Britisches Unterhaus stimmt für Bombardierung Syriens

Am Mittwochabend stimmte das britische Parlament für die Bombardierung Syriens. Mit der Unterstützung von 67 Labour-Abgeordneten, der Democratic Unionist Party und der Liberaldemokraten wurde der Antrag der Regierung mit 397 zu 223 Stimmen angenommen, d.h. mit einer Mehrheit von 174 Stimmen.

Der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn hatte den Weg zum Krieg geebnet, als er vor dem rechten Flügel seiner Partei kapitulierte und eine „freie Abstimmung“ über die Militäraktion erlaubte. Auf diese Weise hat die Labour Party Premierminister David Cameron die gewünschte Mehrheit auf dem Silbertablett serviert und die Niederlage ungeschehen gemacht, die er vor zwei Jahren erlitten hatte.

Corbyn hat vollständig vor der Lobby der Kriegsbefürworter kapituliert. Sogar die Scottish National Party brachte einen überparteilichen Abänderungsantrag gegen die Militäraktion ein, während die Labour Party erklärte, sie habe keine offizielle Meinung dazu. Dieser Antrag wurde mit 390 zu 211 Stimmen abgelehnt, d.h. mit einer Mehrheit von 179 Stimmen.

Die Kriegsresolution, die Cameron einbrachte, basierte auf derjenigen, die auf dem Labour-Parteitag im September verabschiedet worden war. Die World Socialist Web Site schrieb damals, der Antrag von Labour sei ein „Freibrief für die militärische Zerschlagung Syriens“.

Corbyn wurde aufgrund seiner Rhetorik gegen Austerität und Krieg zum Labour-Vorsitzenden gewählt. Doch nur wenige Wochen später erklärte er sich auf dem Parteitag bereit, die Diskussion über Großbritanniens Trident-Atomraketenprogramm zu beenden, nachdem sich die Gewerkschaften gegen dessen Abschaffung ausgesprochen hatten. Für eine Debatte über die Bombardierung Syriens wurden nur zwanzig Minuten eingeplant. Danach wurde ein unverbindlicher Antrag angenommen, der britische Luftschläge ablehnt, sofern sie nicht vorher von den Vereinten Nationen abgesegnet wurden.

Jetzt benutzen die imperialistischen Mächte die Terroranschläge am 13. November, um mit Unterstützung der UN ihre neokolonialen Kriege im Nahen Osten zu verschärfen.

Im August 2013 hatte Cameron erfolglos versucht, die Unterstützung des Parlaments für eine Militäraktion zum Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu erhalten. Der Antrag, den er gestern einbrachte, erwähnt dieses Ziel nicht. Stattdessen richten sich die britischen Luftangriffe gegen den Islamischen Staat (IS) und sollen den sogenannten „Friedensprozess“ von Wien zwischen den USA und Russland unterstützen.

Nicht die Terroranschläge in Paris, sondern die russische Militärintervention in Syrien haben bedeutende Teile der britischen Bourgeoisie dazu gebracht, trotz beträchtlicher Bauchschmerzen eine Parlamentsabstimmung zu erzwingen. Die britische Regierung will sich mit der militärischen Beteiligung mit dem Kriegskurs der USA gegen Russland solidarisieren. Damit zieht sie die arbeitende Bevölkerung Großbritanniens in den Strudel eines möglichen dritten Weltkriegs zwischen den zwei größten Atommächten.

Die Parlamentsdebatte war durch und durch reaktionär. Schon bevor sie begann, bezeichnete Cameron Gegner der Bombardierung Syriens als „Terrorsympathisanten“. Diese Verleumdung fiel während eines Treffens von Tory-Abgeordneten, die er dazu drängte, zu Gunsten der Regierung abzustimmen, anstatt „mit Jeremy Corbyn und einem Haufen von Terrorsympathisanten durch die Abstimmungslobby zu laufen“.

Der Tory-Chef hat Corbyn bereits mehrfach als Gefahr für die nationale Sicherheit und einen Verteidiger von Terrorismus bezeichnet. Diese Beschimpfungen tat Corbyn als eine „unglückliche Bemerkung Camerons“ ab und äußerte die Hoffnung, der Premierminister werde sich entschuldigen, um „die Atmosphäre dieser Debatte zu verbessern.“

Cameron lehnte es rundheraus ab, seine Äußerung zurückzunehmen. Dabei wurde er, wie immer, vom rechten Flügel der Labour Party unterstützt. Nach Corbyns unterwürfigem Appell an den Premierminister, griff der Labour-Abgeordnete John Mann seinerseits Corbyn an und forderte ihn auf, seine Kritik an Labour-Abgeordneten zurückzunehmen, die mit der Regierung abgestimmt haben.

Vor der Debatte hatte sich Corbyn zum Schein gegen die Labour-Rechten gestellt und sie gewarnt, nach der Abstimmung könnten sich die Befürworter der Militäraktion „nirgendwo verstecken“. In Wirklichkeit haben die Kriegstreiber bereits eine Zuflucht, und zwar die Labour Party. Und sie müssen sich nicht verstecken, da Corbyn praktisch einen Sicherheitsgürtel um sie gelegt hat.

