Israels tödliche Politik gegen die Palästinenser

Israels Einsatz von scharfer Munition und seine Politik der gezielten Tötungen hat seit Anfang Oktober mindestens 146 palästinensische Todesopfer und Tausende Verletzte gefordert.

Dieses rücksichtslose und kriminelle Vorgehen ist Teil von Israels Expansionsplänen. Die palästinensische Autonomiebehörde soll zu Fall gebracht, die besetzte West Bank in mehrere Bezirke aufgeteilt und unter Israels direkte Kontrolle gebracht und die Zahl der in Ostjerusalem lebenden Palästinenser verringert werden.

Etwa 46 Palästinenser sind bei Demonstrationen und Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften getötet worden. Sie starben durch einen einzigen Schuss in den Kopf oder in die Brust, ein klares Zeichen für eine Politik des gezielten Tötens.

Hinzu kommen mehr als 90 getötete, mutmaßlich palästinensiche Angreifer, denen die Sicherheitsbehörden 21 tödliche und weitere Attacken mit Messern, Steinwürfen, Schüssen und Autos gegen jüdische Israelis zur Last legen. Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums zufolge wurden weitere 1887 Palästinenser durch scharfe Munition und 3105 durch Gummigeschosse verwundet. Weitere 10.000 mussten wegen Verletzungen der Atemwege durch Tränengas behandelt werden.

Ein hochrangiger Vertreter der israelischen Armee äußerte gegenüber der Washington Post, dass die meisten der bei den jüngsten Zusammenstößen getöteten Palästinenser durch M-16-Gewehre und andere Waffen starben. M-16-Gewehre sind automatische Schnellfeuer-Sturmgewehre mit 30-Patronen-Magazinen und haben eine Reichweite von 600 Metern.

Diese Aussage kommt dem Eingeständnis gleich, dass Israel eine Politik der gezielten Tötung verfolgt.

Nur drei Palästinenser starben durch Patronen vom Kaliber 22, auch unter der Bezeichnung „two-twos“ bekannt, die nach Angaben israelischer Militärs weniger gefährlich sind. Ein Sprecher der israelischen Armee sagte, die „two-twos” seien gut geeignet, eine Menschenmenge zu zerstreuen.” Mit diesen Patronen wird oft Leuten in die Beine geschossen, die israelische Soldaten für „Anstifter” gewalttätiger Demonstrationen halten, sowie auf Angreifer, deren Attacken keine Lebensgefahr darstellen.

Bei einer Demonstration am Militärkontrollpunkt Huwara südlich von Nablus wurden nach Angaben der israelischen Menschenrechtsgruppe B’Tselem 72 Palästinenser verwundet, davon 68 durch scharfe Munition und vier durch Gummigeschosse.

Die israelische Gefangenenhilfsorganisation Addameer berichtet, dass israelisches Militär und die Polizei wiederholt sofort tödliche Waffen gegen Palästinenser einsetzten, ohne erst zu Verhaftungen zu greifen und Warnungen auszusprechen.

Augenzeugenberichte und Videoaufnahmen zeigen, dass von Vielen, die bei versuchten Messerattacken getötet wurden, keine Gefahr mehr ausging. Das Völkerrecht erlaubt den Einsatz tödlicher Gewalt nur, wenn der Verdächtige eine ernste Bedrohung darstellt. Im anderen Fall kommt die Tötung einer außergerichtlichen Hinrichtung gleich, die das Recht auf Leben gemäß den Menschenrechtsnormen verletzt und gegen die Vierte Genfer Konvention verstößt, was nach dem Römischen Statut ein Kriegsverbrechen darstellt.

Israel hat seit dem Oktober 2015 mehr als 2663 Palästinenser verhaftet, von denen 620 aus dem besetzten Ostjerusalem kommen. Die Zahl der politischen Gefangenen und Häftlinge beläuft sich jetzt auf 6800. Unter ihnen befinden sich mehr als 470 Kinder, 60 weibliche Gefangene und fünf Mitglieder des Palästinensischen Legislativrats, außerdem 600 Administrativhäftlinge, die ohne Verfahren unbegrenzt festgehalten werden können. Deren Zahl hat sich seit Anfang Oktober verdoppelt.

Addameer behauptet, Israel habe Dutzende Palästinenser verhaftet, weil es ihnen „Aufwiegelung“ über die sozialen Medien vorwirft. Viele von ihnen seien in Verwaltungshaft genommen worden. Israelische Sicherheitskräfte haben es auf palästinensische Menschenrechtler und Journalisten abgesehen. Seit Oktober hat Israel fünf Palästinenser aus Jerusalem ausgewiesen. Diese Zahl wird wohl zunehmen, weil Israel das Ziel verfolgt, Jerusalem von Palästinensern zu säubern.

