Neue polnische Regierung vereidigt

Der polnische Präsident Andrzej Duda hat am 16. November die neue polnische Regierung von Premierministerin Beata Szydło vereidigt. Sie umfasst mehrere antirussische Hardliner und Befürworter einer engeren Zusammenarbeit mit den USA. Sie steht für eine aggressive Außenpolitik und Angriffe auf soziale und demokratische Rechte im Inneren.

Die rechtsnationalistische Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hatte im Oktober die Parlamentswahl gewonnen und verfügt über eine komfortable Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments, dem Sejm und dem Senat.

Während Beata Szydło an der Spitze der Regierung steht, gilt Jarosław Kaczyński als eigentlicher Strippenzieher in der Partei und der Regierung. Der Zwillingsbruder des 2010 bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückten Präsidenten Lech Kaczyński war von 2006 bis 2007 selbst Premierminister. Mehrere seiner damaligen Kollegen finden sich nun auch in der neuen Regierung wieder.

Verteidigungsminister ist Antoni Macierewicz. Macierewicz war von 2005 bis 2007 Vize-Verteidigungsminister und hatte den Militär- und Sicherheitsapparat von – wie er sie nannte – „Kommunisten“ und „russischen Agenten“ gesäubert. Er pflegt enge Beziehungen zur Leitung des katholischen Radiosenders Radio Maryja, der in ländlichen Regierung viel gehört wird und eine aggressive nationalistische, anti-semitische und militaristische Propaganda betreibt.

Außenminister ist Witold Waszczykowski, ein lautstarker Befürworter einer engen Allianz mit den USA. Er hatte mehrere Jahre lang für das polnische Außenministerium mit den USA über die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Polen verhandelt. Er war ein scharfer Kritiker seines Vorgängers Radosław Sikorksi, der sich in abgehörten Privatgesprächen äußerst vulgär und abwertend über das Bündnis mit den USA geäußert und gewarnt hatte, Polen stehe sowohl ein Konflikt mit Deutschland wie auch mit Russland bevor.

Mit der Ernennung von Mateusz Morawiecki zum Vize-Premier und Minister für Entwicklung signalisiert die PiS der polnischen Wirtschaft, dass sie nicht beabsichtigt, ihre sozialen und wirtschaftlichen Wahlkampfversprechen zu verwirklichen.

Morawiecki ist Vorsitzender der zweitgrößten polnischen Privatbank BZ WBK und als Befürworter von wirtschaftlicher Deregulierung und Privatisierung bekannt. Laut Angaben der Gazeta Wyborcza verdiente er im vergangenen Jahr allein in seiner Funktion als Vorsitzender der BZ WBK monatlich 150.000 Złoty (umgerechnet etwa 35.000 Euro). Das Durchschnittseinkommen in Polen liegt unter 4.000 Złotyoder 1.000 Euro.

Der neue Minister für Wissenschaft und höhere Bildung, Jarosław Gowin, ist ein bekannter Homophob und Gegner des Rechts auf Abtreibung. Justizminister Zbigniew Ziobro hatte diesen Posten bereits von 2005 bis 2007 inne.

Besonders umstritten war die Ernennung von Mariusz Kamiński zum Verantwortlichen für die Polizei und die Geheimdienste. Er hatte von 2005 bis 2007 dem Zentralen Antikorruptionsbüro vorgesessen und war 2009 und 2011 in zwei Gerichtsurteilen wegen „Machtmissbrauch“ zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil war allerdings nicht rechtskräftig. Das Gericht verbot ihm damals außerdem die Ausübung öffentlicher Ämter für eine Periode von zehn Jahren.

Am 17. November hatte Präsident Andrzej Duda Kaminski in einem außergewöhnlichen Schritt kurzerhand begnadigt. Ein Sprecher des Präsidialamtes kommentierte, der Präsident sehe hinter der Verurteilung Kaminskis „politische“ Gründe und wolle daher dem Ganzen „ein Ende setzen“.

Die Zusammensetzung der neuen Regierung hat in der bisher regierenden Bürgerplattform (PO) und bei ihr nahe stehenden Journalisten Alarm ausgelöst.

Die aktuelle Ausgabe des Magazins Newsweek Polska trägt den Titel „Die Epoche Kaczyński bricht an“. Chefredakteur Tomasz Lis warnt vor einer falschen außenpolitischen Orientierung der Regierung. Polen könne nicht allein auf eine Allianz mit den USA setzen. Angesichts der Krise der EU mahnt Lis, „ein starkes Polen“ sei nur innerhalb einer starken EU möglich. Dafür sei eine enge Zusammenarbeit mit Frankreich und Deutschland nötig. Die „anti-deutschen Töne“ der PiS im Wahlkampf seien in Berlin bitter aufgestoßen und nicht im Interesse Polens.

Lis bezeichnet ein größeres Bündnis mit osteuropäischen Staaten wie der Slowakei, Tschechien und Ungarn gegen Russland nach dem Vorbild des „Intermariums“ als Chimäre. Präsident Andrzej Duda hatte sich seit seinem Amtsantritt im August sich für ein solches Bündnis eingesetzt, das zugleich ein Gegengewicht zur von Berlin dominierten EU sein sollte. (Siehe auch: Außenpolitische Fragen in den polnischen Parlamentswahlen)

Auch die Innenpolitik der neuen Regierung wird mit Misstrauen verfolgt. Viele erwarten eine umfassende Säuberung des Staatsapparats und eine Änderung der Verfassung. Erste Schritte in diese Richtung hat die Regierung bereits unternommen. Beide Kammern des Parlaments verabschiedeten einen Gesetzesantrag der PiS, der die Neuwahl von fünf der insgesamt 15 Richter des Verfassungstribunal ermöglicht.

Während der Abstimmung im Sejm verließen Abgeordnete der Oppositionsparteien aus Protest den Raum. Die PO hält das Vorgehen von PiS für unrechtmäßig und sprach von einem „schändlichen Angriff auf das Verfassungstribunal“.

Das polnische Verfassungstribunal ist 1982 nach dem Vorbild des amerikanischen Supreme Courts gegründet worden und nahm 1986 seinen Betrieb auf. Das Tribunal prüft Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit sowie Änderungen der polnischen Verfassung. Die aktuelle Verfassung wurde im Jahr 1997 nach der Restauration des Kapitalismus eingeführt. Das Tribunal umfasst 15 Richter, die vom Sejm individuell für jeweils 9 Jahre gewählt werden.

Mit der Neuwahl von fünf Richtern, bei der die PiS als Mehrheitspartei voraussichtlich ihre Kandidaten durchsetzen kann, wird die PiS das Gleichgewicht in dem Gremium zu seinen Gunsten ändern und so die Grundlage für Änderungen der Verfassung schaffen können.

Zudem hatte die PiS im Wahlkampf angekündigt, die Position des von der Regierung unabhängigen Staatsanwalts abzuschaffen und seine Funktionen an den Justizminister zu übergeben. Im Endeffekt würde diese Entwicklung auf eine Abschaffung der Gewaltenteilung zwischen Exekutive (Regierung), Legislative (Gesetzgebung) und Judikative (Rechtsprechung) hinauslaufen.

Die Partei PiS hatte in den vergangenen Jahren immer wieder angekündigt, weitreichende Änderungen der Verfassungen durchsetzen zu wollen. Ein Verfassungsentwurf vom Jahr 2011 sah eine deutliche Stärkung der Position des Präsidenten und eine entsprechende Schwächung der Rolle des Sejms, ein Aufweichen der Trennung zwischen Kirche und Staat und ein Verbot von Abtreibungen vor.

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