Bundestag beschließt Ausweitung der Militärmission in Afghanistan

Mit großer Mehrheit stimmte der Bundestag am Donnerstag für den Antrag der Bundesregierung, die Teilnahme der Bundeswehr an der seit Januar 2015 laufenden Nato-Mission „Resolute Support“ in Afghanistan bis mindestens Ende 2016 zu verlängern. Das Kontingent der Bundeswehr, die im Norden des Landes das „Train, Advice, Assist Command (TAAC) Nord“ mit Sitz in Mazar-e Sharif leitet, soll um 130 auf 980 Soldaten vergrößert werden.

Die Mission „Resolute Support“ wurde auf einer NATO Konferenz in Chicago im Mai 2012 zur Fortsetzung der am 31. Dezember 2014 endenden ISAF Mission beschlossen. Bereits damals war den imperialistischen Mächten klar, dass der Abzug der NATO-Truppen zum Kontrollverlust über das strategisch wichtige Land führen könnte, das sie 2001 unter Führung der USA überfallen und besetzt hatten.

Die Bundesregierung war seither bemüht, die neue Mission als Trainings-, Beratungs- und Unterstützungsmission für die afghanische Armee zu verkaufen. Das war von Anfang an reine Augenwischerei. Nach dem Erstarken der Taliban in den letzten Monaten wird nun ganz offen ein neuer Kampfeinsatz vorbereitet.

Die USA stellen mit 9000 Soldaten das größte Truppenkontingent mit einem klaren Mandat zum Kampfeinsatz. Der vom Bundestag verabschiedete Antrag weist ausdrücklich auch auf die militärischen Aufgaben des Bundeswehrkontingents hin. Unter dem Stichwort „in extremis support“ (ein militärischer Begriff für Notfallsituationen) schließt seine Aufgabe auch „Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Mission Resolute Support sowie von Personal der internationalen Gemeinschaft und designierter Personen“ mit ein.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen betonte im Bundestag, dass der „Rückzug“ der Nato „aus dem Kampfeinsatz nicht ohne Wirkung geblieben“ sei. Er habe „die afghanischen Regierungstruppen teilweise entmutigt und die Taliban ermutigt“. Sie halte es deshalb „für richtig, dass wir jetzt die reine Orientierung auf Zeitlinien korrigieren und stattdessen zu dem Kriterium zurückkehren, dass wir allein anhand des Fortschrittes im Land unsere Präsenz bemessen“.

Im Klartext heißt das, westliche Truppen werden auf unabsehbare Zeit in Afghanistan stationiert bleiben und auch wieder kämpfen. Dass es in Afghanistan nach 14 Jahren westlicher Besatzung keinen „Fortschritt“ gibt, sondern Bürgerkrieg, Chaos und Verzweiflung herrschen, wird mittlerweile selbst in den bürgerlichen Medien zugegeben.

In einem aktuellen Bericht schreibt die Zeit, dass sich die nordafghanische Stadt Kundus, „unter den Augen der Bundeswehr zu einer Hochburg der Milizen entwickelt“ habe. Die meisten von ihnen seien „kriminelle Vereinigungen“.

Die Zeit zeichnet das Bild einer regelrechten Terrorherrschaft in dem Gebiet, das jahrelang unter deutscher Kontrolle stand: „Angeführt von Warlords, bekriegten sich die Milizen gegenseitig, sie vergewaltigten, raubten, legten Bomben unter Autos. Sie errichteten Posten auf den Straßen, die Passanten abkassierten. Oft waren fünf, sechs dieser Posten unterschiedlicher Milizen hintereinandergeschaltet, immer neu einen Wegezoll verlangend. Wie Blutsauger hefteten sie sich an die Arterien der Stadt.“

Diese kriminelle Form der Besatzungspolitik soll nun fortgesetzt werden. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Niels Annen, ließ in seiner Rede keinen Zweifel daran, worum es Berlin wirklich geht. Mit der Verlängerung des Militäreinsatzes will die Bundesregierung unter dem Deckmantel des Kampfs gegen Terrorismus das pro-westliche Marionettenregime in Kabul stärken. „Wir wissen, dass die gegenwärtige Instabilität nicht nur etwas mit den Aktivitäten der Taliban zu tun hat. Sie hat auch etwas mit der Instabilität der afghanischen Regierung zu tun“, erklärte er zynisch.

Bereits am 23. November hatte von der Leyen eine Konferenz der Verteidigungsminister aller 21 Truppenstellerländer für Nord-Afghanistan in Berlin einberufen, an der auch der Verteidigungsminister Afghanistans, Mohammed Masoom Stanekzai, und der Oberbefehlshaber der Resolute Support Mission, General John F. Campbell teilnahmen.

Wer verstehen will, welche Interessen hinter der neuen deutschen Offensive in Afghanistan stehen, muss die Geschichte studieren und die Dokumente lesen, die gegenwärtig wieder im Außen- und Verteidigungsministerium ausgearbeitet werden.

In einer Bundestagsrede hob von der Leyen stolz die 100-jährigen Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan hervor, als handele es sich um Freundschaftsbeziehungen jenseits aller politischen und wirtschaftlichen Interessen. Bundesaußenminister Steinmeier war sogar am 30. August 2015 zum Jubiläum dieser Beziehungen nach Afghanistan gereist, wo er mit Präsident Abdullah Ghani und Regierungschef Abdullah Abdullah zusammentraf.

Dass diese Beziehungen gefeiert werden, zeigt den wahren Grund des deutschen Interesses an Afghanistan: Bereits bei der ersten diplomatischen Kontaktaufnahme zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahre 1915 ging es um ausgesprochen machtpolitische Interessen. Die sogenannte Niedermayer-Hentig-Expedition versuchte, Afghanistan auf die Seite der Mittelmächte zu ziehen.

Oskar von Niedermayer, der bald darauf vom deutschen Kaiser zum Ritter geadelt wurde, warb auch 1939 – er war bereits 1933 der NSDAP beigetreten – als Professor an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt Universität) aggressiv dafür, mit Hilfe Afghanistans indische Stämme gegen die Kolonialherrschaft Großbritanniens aufzuwiegeln, um deren Streitkräfte in Indien zu binden.

Die geschichtlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan sind seit Anbeginn bestimmt von geostrategischen Machtinteressen.

Die Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr von 2011 definieren diese Zielsetzung sehr klar: „Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung. Die Erschließung, Sicherung von und der Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten werden weltweit neu geordnet.“ Und weiter: „Zu den deutschen Sicherheitsinteressen gehören: ...einen freien und ungehinderten Welthandel sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen.“

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