Perspektive

WTO beendet Doha-Runde:

Ein weiterer Riss in der Nachkriegsordnung

Die Welthandelsorganisation (WTO) hat bei ihrem letzten Treffen am vergangenen Wochenende in Nairobi beschlossen, die sogenannte Doha-Runde aufzulösen. Das Mandat für die weltweite Verhandlungsrunde zur Handelspolitik wurde nicht erneuert. Diese Entscheidung ist ein weiterer Schritt in der Auflösung der Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit.

Auf dem Treffen wurde zwar beschlossen, Subventionen für den Export landwirtschaftlicher Produkte abzuschaffen, doch wie die Medienberichte in Ländern mit starkem Agrarexport, wie Australien und Neuseeland betonen, war das wichtigste Ergebnis der langwierigen Verhandlungen die Entscheidung, das Doha-Mandat nicht zu erneuern.

Die Doha-Runde wurde im Jahr 2001 mit viel Getöse als die „Entwicklungsrunde“ ins Leben gerufen. Seit zehn Jahren stockten die Verhandlungen aber schon. Das ändert jedoch nichts an der historischen Bedeutung der Entscheidung, sie ganz einzustellen. Diese Entscheidung bedeutet das Ende der multilateralen Abkommen, die für alle gelten. Stattdessen werden zweiseitige Abkommen zwischen einer Reihe von Ländern geschlossen, während andere ausgeschlossen bleiben.

Der Hauptverantwortliche für die Entscheidung waren die USA, unterstützt von den anderen großen Wirtschaftsmächten, u.a. Japan und der Europäischen Union. Unterstützung erhielten sie auch von kleineren Wirtschaftsnationen wie Australien. China und Indien sowie die anderen ärmeren Wirtschaftsmächte waren die Hauptgegner.

Die USA begrüßten die Entscheidung in Nairobi als Beginn einer „neuen Ära für die WTO“. Indien, das sich am stärksten für ein Festhalten am Rahmenabkommen von Doha eingesetzt hatte, erklärte, ohne Namen zu nennen: „Dass einige Mitglieder“ seine Fortführung verhindert haben, sei ein „deutliches Abrücken vom fundamentalen Prinzip der WTO, Entscheidungen auf der Grundlage von Konsens zu treffen.“

Die Abschlusserklärung der Verhandlungsrunde gab das Ableben von Doha mit leisen Tönen bekannt: „Viele Mitglieder bestätigen das Doha-Mandat erneut“, andere tun es nicht, und Mitglieder haben „unterschiedliche Ansichten darüber, wie die Verhandlungen ablaufen sollten.“ Einige wollten andere Themen diskutieren und identifizieren, „andere wollen es nicht.“

Die Bedeutung des Zusammenbruchs lässt sich nur erfassen, wenn man ihn in seinem historischen Kontext betrachtet. Die WTO wurde 1995 als Nachfolger des 1948 gegründeten Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) gegründet. GATT war nach dem Krieg mit dem erklärten Ziel geschaffen worden, eine Wiederholung der 1930er Jahre zu verhindern. Damals war die Welt durch konkurrierende Handelsblöcke polarisiert, die die Ausgangslage für den Zweiten Weltkrieg schufen.

GATT basierte auf dem Prinzip, dass Handelszugeständnisse multilateral gelten sollten, und dass die Entscheidungen eines Landes nicht selektiv für ein einzelnes Land oder eine bestimmte Gruppe von Ländern gelten sollten, sondern für alle Länder.

Die treibende Kraft hinter dem GATT-Abkommen waren die USA. Ihr Engagement für „Freihandel“ hatte nichts mit hehren Prinzipien zu tun, sondern basierte auf den Lehren der 1930er Jahre, die da lautete: Die Ausdehnung des amerikanischen Kapitalismus erfordert eine Welt ohne Handelsschranken. Genau wie der britische Kapitalismus, der im neunzehnten Jahrhundert, als er die dominierende Wirtschaftsmacht der Welt war, die Doktrin des Freihandels vertrat, basierte auch die Haltung der USA auf ihrer überwältigenden wirtschaftlichen Überlegenheit. In der unmittelbaren Nachkriegszeit waren die USA für schätzungsweise 50 Prozent der weltweiten Industrieproduktion verantwortlich.

Das GATT war Teil eines internationalen wirtschaftlichen Rahmens, der die Bedingungen für die Expansion des Weltkapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen hat. Doch diese Expansion enthielt einen tiefgreifenden Widerspruch. Die Ausdehnung des Weltmarktes und der Aufstieg anderer, alter und neuer kapitalistischer Mächte war zwar notwendig für die wirtschaftliche Entwicklung der USA, schuf aber gleichzeitig konkurrierende Mächte und untergrub damit in wachsendem Maße die wirtschaftliche Dominanz der USA.

Der erste explosive Ausdruck dieses Widerspruchs kam im Jahr 1971, als die USA beschlossen, das 1944 gegründete Bretton Woods-Währungsabkommen abzuschaffen, indem sie die Golddeckung des US-Dollars abschafften. Jetzt haben die USA die zentrale Rolle bei der Abschaffung des Prinzips des Multilateralismus in Handelsverhandlungen gespielt.