Die Sicherheitskräfte greifen immer öfter zum völkerrechtswidrigen Mittel der kollektiven Bestrafung. Sie haben 26 Häuser von Palästinensern, denen versuchte Anschläge gegen Israel vorgeworfen werden, zerstört, zugemauert oder den Zutritt gesperrt. Sie halten die Leichen von vielen getöteten Palästinensern zurück, die nach mutmaßlichen Angriffen getötet wurden. Ihre Familien werden durch Verhaftungen und wiederholte Hausdurchsuchungen drangsaliert.

Diese Strafmaßnahmen erhöhen zwangsläufig die Spannungen in der West Bank.

Die aktuellen Unruhen wurden letzten Sommer von rechten zionistischen Elementen ausgelöst, die Zutritt zum Gelände der Al-Aksa-Moschee forderten und von Sicherheitskräften unterstützt wurden. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit Palästinensern, deren Zugang zur Moschee immer stärker eingeschränkt wird. Der Hauptgrund für den Widerstand der Palästinenser ist aber die wachsende Gewalt durch zionistische Siedler und israelische Sicherheitskräfte gegen Palästinenser und ihr Eigentum in der besetzten West Bank.

Jugendliche palästinensische Einzelgänger ohne Organisationszugehörigkeit haben mit Steinen, Schraubenziehern, Messern und Autos 21 Israelis getötet. Der gewaltige Unterschied der Zahl der getöteten Palästinenser pro Israeli, ganz zu schweigen von den Tausenden verwundeter Palästinenser, haben Premierminister Netanjahu oder die Medien nicht davon abgehalten, die Unruhen als das Werk von „Terroristen” und islamistischen Hardlinern darzustellen. Sie rechtfertigen damit Israels Unterdrückung der Palästinenser im Namen des globalen Kriegs gegen den Terror.

Die von den israelischen Sicherheitskräften und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) verhängten Sicherheitsmaßnahmen, die die West Bank die letzten zehn Jahre einigermaßen stabilisiert haben, verlieren ihre Wirksamkeit. Die PA, verrufen wegen Korruption, Vetternwirtschaft und ihrer Dienstfertigkeit gegenüber Israel, ist weitgehend diskreditiert. Ihr Mandat gemäß dem Abkommen von Oslo 1993 sollte 1999 auslaufen.

Die Amtszeit von Präsident Abbas endete 2009. Der 81-jährige hat keinen Nachfolger, der in der Bevölkerung Unterstützung genießt. Seine herrschende Clique in der Fatah, der wichtigsten Partei der palästinensischen Befreiungsorganisation, besteht aus einer Handvoll von Multimillionären, die ihre Kontrolle über die palästinensischen Institutionen mit nackter Gewalt gesichert haben, nachdem 2006 die Hamas gewählt wurde und der Putsch der PLO gegen die Hamas im Gazastreifen 2007 fehlschlug. Die Fatah ist von Fraktionskämpfen zerrissen und ihre Kongresse sind mehrere Male verschoben worden.

Abbas kooperiert vollständig mit den drakonischen Maßnahmen Israels. Er hat:

* die Tanzim, den militärischen Arm der Fatah, daran gehindert, Demonstrationen abzuhalten und Israel entgegenzutreten;

* palästinensische Sicherheitskräfte an Brennpunkten stationiert, wie Rachels Grab in Bethlehem, am Verkehrsknotenpunkt am nördlichen Rand von Ramallah und an der Ortsausfahrt von Tul Karm in der West Bank, um Konfrontationen mit israelischen Soldaten zu verhindern;

* bewaffnete Kämpfer der Hamas in Nablus und Hebron verhaften lassen;

* antiisraelische Äußerungen aus den offiziellen Medien der PA gestrichen und über die Pläne Israels im Zusammenhang mit der Al-Aksa-Moschee weitgehend Stillschweigen bewahrt. Ha’aretz zitierte eine israelische Sicherheitsquelle dahingehend, dass die Zusammenarbeit mit der PA in puncto Sicherheit sich verbessert habe und in den letzten Wochen sogar „außerordentlich gut” gewesen sei.

Das alles hat nicht zur Beruhigung beigetragen und Befürchtungen genährt, die PA könnte im Lauf des Jahres zusammenbrechen.

Die Netanjahu-Regierung hat die Unterstützung Washingtons bei ihrem Vorgehen gegen die Palästinenser. Präsident Obama äußerte sich zustimmend zu den Unterdrückungsmaßnahmen und verurteilte „aufs Schärfste die palästinensische Gewalt” und betonte gleichzeitig seine „feste Überzeugung, dass Israel nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, sich zu schützen.”

Man erwartet, dass Washington seine jährliche Militärhilfe für Israel über die nächsten zehn Jahre auf möglicherweise bis zu 5 Milliarden Dollar aufstockt. Einem Bericht des amerikanischen Army War College’s Strategic Studies Institute vom Januar 2015 zufolge ist dies vor allem dadurch motiviert, dass die USA ihre wichtigsten Verbündeten im östlichen Mittelmeer, vor allem Israel, mit „amerikanischer Sicherheitstechnologie und militärischer Unterstützung” versorgen müssen, um den Zugang zu kürzlich entdeckten riesigen regionalen Öl- und Gasvorkommen zu garantieren.

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