Vierte Wahlveranstaltung der IYSSE an der Humboldt-Universität

Der Kampf gegen Krieg und die Lehren der Geschichte

Am vergangenen Mittwoch fand eine weitere, sehr erfolgreiche Veranstaltung der Hochschulgruppe der International Youth and Students for Social Equality an der Humboldt-Universität Berlin statt. Es war bereits die vierte Veranstaltung im Wahlkampf der IYSSE zum Studierendenparlament.

Nachdem in früheren Versammlungen über die Rolle der Professoren Münkler und Baberowski und ihre Unterstützung von Polizeistaat und Krieg gesprochen worden war, lautete das Thema am vergangenen Mittwoch: „Der historische Kampf der sozialistischen Bewegung gegen Krieg“.

Die Veranstaltung der IYSSE

Als Redner hatten die IYSSE den Vorsitzenden der PSG, Ulrich Rippert eingeladen. Er begann mit den Worten: „Die Lehren der Geschichte, über die wir heute Abend diskutieren wollen, haben große Aktualität und Dringlichkeit. Wir erleben gegenwärtig eine dramatische Veränderung der politischen Situation. Die Wiederkehr von Militarismus und Krieg, die Beteiligung der Bundeswehr an den Kriegen in Syrien, in Mali und verstärkt wieder in Afghanistan werden mit großer Energie und Geschwindigkeit vorangetrieben. Wie vor hundert Jahren, am Vorabend des Ersten und auch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, ist das mit einer hemmungslosen Propagandakampagne verbunden.“

Dann schilderte Rippert, wie die Medien und die Parteien die Ereignisse der Neujahrnacht am Kölner Hauptbahnhof aufbauschen und ausnützen, um eine hysterische, rassistische Kampagne gegen Immigranten und Muslime zu schüren. „Siebzig Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs bedienen sie sich wieder rassistischer Vorurteile und beschwören schamlos das Bild vom dunkelhäutigen ‘Untermenschen’, der Jagd auf deutsche Frauen macht“, sagte er und zeigte drei Bilder, die die Ähnlichkeit heutiger Karikaturen mit denen der Nazis zeigten.

Titelblätter von Süddeutscher Zeitung und Focus und eine Nazi-Karikatur

Er betonte, dass dies nicht Ausdruck einer Stimmung in der Bevölkerung, sondern das Ergebnis einer gezielten Kampagne von oben, von der herrschenden „Elite“ sei. Sie stehe in direktem Zusammenhang mit der Kriegsentwicklung und verfolge mehrere Ziele. Sie diene dazu, die reaktionärsten politischen Kräfte zu mobilisieren und die deutsche Kriegsbeteiligung im Nahen Osten und in Afrika zu legitimieren. Der Ruf nach mehr Polizei, Geheimdienst und Überwachung sei auf den Aufbau eines Polizeistaats ausgerichtet.

Im Verlauf seines Beitrags kam Rippert mehrmals auf diese Frage zurück. „Die rassistische Hetze in den Medien und der Ruf nach mehr Polizei und mehr Soldaten gibt einen Vorgeschmack auf das, was hier kommt“, erklärte er. Dann schilderte er die rassistische Kampagne zu Beginn des Ersten Weltkriegs, die sich damals gegen den „russischen Untermenschen“ richtete.

Er zitierte aus einer Propagandaschrift aus dem Ersten Weltkrieg, die „den Russen als versoffenes, tierisches Wesen darstellt, dumm und plump, stupsnasig, meist mit Fellmütze und Wodkaflasche“. In einem populären Geschichtsbuch der damaligen Zeit hieß es: „In die Lehmhütte des Leibeigenen drang nie ein Strahl der Aufklärung oder der Zivilisation; er lebte, rohem Sinnesgenusse, namentlich dem Branntwein ergeben, stumpf dahin; aus seiner tierischen Existenz nur geschreckt durch barbarische Strafen des Gutsherrn...“

Ganz ähnlich wie heute sei damals betont worden, als „Kulturvolk“ habe Deutschland die Aufgabe, die „Werte der Aufklärung“, der „deutschen Kultur und Zivilisation“, die „Werte von Demokratie und Freiheit“ zu verteidigen. Unter diesem starken ideologischen Druck sei die SPD, in der sich schon zuvor eine starke nationalistische und opportunistische Strömung entwickelt habe, zusammengebrochen. Am 4. August 1914 habe sie im Reichstag den Kriegskrediten des Kaisers zugestimmt und den Krieg unterstützt.

Rippert schilderte, wie der „Kampf zur Verteidigung der deutschen Kultur und Zivilisation“ dann aussah, anhand der Zerstörung der belgischen Stadt Löwen durch deutsche Truppen im ersten Kriegsmonat. Dabei wurde unter anderem die weltberühmte Universitätsbibliothek mit unschätzbar wertvollen Hand- und Frühschriften zerstört.

