Perspektive

Amerikanische Autogewerkschaft fungiert als Streikbrecher

Die amerikanische Autoarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UAW) versucht, den Ford-Arbeitern einen neuen Tarifvertrag aufzuzwingen. Damit will sie den Widerstand der 140.000 amerikanischen Autoarbeiter brechen und ein Abkommen durchsetzen, das von den Autokonzernen und der Wall Street diktiert wurde.

Die UAW gab das Tarifabkommen am Freitag noch vor dem Ergebnis der Abstimmung von 53.000 General Motors-Arbeitern über ein ähnliches Abkommen bekannt. Eine Mehrheit der Facharbeiter (59,5 Prozent) lehnte das von der UAW befürwortete Abkommen ab. Laut der UAW wurde es jedoch von einer knappen Mehrheit (55 Prozent) aller Arbeiter ratifiziert. Nach einer solchen Spaltung einen Tarifvertrag durchzusetzen, wäre ein Verstoß gegen die offiziellen Statuten der UAW. Allerdings hatte sie schon im Jahr 2011 keine Probleme damit, sich unter ähnlichen Bedingungen über den Willen der Fiat Chrysler-Arbeiter hinwegzusetzen.

Genau wie zuvor die Tarifabkommen bei Fiat Chrysler und GM schafft auch das Abkommen bei Ford die Grundlagen für eine dauerhafte Verschlechterung der Löhne und Zusatzleistungen in der Autoindustrie. Ältere, besser bezahlte Arbeiter werden mit Unterstützung der UAW durch verschärfte Arbeitshetze, Schikane und angeblich freiwillige Verrentung aus den Betrieben vertrieben.

Durch die Tarifverträge wird nicht etwa das verhasste Zweiklassensystem bei Löhnen und Zusatzleistungen abgeschafft, wie es eine der Hauptforderungen der Arbeiter war. Vielmehr erhält die Konzernführung freie Hand, eine dritte, vierte und fünfte Klasse von kurzfristig Beschäftigten und Leiharbeitern zu Armutslöhnen und mit minderwertigen Renten- und Krankenversicherungen zu beschäftigen.

Nach den Tarifabkommen der Jahre 2007, 2009 und 2011 fahren die amerikanischen Autokonzerne Rekordgewinne und eine Gewinnmarge von über zehn Prozent ein. Doch die geldgierigen Spekulanten an der Wall Street wollen noch mehr und die UAW hat ihre Forderungen bereitwillig erfüllt, da sie selbst ein Großaktionär bei mehreren Autobauern ist.

Die Verträge bedeuten jedoch nicht nur eine „Umgestaltung“ im Bereich der Löhne. Nachdem bereits die Krankenversicherungsleistungen für Rentner in einen von der UAW kontrollierten Treuhandfonds ausgelagert wurden, der die Krankenversicherung für hunderttausende von Rentnern und ihre Angehörigen umgehend verschlechterte, wird das neue Abkommen auch die Versicherungsleistungen aktiver Arbeiter zusammenstreichen. In Zusammenarbeit mit der Obama-Regierung sollen die Kosten von den Arbeitgebern auf die Arbeitnehmer umgelegt werden, die jetzt schon von ihren geringen Löhnen kaum leben können.

Während der Tarifauseinandersetzung hat die UAW gezeigt, dass sie in keiner Hinsicht mehr eine „Gewerkschaft“ oder „Arbeiterorganisation“ ist, wie Arbeiter diese Begriffe übllicherweise verstanden haben. Vielmehr trat sie als Syndikat der Arbeitgeber und als Werkspolizei des Managements auf. Den Bedürfnissen der Arbeiter, die sie angeblich vertritt, steht sie völlig feindselig gegenüber.

Die UAW hat den Arbeitern in jedem Stadium der Auseinandersetzung Informationen vorenthalten, sie belogen, bedroht und erpresst. UAW-Funktionäre haben unverfroren die Positionen des Unternehmens nachgeplappert und behauptet, die Konzerne könnten nicht mehr anbieten und würden ihre Fabriken ganz einfach nach Mexiko oder in andere Billiglohnländer verlagern, wenn die Arbeiter weitere Verbesserungen fordern würden.

Die UAW hat den Streik von einer Waffe der Arbeiter gegen die Konzerne in eine Waffe gegen die Arbeiterklasse verwandelt. Für den Fall, dass die Arbeiter die Tarifverträge zurückweisen, wie es die Fiat Chrysler-Arbeiter letzten Monat getan hatten, drohten UAW-Funktionäre eine bestimmte Form des Streiks an. Dabei würden die Arbeiter wochen- oder monatelang auf Streikposten stehen und nur 220 Dollar pro Woche aus der 600 Millionen Dollar schweren Streikkasse der UAW erhalten. Die UAW betonte außerdem, dass die Autoarbeiter keine öffentliche Unterstützung erhalten und letzten Endes gezwungen sein würden, sich mit noch weniger zufrieden zu geben.

Die UAW hat eine New Yorker PR-Firma beauftragt, um die Arbeiter zu belügen. Lokale Gewerkschaftsfunktionäre setzten die Arbeiter derweil bei den Abstimmungen über die Ratifizierung unter Druck, indem sie diejenigen, die gegen das Abkommen stimmen wollten, als „gierig“ und „dumm“ bezeichneten. Was die endgültige Auszählung der Stimmen angeht, so ist die UAW durchaus bereit, das Ergebnis durch Manipulationen zu „berichtigen“.

