US-Armeechef will Militärhilfe für Israel erhöhen

Am vergangenen Sonntag hielt sich General Joseph Dunford, Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs der US-Armee, zu Gesprächen in Tel Aviv auf, um über eine Militärhilfe für Israel in Höhe von etwa 3.7 Milliarden Dollar jährlich für zehn Jahre zu verhandeln. Inmitten verschärfter Angriffe Israels auf Palästinenser in den besetzten Gebieten und in Israel selbst bieten damit die USA eine höhere Militärhilfe an.

Dunford, der seit Anfang Oktober dem Vereinigten Generalstab vorsteht, gab sich bei seinem ersten Auslandsbesuch Mühe, die Abkühlung in den Beziehungen zwischen dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu und der Obama-Regierung in den letzten Monaten herunterzuspielen. Er betonte, dass Washington weiterhin das unterstütze. Die beiderseitigen militärischen Beziehungen seien "unverändert stark“, betonte Dunford, und unterstrich damit die fortgesetzte Unterstützung Washingtons für das israelische Regime und seine Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung. Er fügte hinzu: "Wir stellen uns den Herausforderungen gemeinsam.“

Die amerikanische Ankündigung größerer Militärhilfe folgt auf den Abschluss des Atomabkommens mit dem Iran, gegen das Netanjahu erbitterten Widerstand geleistet hatte. Um die Verabschiedung des Abkommens zu verhindern, hatte er sich direkt an den Kongress gewandt.

Laut amerikanischen und israelischen Regierungsbeamten könnte die Militärhilfe sogar deutlich über 3.7 Milliarden Dollar pro Jahr betragen. Israel mahnt höhere Hilfe mit der Begründung an, Iran werde die Lockerung der Sanktionen nutzen, um antiisraelische Kräfte zu finanzieren, womit die Unterstützung des Iran für das syrische Assad-Regime und für die Hisbollah im Libanon gemeint ist.

Noch in diesem Monat wird der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon zu Gesprächen nach Washington reisen, und Netanjahu wird am 9. November von Obama im Weißen Haus empfangen.

Dunfords Besuch fiel auf den Beginn einer gemeinsamen, auf zwei Wochen angelegten Luftwaffenübung von israelischem und amerikanischem Militär im Süden der Negev-Wüste. „Blue Flag“, wie das Manöver heißt, findet zweimal jährlich statt und simuliert einen groß angelegten Einsatz multinationaler Luftstreitkräfte.

Auch der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio kam für drei Tage nach Israel, um „Solidarität in einer schwierigen Zeit“ zu demonstrieren. Der Demokrat, der sich gern als links eingestellter „Progressiver“ gibt, stellte sich ohne zu zögern hinter die israelische Regierung und erklärte, palästinensische Angriffe auf Israel „müssen aufhören“. Sie seien „skrupellose und inakzeptable“ Gewaltakte. Ein Treffen Blasios mit Führern der Palästinenser ist nicht vorgesehen. Als Bürgermeister von New York besucht er Israel zum ersten Mal.

US-Außenminister John Kerry will in dieser Woche in Berlin mit Netanjahu und anschließend mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, und Jordaniens König Abdullah zusammentreffen, um in den Konflikten zu vermitteln. Netanjahu sollte ursprünglich schon am 8. Oktober Berlin einen Besuch abstatten und Gespräche mit Merkel führen. Er verschob jedoch die Reise wegen der gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Palästinensern, israelischen Sicherheitskräften und jüdischen Siedlern.

Kerry bemühte sich, weder Israel noch die Palästinenser für die jüngste Welle der Gewalt verantwortlich zu machen: „Ich werde nicht aus der Ferne Schuldzuweisungen vornehmen.“ Seine öffentliche Zurückhaltung spiegelt Bedenken der Obama-Regierung wider, eine Eskalation der Gewalt könnte Proteste in der gesamten arabischen Welt auslösen. Dies könnte Israels Beziehungen zu arabischen und muslimischen Nachbarstaaten untergraben, mit denen es insgeheim beim US-gestützten Krieg zum Sturz des Assad-Regimes zusammenarbeitet.

Die jüngsten Attacken einzelner Palästinenser auf Israelis, vor allem in Ostjerusalem, sind das Ergebnis unablässiger Repressalien durch die israelischen Behörden und grassierender Armut und Arbeitslosigkeit. Drei Viertel der Bevölkerung im arabischen Teil Ostjerusalems leben unter der offiziellen israelischen Armutsgrenze. Die Proteste in der Enklave haben deutlich zugenommen, seit jüdische Extremisten den 16-jährigen Muhammad Abu Khdeir kidnappten und bei lebendigem Leib verbrannten. Die grauenvolle Tat ereignete sich wenige Tage, bevor Israel einen 49-tägigen Krieg begann, der über 2.300 Bewohner Gazas das Leben kostete und weitere 10.900 verwundete, die meisten davon Zivilisten.

