben das Spardiktat von Schäuble und Merkel nicht deshalb akzeptiert, weil es keine Möglichkeit gab, dagegen vorzugehen. Sie lehnten es ab, die griechische und die europäische Arbeiterklasse gegen die EU zu mobilisieren, weil sie selbst für wohlhabende und aufstrebende Mittelschichten und Teile der Bourgeoisie sprechen, die ein elementares Interesse an der Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung und des kapitalistischen Systems haben. Eine revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse fürchten sie ungleich mehr als die Unterwerfung unter die drakonischen Vorgaben aus Berlin und Brüssel.

Aus demselben Grund unterstützen die Linkspartei und zahlreiche andere pseudolinke Strömungen in Europa und weltweit die Politik von Syriza. Sie stehen bereit, mit ähnlicher Brutalität gegen die Arbeiterklasse in ihren Ländern vorzugehen.

Der Linken-Abgeordnete Stefan Liebich, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, erklärte das in einem Kommentar zum Wahlergebnis in Griechenland besonders deutlich. Er freue sich nicht nur über das „Nein“ zu „den Parteien, die Griechenland an den Abgrund gewirtschaftet haben“, sondern auch über das schwache Resultat derjenigen, „die sich vom Euro oder der EU verabschieden wollen“, zitiert ihn die parteinahe Zeitung Neues Deutschland. Damit vereidigt er genau jene Institutionen, die für den sozialen Kahlschlag in Griechenland verantwortlich sind.

Nachdem sich Syriza innerhalb weniger Monate als rechte bürgerliche Partei entlarvt hat, sind andere Mitglieder der Linkspartei der Ansicht, es sei aussichtslos und sogar gefährlich, weitere Illusionen in diese Partei zu schüren. Sie befürchten vor allem, dass sich Arbeiter einer revolutionären Perspektive zuwenden. Deshalb arbeiten sie mit Hochdruck daran, eine neue politische Falle aufzustellen.

Diesem Zweck dient unter anderem der so genannte Plan B in Europa“, der am vorletzten Wochenende auf einer Festveranstaltung der stalinistischen Kommunistischen Partei Frankreichs vorgestellt wurde. Er dient vor allem dazu, die Spuren von Syrizas Verrat zu verwischen.

Führende Vertreter von Syriza und ihren internationalen Verbündeten, die alle bereits Ministerposten in bürgerlichen Regierungen bekleidet haben, sind daran federführend beteiligt. Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, der ehemalige deutsche Finanzminister und Gründer der Linkspartei Oskar Lafontaine sowie Jean-Luc Mélenchon von der französischen Linkspartei gehören zu den Initiatoren.

Sie erklären den Bankrott Syrizas nicht aus ihrem Klassencharakter, den sie selbst teilen, sondern aus einer schlechten Verhandlungstaktik. Deshalb fordern sie die Auflösung des Euro in nationale Währungen unter dem Schirm der Europäischen Union.

Auch die SAV, die innerhalb der Linkspartei arbeitet, zeigt sich bestürzt über die allzu euphorischen Statements führender Parteivertreter. Es sei schon „schlimm genug“, wenn „sich die Parteispitze und Gregor Gysi [...] einen neoliberalen Horrorkatalog schönreden“, erklärte Bundessprecherin Lucy Redler. Es sei jedoch „völlig inakzeptabel“, wenn dies nun „als offizielle Position der Linken in Athen und Deutschland“ verbreitet werde. Stattdessen forderte Redler eine internationale „Strategie- und Programmdebatte“ über das weitere Vorgehen.

Man könnte die Besorgnis, dass die rechte Politik von Syriza auch die deutsche Linkspartei völlig diskreditiert, die sich darauf vorbereitet, ähnliche Angriffe wie in Griechenland auch in Deutschland durchzusetzen, kaum deutlicher zum Ausdruck bringen.

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