Als die Gewerkschaft trotz ihrer unternehmerfreundlichen Führung die Arbeiterlöhne noch erhöhen oder zumindest Kürzungen verhindern konnte, konnte man sie noch als „Arbeiterorganisation“ bezeichnen. Aber wie Leo Trotzki, der Gründer der Vierten Internationale, schon 1937 erklärte, ist sie, wenn die Arbeiterführer „das Einkommen der Bourgeoisie vor Angriffen der Arbeiter schützen und Streiks, Lohnerhöhungen und Arbeitslosenhilfe bekämpfen, keine Gewerkschaft mehr, sondern eine Streikbrecherorganisation“.

Diese Beschreibung trifft haargenau auf die UAW, den Gewerkschaftsverband AFL-CIO und ihre Abspaltung, die Change to Win Coalition, zu. Diese Organisationen schließen die Arbeiter nicht zusammen, sondern spalten sie. Sie lehnen den Klassenkampf und den Sozialismus ab und predigen pausenlos die „Klassenharmonie“, während die Kapitalistenklasse einen unablässigen Krieg gegen die Arbeiterklasse führt. In den Fabriken ignoriert die UAW die Probleme der Arbeiter, organisiert selbst die Verschärfung der Arbeitshetze und überwacht ein diktatorisches Regime, das an die dunkelsten Tage der Industriesklaverei Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erinnert.

Natürlich müssen die Ford-Arbeiter den Tarifvertrag bei der Abstimmung mit gebührender Verachtung zurückweisen. Aber wie auch immer das Ergebnis sein wird, diese Auseinandersetzung wird die UAW noch weiter diskreditieren. Sie entlarvt außerdem die zahlreichen pseudolinken Gruppen, die darauf bestehen, dass die „Gewerkschaften“ die organisatorische Kontrolle behalten müssen, und jeden Versuch der Arbeiter, gegen deren Autorität zu rebellieren, für unrechtmäßig erklären.

Die Verwandlung der UAW und anderer Gewerkschaften in Instrumente des Managements ist nicht nur ein amerikanisches Phänomen, sondern ein internationales. Diese Entwicklung geht nicht nur auf die Niedertracht der korrupten und bürokratischen Funktionäre zurück, die sie kontrollieren. Der Grund ist, dass das kapitalistische und nationalistische Programm dieser Organisationen vollkommen gescheitert ist. Gleichzeitig ordnen sie die Arbeiterklasse den politischen Bedürfnissen der Demokratischen Partei unter.

Der Niedergang des amerikanischen Kapitalismus und die Globalisierung der Produktion haben diesen Organisationen den Boden entzogen. Sie reagieren darauf, indem sie ihre Partnerschaft mit den Konzernleitungen intensivieren. Wo sie früher in der Lage waren, die Fabrikherren durch Druck zu Zugeständnissen zu bewegen, scheuen sie heute keine Mühe, um die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der Arbeiter zu zerstören, wenn nur die Wettbewerbsfähigkeit und die Konzernprofite stimmen.

Die Arbeiter begegnen dieser Politik mit großer Wut und Ablehnung und sind bereit, dagegen zu kämpfen. Die Tatsache, dass die UAW solche Schwierigkeiten hat, diese verräterischen Tarifabkommen durchzusetzen, obwohl sie mit Unterstützung der Mainstreammedien eine unablässige Propagandakampagne betreibt, ist Ausdruck dieses massiven Widerstandes der ganzen Arbeiterklasse.

Mehr und mehr tritt der Klassenkampf wieder offen in Erscheinung. Die Arbeiter versuchen, ihre grundlegenden Rechte zu sichern: das Recht auf einen angemessen bezahlten und sicheren Arbeitsplatz, das Recht auf sichere und humane Arbeitsbedingungen, das Recht, eigene Interessensorganisationen zu bilden. Dieser Versuch muss seinen Ausdruck in unabhängigen Organisationen finden.

Wie die World Socialist Web Site und ihre Autoarbeiter Info erklären, müssen die Arbeiter ihre eigenen Organisationen aufbauen, deren Führer demokratisch gewählt und von der Belegschaft kontrolliert werden. Der Aufbau wirklich repräsentativer Werkskomitees, die sich nicht nach dem kapitalistischen Diktat richten, sondern sich auf den Klassenkampf stützen, wird zu einer mächtigen Waffe der Arbeiterklasse werden.

Niemals haben Arbeiter etwas erreicht, ohne ihre Macht gegen die Konzerne und deren politische Lakaien in Stellung zu bringen. Die Arbeiter schaffen alles Vermögen dieser Gesellschaft durch gemeinsame, weltweite Anstrengung, aber einige wenige Superreiche beanspruchen riesige Teile dieses Vermögens für sich allein. Sie verschwenden es für Krieg und andere Projekte, die die Gesellschaft zerstören. Deshalb können die sozialen Rechte der Arbeiterklasse nur durch einen politischen Kampf verteidigt werden. Und dieser kann nur siegreich sein, wenn die Arbeiterklasse selbst die wirtschaftliche und politische Macht ergreift.

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