Letzte Woche lehnte Israel die palästinensische Forderung an die Vereinten Nationen ab, eine internationale Truppe zum Schutz der palästinensischen Gläubigen in der al-Aqsa-Moschee in Jerusalems Altstadt bereitzustellen. Die Moschee steht im Mittelpunkt eskalierender Gewalt. Es gibt die Befürchtung, dass die israelische Regierung die Stätte für jüdische Gläubige öffnen will, was dem israelisch-jordanischen Friedensvertrag von 1994 widerspricht. Danach ist Jordanien zuständig für die Verwaltung der heiligen Stätten in Ostjerusalem.

Der neue israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Danny Danon, sagte gegenüber Reportern am Freitag: „Israel wird einer internationalen Präsenz am Tempelberg nicht zustimmen … Das würde den jahrzehntelangen Status quo verletzen.“

Am Sonntag wies Netanjahu einen Vorschlag Frankreichs für internationale Beobachter an der Moschee zurück: „Israel kann die Resolution, die Frankreich dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt hat, nicht annehmen. Sie sagt nichts zu der palästinensischen Aggression, zum palästinensischen Terrorismus, und sie fordert die Internationalisierung des Tempelbergs.“

Auch Jordanien, das auf Seiten Washingtons steht, sprach sich gegen die Stationierung einer internationalen Truppe aus. Die jordanische UN-Botschafterin Dina Karr sagte, sie wolle keine internationale Truppe. Sie forderte allerdings, israelische Sicherheitskräfte sollten der al-Aqsa-Moschee fernbleiben.

Am Wochenende erschossen israelische Sicherheitskräfte mindestens fünf Palästinenser. Damit stieg die Zahl der von ihnen im Oktober getöteten Palästinenser auf mindestens 56, darunter 18 angebliche Angreifer, die auf der Stelle erschossen wurden. Die meisten Opfer gab es bei Zusammenstößen im Westjordanland und an der Grenze zu Gaza. Eine schwangere Frau und ihre zwei Jahre alte Tochter kamen bei israelischen Luftschlägen auf Gaza ums Leben.

In Beerscheba im Süden erschoss ein Angreifer einen israelischen Soldaten, nahm sein Gewehr an sich und verwundete damit zehn weitere Personen am zentralen Busbahnhof, darunter vier Polizisten. Die israelische Polizei sagte, sie hätte einen Angreifer getötet, den sie für einen Palästinenser hielt und einen anderen schwer verletzt, der inzwischen nicht als zweiter Angreifer gilt, sondern ein eritreischer Immigrant sein soll. Die Zahl der getöteten Israelis durch palästinensische Angriffe stieg auf acht im Oktober.

Letzte Woche gaben neun israelische Menschenrechtsorganisationen eine Erklärung heraus, in der sie gestützt auf Videos und Fotos von zufällig Anwesenden die Zuverlässigkeit israelischer Angaben über die Todesschüsse der Sicherheitskräfte in Frage stellen. Die Videos zeigten eindeutig, dass die Polizei eine Politik des „schnellen Erschießens“ verfolge, heißt es in der Erklärung, statt Palästinenser in Jerusalem und Israel festzunehmen, die sie als potentielle Angreifer gegen israelische Juden verdächtigen. Auch seien Palästinenser erschossen worden, obwohl sie keine physische Bedrohung für die Sicherheitskräfte darstellten.

Adalah, ein Zentrum für juristische Beratung für israelische Palästinenser, und Addameer, eine palästinensische Nichtregierungsorganisation (NGO) für die Rechte von Gefangenen, warfen den israelische Behörden vor, eine Untersuchung des Todesschusses auf Fadi Alloun am 4. Oktober abzublocken. Videoaufnahmen zeigen einen Polizisten, der den 19jährigen Alloun erschießt, ohne von ihm bedroht zu werden. Ein Mob israelischer Juden hatte den Palästinenser verfolgt. Sie warfen ihm eine Messerstecherei zu einem früheren Zeitpunkt vor und forderten seine Hinrichtung.

Die Regierung hat inzwischen den Einsatz von scharfer Munition gegen Palästinenser gebilligt, die in Israel und Ostjerusalem Steine werfen und etabliert damit die Praxis außergerichtlicher Hinrichtungen im Westjordanland nun auch in Israel selbst. Im Unterschied zum Westjordanland, wo das Militärrecht gilt, unterstehen allerdings die Palästinenser in Israel dem Zivilrecht, auch in Ostjerusalem, das Israel nach dem Krieg von 1967 illegal annektiert hatte.

Am vergangenen Samstagabend versammelten sich etwa 1500 jüdische und palästinensische Israelis in Jerusalem, die ein Ende der Gewalt und eine Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen den israelischen und palästinensischen Führern forderten. Die Parteivorsitzende der Meretz-Partei, Zahava Gal-On, forderte Netanjahu auf, den französischen Vorschlag einer internationalen Beobachtertruppe am Tempelberg zu akzeptieren. In Beerscheba bildeten etwa 150 Palästinenser und jüdische Aktivisten eine Menschenkette für den Frieden.

Loading