Perspektive

Finanzparasitismus und Produktionsrückgang in den USA

Die Produktionstätigkeit der amerikanischen Industrie befand sich im November auf dem niedrigsten Stand seit Juni 2009, als die Wirtschaft noch ganz im Zeichen des Zusammenbruchs an der Wall Street vom September 2008 stand. Die Zahlen des vergangenen Monats belegen den anhaltenden Abschwung der Weltwirtschaft.

Das Institute for Supply Management berichtete am Dienstag, dass der Indikator für die Produktionstätigkeit von Oktober auf November von 50.1 auf 48.6 gefallen ist. Der Rückgang, bereits der fünfte in Folge, drückte den Wert unter die kritische Grenze von 50, die einen Wirtschaftsabschwung anzeigt.

Nachfrage und Produktion brachen ein. Der Auftragseingang ging um 4 Punkte zurück, die Produktion um 3.7 Punkte.

Auch sieben Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers geht es mit der amerikanischen Wirtschaft weiter bergab. Im Zeitraum von 2010-2015, den die Regierung als „Wirtschaftsaufschwung“ deklariert, ist sie durchschnittlich nur um zwei Prozent gewachsen, deutlich weniger als in den 1990er (3,2 Prozent) und den 1950er Jahren (4,2 Prozent).

Entgegen den Behauptungen der Obama-Regierung, sie habe das verarbeitende Gewerbe wieder flottgemacht, ist die Zahl der Produktionsarbeitsplätze seit den späten 1990er Jahren um 4,7 Millionen und seit 2006 um 1,8 Millionen zurückgegangen. So wenige Industriearbeiter wie heute gab es zuletzt 1950, damals war die Bevölkerung allerdings nur halb so groß.

In den vergangenen Monaten mussten führende Finanzkommentatoren und –institutionen wie der Internationale Währungsfonds eingestehen, dass eine Rückkehr zu „normalen“ wirtschaftlichen Verhältnissen in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten ist.

Fest steht, dass die Reaktion der Obama-Regierung und der Notenbank Fed auf den Finanzcrash von 2008, der Finanzelite ohne Auflagen praktisch unbeschränkte Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, nicht zu einem Aufschwung der Realwirtschaft geführt hat.

Der amerikanischen Bevölkerung versuchte man weiszumachen, diese Politik könne die Wirtschaft ankurbeln und „Jobs schaffen“. In Wahrheit hat sie zu einem massiven Anwachsen des Finanzparasitismus geführt, wodurch ein immer größerer Anteil der gesellschaftlichen Ressourcen der Produktion entzogen und für Finanzspekulationen verwendet wurde.

Diese Entwicklung war im laufenden Jahr besonders deutlich zu erkennen. „Unternehmensinvestitionen gibt es in den USA immer weniger“, schrieb das Wall Street Journal Anfang der Woche, und weiter: „Unternehmen geben nur widerwillig Geld für die elementarsten Bausteine der Wirtschaft aus – für Maschinen, Computer, neue Produktionsstätten.“

Zum Beweis führte die Zeitung an, dass die Aufträge für zivile Investitionsgüter mit Ausnahme von Flugzeugen, die ein Maßstab für Unternehmensinvestitionen in die Produktion sind, in den ersten zehn Monaten 2015 um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgingen.

Auch in Zukunft wird kein Wachstum der Unternehmensinvestitionen erwartet. Eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Business Roundtable zeigte, dass 27 Prozent der amerikanischen Unternehmensvorstände von einer Kürzung der Ausgaben für Investitionsgüter in den nächsten sechs Monaten ausgehen. Es wären die stärksten Kürzungen bei den Investitionen seit der Krise von 2008-09.

Das Geld, das die Unternehmen nicht in die Produktion investieren, geht an die Finanzelite in Form von Aktienrückkäufen, Dividendenerhöhungen und höheren Vorstandsgehältern.

Allein im dritten Quartal 2015 erhöhten US-Unternehmen ihre Dividendenzahlungen um „erstaunliche“ 24 Prozent, berichtet Henderson Global Investors. Firmen, die im Aktienindex Standard & Poor’s 500 gelistet sind, haben im dritten Quartal ihre Aktienrückkäufe im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent gesteigert. Im Zehnjahreszeitraum sind die Aktienrückkäufe um 80 Prozent gestiegen.

