Bundesregierung schickt mehr Soldaten nach Mali und in den Nordirak

Die Bundesregierung reagiert auf die Terroranschläge in Paris und die eskalierende Kriegsentwicklung im Nahen und Mittleren Osten nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei mit einer massiven Aufrüstung und nach außen und innen.

Nach einer gestrigen Sitzung des Verteidigungsausschusses des deutschen Bundestags verkündete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Ausweitung der Bundeswehreinsätze im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika. Die Diskussionen hätten „ganz im Zeichen der Anschläge von Paris gestanden“, erklärte von der Leyen. In ihrem offiziellen Statement heißt es: „Sehr deutlich war zu spüren wie ausgeprägt der Wille und die Überzeugung ist, dass wir fest an der Seite Frankreichs stehen wollen und müssen und alles tun werden, um ihnen auch in der schwierigen Situation zu helfen.“

Dann wurde die Verteidigungsministerin konkret und machte deutlich, was sie unter „Hilfe“ versteht. Im Nordirak werde die Bundesregierung ihre Unterstützung für die Peschmerga ausweiten und mehr Soldaten zur Ausbildung der kurdischen Miliz in das Kriegsgebiet schicken. „Wir werden im Januar das Parlament bitten, das Mandat zu verlängern und die Obergrenze der Soldaten [von bisher 100] auf 150 raufzusetzen“. Die deutsche Hilfe sei „entscheidend“ dafür, „dass die Peschmerga weiterhin ihren Widerstand gegen den sogenannten Islamischen Staat leisten können und ihm empfindliche Niederlagen beibringen können“.

Zusätzlich bereitet sich die Bundeswehr im westafrikanischen Mali auf einen Kampfeinsatz im gefährlichen Norden des Landes vor. Man werde „die von den Vereinten Nationen geführte Mission MINUSMA unterstützen [und] in diesem Mandat sehr viel deutlicher und substanzieller einsteigen“, verkündete von der Leyen. Um „die Schwächen der MINUSMA-Mission auszugleichen“ sei geplant, weitere 650 Soldaten nach Mali zu schicken.

Bislang sind nur acht Bundeswehrsoldaten an MINUSMA beteiligt. Etwa 200 weitere deutsche Soldaten bilden im Rahmen der EU-Mission EUTM die malische Armee aus.

Von der Leyen begründete die Ausweitung des deutschen Eingreifens mit der „Entlastung Frankreichs im Kampf gegen den Islamischen Staat“. Die französische Regierung hatte auf einem Treffen der EU-Verteidigungsminister in der vergangenen Woche alle EU-Mitgliedstaaten nach den Terroranschlägen in Paris um Unterstützung nach „einem bewaffneten Angriff“ gebeten und sich dabei auf Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags berufen. Von der Leyen hatte bereits damals angekündigt, mehr Bundeswehrsoldaten nach Mali zu schicken.

Das Verteidigungsministerium bemüht sich, die gefährlichsten Einsätze deutscher Truppen seit Afghanistan als „Hilfe für Frankreich“ und als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris darzustellen. Doch in Wirklichkeit sind sie seit langem geplant und Bestandteil der außenpolitischen Wende, die Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier (SPD) und von der Leyen selbst auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar 2014 verkündet hatten.

Von der Leyen hatte damals in ihrer Rede vor allem mit Blick auf die „schrecklichen Kriege“ im Nahen Osten und in Afrika erklärt, dass „Abwarten“ für die Bundesregierung „keine Option“ mehr sei. „Wenn wir über die Mittel und Fähigkeiten verfügen, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns zu engagieren“. Deutschland sei „als eine bedeutende Volkswirtschaft und als ein Land von erheblicher Größe“ nicht nur bereit, „die Zerstörung der Reste chemischer Kampfstoffe aus Syrien zu unterstützen“, sondern auch „unseren Beitrag in Mali zu verstärken“.

Die Terroranschläge in Paris und der Ausnahmezustand in Brüssel werden benutzt, um die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik weiter voranzutreiben. Ebenfalls gestern beriet der Bundestag abschließend über den Wehretat 2016. Das Ergebnis: Deutschland wird die Verteidigungsausgaben erhöhen und massiv aufrüsten. Aus der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses geht hervor, dass die Verteidigungsausgaben im kommenden Jahr mit 34,28 Milliarden Euro um 1,32 Milliarden Euro höher liegen sollen, als in diesem Jahr.

