Landtagswahlen in Wien: Stimmengewinne für rechte FPÖ

Bei der Landtagswahl in der österreichischen Hauptstadt konnte die rechtsradikale Freiheitliche Partei (FPÖ) am Sonntag einen deutlichen Stimmenzuwachs verbuchen. Sie steigerte ihr Ergebnis gegenüber der Wahl 2010 um über sechs auf 32,2 Prozent. Die seit 70 Jahren in Wien regierenden Sozialdemokraten (SPÖ) verloren rund fünf Prozent und erzielten mit 39,4 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit.

Auf dem dritten Platz landeten die Grünen mit 11,2 Prozent. Die konservative Volkspartei ÖVP, die im Bund mit der SPÖ regiert, fiel sogar in den einstelligen Bereich. Sie verlor über 5 Prozent und kam nur noch auf 8,7 Prozent der Stimmen. Die liberalen Neos schafften mit sechs Prozent den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag mit 74 Prozent höher als 2010.

Letzte Umfragen hatten zwischen SPÖ und FPÖ ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei jeweils etwa 35 Prozent vorausgesagt. Wählerwanderungsanalysen zeigen, dass rund 33.000 Stimmen von der SPÖ, 17.000 von der ÖVP und 29.000 von Nichtwählern an die FPÖ gingen. Die SPÖ konnte nur rund 70 Prozent ihrer Wähler von 2010 halten. In den Arbeiterbezirken Simmering und Floridsdorf gewannen die Rechten jeweils rund 10 Prozent hinzu und wurden stärkste Kraft. In anderen Bezirken, wie der Inneren Stadt, lagen sie mit der SPÖ etwa gleichauf.

Rechnerisch wäre eine Fortsetzung des rot-grünen Bündnis im Wiener Rathaus möglich. Michael Häupl, seit 21 Jahren Bürgermeister der Stadt, erklärte allerdings noch am Sonntag, er halte nichts von einer „Zwangsehe“, was den Schluss nahelegt, dass in den Führungsgremien der Partei auch eine Koalition mit der FPÖ ins Auge gefasst wird. Dies hatte Häupl bisher kategorisch ausgeschlossen.

Wie der ORF berichtet, kündigte Häupl an, er werde auch Gespräche mit der FPÖ führen, „aber nicht zum Zwecke einer Regierungsbildung“. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der in Wien als Spitzenkandidat antrat, sprach sich im Interview mit der Tageszeitung Österreich für eine Koalition mit der SPÖ aus.

Das beherrschende Thema der Wahl war die Flüchtlingspolitik. Wien ist Zwischenstation für die meisten Flüchtlinge auf ihrer Weiterreise Richtung Deutschland. Bürgermeister Michael Häupl hatte sich im Wahlkampf stark an Angela Merkels Motto „Wir schaffen das“ orientiert und öffentlichkeitswirksam sein „Herz für Flüchtlinge“ betont. Die FPÖ um Parteichef Strache hatte in rassistischer Manier für die Abriegelung der österreichischen Grenzen mit einem Zaun nach ungarischem Vorbild plädiert. Er kritisierte die „sozialromantische Einladungskultur“ und geiferte über die „Goldgräberstimmung unter den Salafisten“.

Wählerumfragen haben deutlich gemacht, dass ein Großteil der SPÖ-Wähler nicht aus Zufriedenheit mit Häupl oder der SPÖ für die Partei stimmten, sondern um Strache und die FPÖ zu verhindern. Häupls „Herz für die Flüchtlinge“ ist mehr als geheuchelt. Der Bürgermeister ging aus rein wahltaktischen Gründen auf Distanz zur Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage. Bei den bisherigen drei Wahlen in diesem Jahr – in Oberösterreich, im Burgenland und in der Steiermark – hatte die FPÖ starke Zugewinne erzielt. Im Burgenland regiert sie sogar gemeinsam mit der SPÖ.

Häupl ist ein erfahrener Politiker, dem politische Macht wichtiger ist als programmatische Inhalte. Während seines Studiums war er 1969 dem Studentenverband der Freiheitlichen beigetreten. 1972 verließ er ihn wieder und schloss sich den Sozialdemokraten an. Seit den 80er Jahren ist er im Wiener Landtag. Anfang des Jahrtausends hatte Häupl schon einmal ein ähnliches Manöver veranstaltet. Als die FPÖ, damals in der Bundesregierung, mit ausländerfeindlichen Parolen den Wiener Landtag erobern wollte, setzte ihr Häupl die Öffnung der Wiener Gemeindewohnungen für Nichtösterreicher entgegen. Damit gewann Häupl vorübergehend die absolute Mehrheit für die SPÖ zurück.

In Wirklichkeit hat die SPÖ der rechten Anti-Asyl-Kampagne der FPÖ nichts entgegenzusetzen. Im Gegenteil: Führende SPÖ-Politiker auf Länder- und Bundesebene sprechen sich für eine massive Beschränkung der Flüchtlingszahlen aus. Die große Koalition von Kanzler Werner Fayman führte in den vergangenen Monaten eine widerliche Kampagne gegen Flüchtlinge. Angeführt wird sie von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der Volkspartei (ÖVP). Sie hat erklärt, Österreich werde ab sofort keine neuen Asylanträge mehr bearbeiten, sondern sich auf Rückführungen und Abschiebungen konzentrieren.

Die Volkspartei ist der große Verlierer der Wahl, was auch die Bundesregierung gefährdet. In Wien traditionell schwach, rutschte die ÖVP erstmals unter zehn Prozent. ÖVP-Spitzenkandidat Manfred Juraczka kündigte noch am Wahlabend seinen Rücktritt an. Die ÖVP wird voraussichtlich nur noch sieben Abgeordnete im Wiener Landtag beziehungsweise Gemeinderat stellen, sechs weniger als bisher.

Noch am Wahlabend kam es zu heftigen Auseinandersetzungen in der Koalition. ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hatte der SPÖ bereits nach dem Wahldesaster in Oberösterreich mit dem Ende der Koalition gedroht. In den Oberösterreichischen Nachrichten hatte er „in den nächsten Monaten“ ein Regierungsprogramm zur Profilschärfung gefordert, das vom Bürokratieabbau bis zur Asyllinie reicht, ansonsten werde die Koalition beendet.

Diese Konflikte spielen sich vor dem Hintergrund wachsender sozialer Spannungen ab. Die Zahl der Arbeitslosen steigt in Österreich seit Jahren. Allein im September wuchs sie um 6,1 Prozent. Bei über 50-Jährigen beträgt der Anstieg sogar 15,7 Prozent. Bei Langzeitarbeitslosen kam es zu einer Verdreifachung auf insgesamt 41.858 Personen. Reallohnverluste müssen die Österreicher seit mittlerweile sechs Jahren in Folge hinnehmen.

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