Perspektive

Kriegswolken über der UN-Generalversammlung

Die Vereinten Nationen wurden 1945 mit dem Versprechen gegründet, eine Ära des Friedens zu garantieren. Sie sollten die Konflikte zwischen den Großmächten regulieren und unter Kontrolle halten, die zuvor innerhalb von einer Generation zu zwei verheerenden Weltkriegen geführt hatten.

Bei der UN-Generalversammlung diese Woche, siebzig Jahre später, ist aber völlig klar, dass die Ereignisse sich nicht entlang der großartigen Verkündigungen bei der Gründung der Organisation entwickelt haben. Vielmehr bestätigt sich die Analyse Wladimir Lenins, der mitten im Ersten Weltkrieg betont hatte, dass es im Kapitalismus nicht möglich sei, den Krieg aus der Welt zu schaffen. Friedliche Perioden seien lediglich vorübergehende Zwischenspiele für die Vorbereitung neuer Kriege zwischen den Großmächten.

Die diesjährige Generalversammlung wird von mehreren internationalen geopolitischen Krisenherden beherrscht, von denen jeder für sich einen militärischen Konflikt auslösen und schnell zu einem neuen Weltkrieg führen könnte, der wahrscheinlich mit Atomwaffen geführt würde.

An erster Stelle steht dabei der andauernde Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China. Der amerikanische Imperialismus versucht durch seinen sogenannten „Pivot to Asia“ die geopolitische und militärische Vorherrschaft über Ostasien zu erlangen. Die USA und ihre Verbündeten haben den Druck auf China wegen seiner Landgewinnungsmaßnahmen im Südchinesischen Meer erhöht. Diese Kampagne läuft unter der betrügerischen Parole der „Freiheit der Meere“. Hinter dieser Phrase führen die USA militärische Operationen vor der chinesischen Küste durch und entwickeln ihren Luft-See-Schlachtplan für massive Angriffe auf das chinesische Festland.

Erst letzte Woche trafen US-Präsident Obama und der chinesische Präsident Xi sich in gespannter Atmosphäre im Weißen Haus. Der amerikanische Oberbefehlshaber wiederholte bei dieser Gelegenheit Washingtons Forderung, dass China seine traditionellen Ansprüche auf Inseln im Südchinesischen Meer aufgeben müsse. Sein chinesischer Gegenüber wies dies brüsk zurück. Beide Politiker sprechen vor der UN-Generalversammlung.

Ebenfalls anwesend sein werden führende japanische Politiker, die mit großer Geschwindigkeit die Remilitarisierung ihres Landes vorantreiben und darüber hinaus ihre Großmachtambitionen in Ostasien anmelden. Und Vertreter der Philippinen, Washingtons Handlanger gegen China im Südchinesischen Meer.

Auf der anderen Seite der eurasischen Landmasse rüstet die Nato unter Führung der Vereinigten Staaten gegen Russland auf. Im bevorstehenden Großmanöver Trident 2015, das größte Manöver der Nato seit der Auflösung der Sowjetunion in Europa, sollen militärische Operationen im Baltikum und darüber hinaus eingeübt werden.

Berichten zufolge werden die USA zum ersten Mal seit dem Ende der Sowjetunion „ihre Pläne für einen möglichen bewaffneten Konflikt mit Russland überprüfen und auf den neuesten Stand bringen“.

Seit dem Golfkrieg von 1990-91 befindet sich der amerikanische Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten ständig im Krieg. Damals nutzte er die Auflösung der Sowjetunion aus, um den Irak anzugreifen und seine militärische Vorherrschaft in der Region zu etablieren. Mit all ihren Drehungen und Wendungen, ihren unterschiedlichen militärischen Unternehmungen und den sich daraus ergebenden Katastrophen folgte die amerikanische Politik einer inneren Logik – der Aussicht auf einen großen Konflikt mit Russland und möglicherweise auch anderen Großmächten.

Als die UN-Generalversammlung ihre Arbeit begann, nahm diese Gefahr konkretere Gestalt an: Frankreich gab bekannt, dass es mit der Bombardierung Syriens begonnen habe. Diese richtet sich potentiell auch gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und nicht nur gegen den IS. Während Frankreich sein Engagement verstärkt, erhöht Russland seine militärische Unterstützung für Assad.

Bereits in der vergangenen Woche hatte die Obama-Regierung erklärt, dass sie angesichts der Berichte über verstärkte russische Militärhilfe für das syrische Regime, am Rande der UN-Versammlung Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin führen werde, um Russlands Pläne in der Region „auszuloten“. Die Gespräche fanden gestern statt. Am gleichen Tag, an dem Putin vor der Vollversammlung sprach und seinen Plan für eine politische Lösung für den seit vier Jahren andauernden verheerenden Bürgerkrieg darlegte, der von Washington angeheizt wurde.