Nach den Planungen des Verteidigungsministeriums soll mehr als ein Drittel des zusätzlichen Etats in die Anschaffung neuer Waffensysteme fließen. Im kommenden Jahr sollen hierfür 4,68 Milliarden Euro aufgewendet werden, 594 Millionen Euro mehr als 2015. Insgesamt sollen den Streitkräften für Materialbeschaffungen und Anlagenerhaltung über 10 Milliarden Euro bereit gestellt werden. Die Personalausgaben, der größte Posten im Verteidigungshaushalt, werden auf knapp 17 Milliarden Euro ansteigen.

Die Haushaltsdebatte machte deutlich, dass alle Bundestagsparteien in den Fragen äußerer und innerer Aufrüstung übereinstimmen.

Oppositionsführer Dietmar Bartsch stellte sich in seiner Antrittsrede als neuer Fraktionsvorsitzender der Linkspartei explizit hinter die Bundeskanzlerin und kommentierte die Reaktionen auf die Terroranschläge mit den Worten: „Es ist menschlich nachvollziehbar, wenn angesichts der Toten und der schrecklichen Ereignisse Gefühle von Ohnmacht, Wut, Verzweiflung aufkommen. Und ja, Überlegungen sind nötig, wie man den für diesen Terror Verantwortlichen konsequent das Handwerk legen kann.“

Die Rede der Kanzlerin unterschied sich kaum: „Wir stehen solidarisch an der Seite Frankreichs in der Trauer um die Opfer. Wir stehen solidarisch an der Seite Frankreichs im Kampf gegen den Terror,“ erklärte Merkel und fügte hinzu: „Wir müssen – da möchte ich mich auch bei der Mehrheit des Deutschen Bundestags bedanken – wachsam und wehrhaft sein. Deshalb war es richtig – das geschah schon vor den Anschlägen –, dass wir eine personelle und technische Verstärkung unserer Sicherheitsbehörden beschlossen haben.“

Allein bei der Polizei würden im nächsten Jahr 1000 neue Stellen geschaffen, bei der Bundespolizei „sogenannte robuste Einheiten aufgebaut, die so ausgebildet und ausgestattet sein werden, dass sie terroristischen Lagen begegnen können“ und deren Fähigkeiten deutlich über das hinaus gingen, „was die Landespolizeien und die GSG 9 heute schon können“. Neben der Schaffung einer paramilitärischen Polizei verkündete Merkel, dass auch die Geheimdienste „technisch“ und „personell“ gestärkt werden.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, stieß ins gleiche Horn. Es sei „richtig, dass wir jetzt 3.000 neue Stellen für die Bundespolizei schaffen. Ich finde es gut und bin froh, dass die Zeit, in der die Finanzminister von Bund und Ländern bei der Polizei Stellen abbauen konnten, endgültig der Vergangenheit angehört“, sagte er. „Neben einer guten Polizei“ würden auch funktionierende Geheimdienste „dringend gebraucht“. „Dass wir starke Nachrichtendienste wollen, kann man daran sehen, dass wir im Haushalt erhebliche Mittel für zusätzliches Personal bereitstellen“, betonte Oppermann.

Mit Blick auf das militärische Eingreifen des Westens im Nahen und Mittleren Osten erklärte er: „Dieser Kampf [gegen den IS] kann nur erfolgreich sein, wenn auch Russland, wenn auch Regionalmächte wie Iran und Saudi-Arabien eingebunden werden, es also eine breite Allianz der internationalen Staatengemeinschaft gibt.“ Dann warnte Oppermann: „Diese Allianz droht jetzt durch den Abschuss eines Kampfflugzeuges an der syrisch-türkischen Grenze gefährdet zu werden.“

Während Oppermann den Standpunkt der Bundesregierung formuliert, die seit längerem dafür eintritt, eine gemeinsame Kriegsallianz mit Russland gegen den IS zu schmieden, rief Anton Hofreiter, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, dazu auf, zunächst den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen: „Klar: ISIS muss auch militärisch bekämpft werden, [aber] es braucht eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung des IS“, forderte Hofreiter. Im Mittelpunkt dieser Gesamtstrategie stehe die „Lösung für das Problem Assad“.

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