In einer Umfrage unter den Parteimitgliedern lehnten 75 Prozent die Bombardierung Syriens ab. Für Corbyn ist das jedoch völlig irrelevant. Er hat dem rechten Flügel mehrfach versichert, dass er weder mit Disziplinarmaßnahmen noch mit der Abwahl rechnen muss.

In seiner Eröffnungsrede plapperte Corbyn lediglich die Behauptung nach, der IS sei eine existenzielle Bedrohung für Großbritannien und beklagte, Cameron habe seine Forderung nach Luftangriffen nicht ausreichend erklärt und deshalb keinen „Konsens“ im Parlament erzielt.

Er verherrlichte die „Friedensverhandlungen“ in Wien und vermied es, den Abschuss eines russischen Flugzeuges durch die Türkei zu erwähnen. Gleichzeitig hielt er die Illusion einer „politischen und diplomatischen Verhandlungslösung“ hoch, die Syrien Frieden bringen sollte.

Zwar warnte er vor der Gefahr einer „schleichenden Ausweitung der Mission“ und der „realen Möglichkeit,“ dass irgendwann westliche Bodentruppen eingesetzt würden, erwähnte aber mit keinem Wort die Entscheidung der USA vom Vortag, Spezialeinheiten in Syrien einzusetzen.

Zuletzt traf Corbyn die beispiellose Entscheidung, seinen Schatten-Außenminister Hilary Benn, einen führenden Befürworter der Militärintervention, die Parlamentsdebatte der Partei beenden zu lassen.

Benn wird offen als möglicher Nachfolger Corbyns im Falle einer künftigen Palastrevolte gehandelt. Seine Abschlusserklärung war eine Bewerbung für diese Rolle. Er behauptete groteskerweise, Großbritannien würde mit der Bombardierung Syriens einen Kampf gegen eine „faschistische“ Bedrohung führen, ähnlich wie gegen Franco in Spanien und Hitler in Deutschland.

Benn appellierte in seiner Rede zwar an die „Einheit“ der Partei, allerdings hatte er sich während der Debatte per Twitter negativ über den Labour-Vorsitzenden geäußert. Als ein Sprecher des Parteichefs die Nachricht verschickte, Luftangriffe könnten die terroristische Bedrohung für Großbritannien erhöhen, wies Benn die Behauptung zurück.

Mehrere Labour-Rechte nutzten die freie Hand, die ihnen Corbyn gegeben hatte, um sich auf die Seite der Regierung zu stellen und sich für den Krieg auszusprechen. Führende Blair-Anhänger, die bereits seit dem Irakkrieg Blut an den Händen haben, sprachen sich einer nach dem anderen für die Militäraktion aus.

Yvette Cooper, die beim Kampf um die Führung der Partei den dritten Platz belegt hatte, erklärte, sie werde mit der Regierung stimmen, obwohl der Premierminister „nicht sehr überzeugend argumentiert“ habe. Alan Johnson erklärte, er werde ebenfalls die Regierung unterstützen, auch wenn es eine „schwierige“ Entscheidung sei. Zudem kritisierte er die „Selbstgerechtigkeit” der Kriegsgegner.

Andere Labour-Abgeordnete wie John Woodcock nutzten die Debatte, um sich über die „Einschüchterungsmethoden“ ihrer Wahlkreise zu beklagen. Diese hatten gedroht, sie nicht mehr aufzustellen, wenn sie für den Krieg stimmen sollten. Woodcock ließ sich über einen „wütenden, intoleranten Pazifismus“ aus, während er sich an der Ermächtigung von Bombenhageln auf Syrien beteiligte.

Gleichzeitig fand im House of Lords eine Debatte über die britische Militärintervention statt, in der der Labour-Abgeordnete Jeffrey Rooker die Partei dazu aufrief, Corbyn „loszuwerden“. Er erklärte, die Mitglieder des Tory-Kabinetts wären bessere Premierminister als sein eigener Parteichef und verglich die „angeborene Intoleranz“ des IS gegenüber der „britischen Lebensart“ mit den „antibritischen Trotzkisten in der Labour Party“, die „unsere Toleranz ausnutzen, um die Kontrolle über die Partei zu übernehmen“.

Corbyn reagierte auf die Kritik von rechts, indem er während der Debatte einen Facebook-Eintrag veröffentlichte, in dem er sich gegen „Mobbing“ aussprach und „uns alle in der Labour Party“ aufrief, die Partei in einem „kameradschaftlichen Sinne“ aufzubauen.

Die Bourgeoisie ist sich der wachsenden sozialen und politischen Spannungen akut bewusst. Selbst die Times, die die Luftangriffe unterstützte, brachte auf der Titelseite Umfragen, laut denen trotz der ständigen Kriegspropaganda mehr als die Hälfte der Bevölkerung die Militäraktion ablehnt.

Die versammelten Abgeordneten waren sich durchaus bewusst, dass ihre Debatte ein Betrug war und auf einem Lügengebäude basierte. Nur einen Tag zuvor hatte der außenpolitische Sonderausschuss mit vier zu drei Stimmen einen Antrag angenommen, laut dem Cameron „Bedenken“ wegen der Militäraktion „nicht ausreichend geklärt“ habe. Das macht die Bourgeoisie nur umso entschlossener, trotz Corbyns Appellen und Rückzügen alles zu tun, um den Widerstand gegen den Krieg mundtot zu machen.

Loading