Eine Analyse der Bank of America stellte fest, dass große US-Unternehmen in den letzten zehn Jahren pro neu geschaffenem Arbeitsplatz 296.000 Dollar für Aktienrückkäufe ausgegeben haben.

Im Boom bei Fusionen und Firmenaufkäufen, die dieses Jahr wohl einen neuen Rekordwert erreichen, zeigt sich das Anwachsen des Parasitismus in der Wirtschaft in seiner bösartigsten Form. Diese Transaktionen, die den reichen Investoren, Unternehmensvorständen und Finanzunternehmen, die sie orchestrieren, Milliardenvermögen in Papierform bescheren, sind auch die Ursache für Massenentlassungen, Lohnkürzungen und verschärfte Arbeitshetze.

Beispielhaft sei die durch Fusion von Kraft Foods und Heinz Company entstandene Kraft Heinz Co. genannt. Letzten Monat gab die Firma bekannt, dass sie, um 1,5 Milliarden Dollar einzusparen, auch sieben amerikanische Produktionsstandorte schließen will. Gleichzeitig kündigte sie eine Erhöhung der Dividende um 4,5 Prozent an.

Durch Aktienrückkäufe, höhere Dividendenausschüttungen, Fusionen und andere parasitäre Aktivitäten hat die Finanzaristokratie die Realwirtschaft geplündert, um ihren persönlichen Reichtum zu steigern. Das Ergebnis – die Zerstörung gut bezahlter Arbeitsplätze, der Renten und Gesundheitsleistungen – hat die enorme Umverteilung von Reichtum nach oben befeuert. Während des so genannten Obama-„Aufschwungs“ schritt sie sogar noch schneller voran. Das Einkommen eines typischen US-Haushalts sank zwischen 2010 und 2013 um 5 Prozent (bereits zuvor war es um 7 Prozent gesunken), der Wohlstand der reichsten Amerikaner auf der Forbes 400 – Liste hat sich seit 2009 verdoppelt.

Es verdient Erwähnung, dass die schlechten wirtschaftlichen Zahlen vom Dienstag an den US-Finanzmärkten Feierlaune auslösten. Die drei wichtigsten Indizes legten an diesem Tag um etwa ein Prozent zu. Die US-Finanzmärkte waren im November konstant in guter Verfassung, trotz ständig neuer negativer Wirtschaftsdaten, den Pariser Terroranschlägen, der anhaltenden Flüchtlingskrise und der Gefahr, dass der Stellvertreterkrieg in Syrien zu einem Weltkrieg führen kann.

Diese Realität weist auf einige grundlegende Merkmale der jetzigen Periode hin. Täglich kommt vor aller Augen deutlicher zum Vorschein, dass der Reichtum der Finanzelite nicht aus Investitionen in die Produktion und dem vermehrten Einsatz der Produktivkräfte kommt, sondern aus der Plünderung des vorhandenen Reichtums, die mit der Verarmung und erhöhten Ausbeutung der Arbeiterklasse Hand in Hand geht.

Das Spiegelbild dieser Entwicklung in der Außenpolitik ist der Drang aller Großmächte, an ihrer Spitze die USA, militärische Gewalt einzusetzen, um geopolitische Dominanz zu erreichen. Für die herrschende Klasse, die es für normal erachtet, durch parasitäre und halbkriminelle Methoden reich zu werden, steht das Völkerrecht nur auf dem Papier. Sie interveniert in anderen Ländern und bombardiert dort nach eigenem Ermessen.

Wirtschaftliche Stagnation, Parasitismus und Krieg gehen einher mit einer gigantischen Aufrüstung des Unterdrückungsapparates, um ihn gegen jede Opposition im Innern, vor allem gegen den historischen Feind der Finanzelite, die Arbeiterklasse, einzusetzen.

Wirtschaftlicher Niedergang, Krieg und Diktatur haben eine gemeinsame Wurzel: Das kapitalistische System und die Finanzoligarchie, die die Macht ausübt. Die große Aufgabe unserer historischen Periode ist es, dieses System zu stürzen, die Finanzaristokratie zu enteignen und die Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage zu reorganisieren.

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