Hinter den Gesprächen zieht eine reale, wachsende Gefahr militärischer Konflikte herauf. Das Ziel der USA ist es, das syrische Regime zu beseitigen, während Russland dessen Erhaltung, ob mit oder ohne Assad, als wesentlich für seine eigenen Sicherheitsinteressen in der Region und darüber hinaus ansieht.

Auch wenn die USA die Triebkraft des Konflikts mit Russland und China sind, so haben die Reaktionen des russischen und des chinesischen Regimes nichts Progressives an sich. Beide sind Instrumente von Finanzoligarchen und organisch unfähig, die Massen zu mobilisieren, sei es in ihren eigenen Ländern oder international. Sie versuchen den Nationalismus im eigenen Land zu schüren und in ihrer Antwort auf US-Provokationen schwanken sie zwischen Verständigung und Säbelrasseln. Damit spielen sie den imperialistischen Kriegstreibern in die Hände.

Mehr als ein Vierteljahrhundert direkter militärischer Interventionen im Nahen Osten, vom ersten Golfkrieg bis zur Invasion des Irak 2003 und der Operation für einen Regimewechsel gegen Oberst Gaddafi in Libyen 2011, haben zur größten Flüchtlingskrise seit dem Zeiten Weltkrieg geführt. Der Strom von Flüchtlingen, der sich jetzt nach Europa ergießt, weil ihre Heimat von den USA verwüstet worden ist, verstärkt die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Europäischen Union. Drohungen und Beschimpfungen zwischen Mitgliedsstaaten nehmen zu und Grenzzäune werden wieder aufgerichtet, verstärkt mit Stacheldraht und Truppen.

Die geopolitischen Spannungen werden vom Zusammenbruch der kapitalistischen Weltwirtschaft befeuert. Sieben Jahre nach dem Beginn der globalen Finanzkrise ist keine Erholung in Sicht. Im Gegenteil: Es gibt zunehmende Anzeichen für eine neue Finanzkrise, als Folge des überbordenden Finanz-Parasitismus. Profite werden durch Spekulationen gemacht und nicht durch Produktionstätigkeit. Nicht die Rückkehr zu „normalen“ Bedingungen, sondern Deflation, Stagnation und Rezession prägen die Weltwirtschaft.

Die Zentralbanken mit der US Federal Reserve an der Spitze wissen nicht weiter. Es gibt keine kohärente Politik, an der sie sich ausrichten könnten. So fürchtet die Fed, dass schon eine Anhebung des Basiszinssatzes um 0,25 Prozent zu einem erneuten Finanzkollaps führen könnte.

Weltweit versuchen Regierungen ihre Währungen abzuwerten, um eine bessere Ausgangsposition beim Kampf um die Weltmärkte zu erlangen. Das erinnert an die Währungs- und Handelskriege der 1930er Jahre, die 1939 zum Zweiten Weltkrieg führten.

Die Vereinten Nationen waren nie eine Organisation für den Weltfrieden. Sie wurden unter der Führung der Vereinigten Staaten gegründet, der beherrschenden imperialistischen Macht, um ihre Hegemonie in der Nachkriegsordnung zu sichern. Diese Vorherrschaft gründete sich auf die konkurrenzlose Stärke der der amerikanischen Wirtschaft. Die ist schon seit Längerem geschwunden. Deswegen stützt sich die amerikanische herrschende Klasse zunehmend auf ihre militärische Überlegenheit, um unbotmäßige Regierungen zu stürzen und ihre wirtschaftliche und geopolitische Position gegen ihre Rivalen zu verteidigen. Zu diesen gehören auch ihre nominellen Verbündeten in Europa und Japan.

Deutschland betont, dass es nicht länger nur eine europäische Macht ist und beansprucht das Recht, seine Interessen weltweit zu vertreten. Die japanische Abe-Regierung hat entscheidende Schritte unternommen, die alle militärischen Beschränkungen der Nachkriegszeit aufzuheben, um erneut eine globale Rolle zu spielen.

Die Vereinten Nationen sind kein Instrument für den Frieden, sondern eine „Diebesküche“, wie Lenin schon ihren Vorgänger, den Völkerbund, bezeichnet hatte. Sie sind eine Institution, in deren Rahmen miteinander konkurrierende Mächte ihre Interessen mittels Intrigen und Verschwörungen durchzusetzen versuchen. Lenin betonte, dass der einzige Weg, die Geißel des Kriegs zu überwinden, der Sturz des kapitalistischen Systems sei, das ihn hervorbringt. Die gegenwärtigen Entwicklungen und Ereignisse bestätigen dies einmal mehr.

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