Der Grund für die Entscheidung war nicht nur das Scheitern der Verhandlungen in Doha. Sie ist auch ein Ausdruck tieferer Prozesse. Einige dieser Punkte wurden eine Woche vor den Gesprächen in Nairobi von dem amerikanischen handelspolitischen Chefunterhändler Michael Froman in einem Kommentar in der Financial Times angesprochen.

Er schrieb, die Doha-Runde habe keine Ergebnisse geliefert, daher sei es Zeit, dass sich die Welt von ihren „Einengungen“ befreit. Bilaterale Abkommen funktionierten; regionale Abkommen funktionierten; nur Multilateralismus, der Versuch, globale Abkommen zu erzielen, sei „gescheitert.“

Diesen Zeilen lag eine eindeutige Agenda zugrunde, die Froman vor einem Jahr in einem Artikel in der November/Dezember-Ausgabe des führenden amerikanischen Außenpolitikmagazins Foreign Affairs klar und deutlich formuliert hatte.

Er wies darauf hin, dass das Welthandelssystem, das nach dem Krieg entstanden war und von amerikanischen Politikern maßgeblich beeinflusst wurde, fast 70 Jahre lang „Arbeitsplätze an Amerikas Küsten und Frieden und Wohlstand in die ganze Welt gebracht hat.“ Doch in den letzten Jahren gab es „tektonische Verschiebungen“ in der Weltwirtschaft, wegen denen sich diese Architektur ändern müsse. Daraus ergibt sich sofort die Frage: Warum?

Froman gibt folgende Antwort: „Washington ist bei der Entwicklung seiner Handelspolitik mit beispiellosen Beschränkungen konfrontiert. Die Vereinigten Staaten haben keine so beherrschende Stellung in der Weltwirtschaft mehr wie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Daher müssen sie Handelskoalitionen aufbauen, die bereit sind, gemeinsame Positionen zu finden.“

Die beiden wichtigsten Handelskoalitionen sind die zwölköpfige Transpazifische Partnerschaft (TPP), die Anfang Oktober formell gegründet wurde, und die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), die die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Europa abdeckt. Diese Abkommen weisen die Prinzipien des Multilateralismus zurück und bieten stattdessen nur denjenigen Nationen Zugeständnisse und verbesserten Zugang zu den amerikanischen Märkten an, die den Forderungen der USA schriftlich zustimmen. Wie Froman in seinem Foreign Affairs-Artikel deutlich machte, ist es das Ziel dieser Abkommen, die USA zum Zentrum eines Netzes von Abkommen zu machen, das ihnen uneingeschränkten Zugang zu fast zwei Dritteln der Weltwirtschaft gibt.

Mit anderen Worten, die USA versuchen, die überwältigende wirtschaftliche Vormachtstellung, die sie früher durch das System des Multilateralismus hatten, mit anderen Mitteln zurückzugewinnen. Und zu diesen Mitteln gehört eine Rückkehr zur Bildung von Handelsblöcken, wie es sie in den 1930ern gab. Damals hatten sie verheerende Folgen und waren ein wichtiger Schritt auf dem Weg in den Zweiten Weltkrieg.

Natürlich unterscheidet sich die heutige Situation erheblich von derjenigen der 1930er Jahre, und die ausschließenden Abkommen von heute werden nicht die gleiche Form annehmen wie vor 80 Jahren. Doch der reaktionäre und militaristische Inhalt ist der gleiche. Das machte Froman in seinem Artikel deutlich, in dem er auf die „strategische Logik des Handels“ und seine wichtige Rolle als Mittel zur Messung und Ausübung der Macht eines Landes hinwies.

Diese stillschweigend militaristische und aggressive Agenda findet ihren konkreten Ausdruck in der TPP, die Froman ausdrücklich als den Weg vorwärts bezeichnete. Sie wurde zutreffend als der wirtschaftliche Arm des „Pivot to Asia“ der Obama-Regierung beschrieben, einer Strategie zur Festigung der militärischen und strategischen Dominanz der USA und zur Unterwerfung Chinas. Dieser Kurs wird zum Krieg führen.

Das globale Wachstum der Produktivkräfte, das durch Freihandel und Multilateralismus gefördert wurde, hat die Intensität des Widerspruchs zwischen der Weltwirtschaft und dem Nationalstaatensystem, auf dem das Profitsystem basiert, auf einen neuen Höhepunkt getrieben. Sämtliche kapitalistischen Großmächte, allen voran die USA, wollen diesen Widerspruch in ihrem eigenen Interesse lösen, indem sie versuchen, ihre eigene wirtschaftliche und militärische Macht zu erhöhen und sich ihren „Platz an der Sonne“ zu sichern. Damit fördern sie die Bedingungen für Krieg genauso wie der wirtschaftliche Exklusionismus in den 1930er Jahren.

Die einzige fortschrittliche Grundlage, auf der sich dieser Widerspruch lösen lässt, ist der Kampf der Arbeiterklasse für die sozialistische Weltrevolution und die Abschaffung des veralteten Profit- und Nationalstaatensystems, damit die global entwickelten Produktivkräfte zur Erfüllung der Bedürfnisse der Menschheit genutzt werden können.

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