Dann zitierte der den „Aufruf an die Kulturwelt“, den viele Professoren der Friedrich-Wilhelms-Universität, wie die Humboldt-Universität damals hieß, mit ausgearbeitet hatten. Er endet mit den Worten: „Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur längst vom Erdboden getilgt… Deutsches Heer und deutsches Volk sind eins.“

Rippert fragte: „Hört ihr Joachim Gauck, der bei jeder Gelegenheit betont, die Bundeswehr müsse stärker in die Mitte der Gesellschaft rücken. Es müsse mehr Respekt und mehr Anerkennung gegenüber der deutschen Armee geben.“

Am Schluss seiner Rede sprach Rippert über die Bedeutung der Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, „Sozialismus und der Kampf gegen imperialistischen Krieg“, die im Sommer 2014 verabschiedet worden war. Darin heißt es:

„Die Ursache für die zwei Weltkriege des 20. Jahrhunderts lag im Widerspruch zwischen der Weltwirtschaft und dem historisch überholten Nationalstaatensystem… Zugleich erzeugen dieselben Widersprüche, die den Imperialismus an den Rand des Abgrunds treiben, die objektiven Triebkräfte für die soziale Revolution… Es kann keinen Kampf für Sozialismus ohne Kampf gegen Krieg geben, und umgekehrt keinen Kampf gegen Krieg ohne Kampf für Sozialismus.“

Im Anschluss sprach Sven Wurm, Sprecher der IYSSE-Hochschulgruppe an der HU. Auch er ging auf die Bedeutung der Hetzkampagne gegen Ausländer ein. Das Wort Ausländer werde gegenwärtig in den Medien meist mit dem Wort „kriminell“ in Zusammenhang gebracht. Wurm berichtete, dass kurz vor Beginn der Veranstaltung CDU-Generalsekretär Peter Tauber eine Rede im Bundestag gehalten habe, in der er forderte, jeden Tag tausend Ausländer abzuschieben.

Im vergangenen Jahr seien insgesamt etwa 18.000 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben worden, sagte Wurm. Taubers Forderung würde das Zwanzigfache bedeuten. „Das kann man nur als Massendeportation bezeichnen“, rief er und fügte sarkastisch hinzu: „Da können sie dann auch gleich wieder die Viehwaggons auf die Gleise stellen, mit denen die Juden in die Vernichtungslager verfrachtet wurden.“

Wurm betonte, dass der Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung direkt mit dem politischen und theoretischen Kampf gegen die Geschichtsfälschungen verbunden sei, „die hier an unserer Universität von Herfried Münkler und Jörg Baberowski verbreitet werden“. Daher sei der Aufbau der IYSSE und die Wahl zum Studierenden-Parlament von so großer Bedeutung.

Im Anschluss an die beiden Beiträge entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Eine längere Debatte gab es über den Unterschied zwischen einer sozialistischen und einer pazifistischen Opposition gegen Krieg.

Beide Vorträge waren auf die Rolle des Pazifismus eingegangen. Im Unterschied zum Marxisten, der zwischen imperialistischem Krieg und Befreiungskrieg unterscheidet und versteht, dass die Ursache von imperialistischen Kriegen in den objektiven Widersprüchen der Gesellschaft liegt, betrachtet der Pazifist Gewalt und Krieg rein subjektiv. Er versucht, durch Appelle an Vernunft und Humanität alle friedliebenden Menschen zu vereinen. Das ist zum Scheitern verurteilt und hat zur Folge, dass Pazifisten am Vorabend von Krieg regelmäßig auf die Seite der Militaristen umschwenken.

Ein gutes Beispiel für die Verwandlung von Pazifisten zu Militaristen seien die Grünen, wurde in der Diskussion betont. „Sie haben sich aus der Friedensbewegung der 1980er Jahre entwickelt und können es heute kaum erwarten, die Bundeswehr in immer neue und immer umfassendere Kriegseinsätze zu schicken. Die Farbe Grün stand früher für Umweltschutz. Heute steht sie für Uniform“, sagte ein Diskussionsteilnehmer.

Viele weitere Fragen über eine sozialistische Perspektive im Kampf gegen Krieg konnten nur angesprochen werden. Die Diskussion darüber soll auf künftigen Veranstaltungen fortgesetzt werden.

Mehrere Studierende nahmen sich Flyer und Plakate mit, um unter Kommilitonen und Freunden auf die nächste Veranstaltung aufmerksam zu machen und für die Wahl der IYSSE zu werben. Die abschließende Wahlveranstaltung, an der auch internationale Vertreter der IYSSE teilnehmen werden, findet am Montag den 18. Januar um 18:30 Uhr im HU-Hauptgebäude (Hörsaal 2002) statt.

Das Studierendenparlament wird an den folgenden beiden Tagen, dem 19. und 20. Januar, gewählt.

Loading