Massenproteste gegen Rentenreform in Griechenland

In Griechenland protestieren immer mehr Berufsgruppen gegen die geplanten Rentenkürzungen der Syriza-Regierung. Seeleute bestreikten den Fährverkehr, Ärzte und Anwälte demonstrierten auf dem Syntagma-Platz und Landwirte legen seit Tagen immer wieder wichtige Verkehrsknoten lahm.

Die Proteste der Bauern haben sich stark ausgeweitet. Bis zu 6.000 Trecker sollen an den Rändern wichtiger Verkehrsstraßen geparkt sein. Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag lenkten Landwirte die Fahrzeuge immer wieder für einige Stunden auf die Fahrbahnen und blockierten so den Verkehr. Allein 1.300 Trecker sollen in Promachone an der Grenze zu Bulgarien bereitstehen.

Am Mittwoch demonstrierten etwa 2.000 Landwirte vor einem Gebäude der Regionalverwaltung in Komotini, in dem sich Landwirtschaftsminister Vangelis Apostolou befand. Sie forderten eine Unterredung mit dem Minister, was dieser aber ablehnte. Stattdessen ging die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vor.

Die Proteste der Landwirte sind von Verzweiflung und Wut geprägt. Der Guardian sprach mit einem der protestierenden Landwirte, der schon im November versucht hatte, das Parlament zu stürmen, als Syriza ihre Pläne für Rentenkürzungen angekündigt hatte. Er habe schon jetzt Probleme, seine drei Kinder durchzubringen, sagte er. Im September habe er Syriza gewählt, weil er dachte, die Partei sei die große Hoffnung für das Land. „Jetzt will ich nichts mehr von ihnen hören.“

Ein anderer Landwirt hält von keiner Partei mehr irgendetwas. „Wenn die Politiker uns weiter in die Ecke treiben und uns erniedrigen, gehen wir nach Athen und brennen sie nieder.“ Gespräche von Gewerkschaftern mit Arbeitsminister Giorgos Katroungalos blieben am Freitag ergebnislos und die Landwirte kündigten an, ihre Proteste fortzusetzen.

Am Mittwoch und Donnerstag befanden sich zudem die Seeleute im Streik und legten nahezu den gesamten Fährverkehr lahm. Am Donnerstag marschierten die Seeleute zum Schifffahrtsministerium, dessen Mitarbeiter sich ebenfalls im Streik befinden. Die zuständige Gewerkschaft PNO kündigte den nächsten 48-stündigen Streik für den 27. und 28. Januar an.

Am letzten Wochenende hatten die Gewerkschaften des öffentlichen Sektors und der Privatwirtschaft bereits zu einer Demonstration vor dem Parlament aufgerufen, an der etwa 5.000 Menschen teilnahmen.

Neben den Landwirten, Arbeitern und Seeleuten gingen am Donnerstag auch Ärzte, Anwälte, Apotheker und andere Selbstständige auf die Straße, um gegen die Rentenreform zu demonstrieren. Etwa 4.000, meist gut gekleidete Personen versammelten sich auf dem Syntagma-Platz.

Regierungschef Alexis Tsipras ließ keinen Zweifel daran, dass er die brutale Rentenreform in jedem Fall gegen die Wut und Verzweiflung der Menschen durchsetzen will. Beim Treffen der Wirtschaftseliten in Davos versicherte er seinen Geldgebern, dass er die Reformen wie geplant durchführen werde.

Die Pläne sehen die Kürzungen zukünftiger Renten um bis zu 30 Prozent vor. Geschützt ist lediglich eine Mindestrente von monatlich 384 Euro. Zudem sollen die Beiträge zur Rentenkasse teilweise extrem angehoben werden. So müssen Landwirte zukünftig 20 statt bisher sieben Prozent ihres Einkommens abführen. Die Sozialversicherung soll sowohl für Arbeitgeber, als auch für Arbeitnehmer steigen. Einige Selbstständige müssen mit Beitragserhöhungen um mehr als einhundert Prozent rechnen.

Die massiven Kürzungen bei den Renten sind ein fundamentaler Angriff auf die Lebensbedingungen von Millionen Griechen, denn von den mageren Renten müssen schon heute oft ganze Familien leben, weil die Arbeitslosigkeit mit 24 Prozent nach wie vor extrem hoch ist.

Es handelt sich bei der Reform um die zwölfte Rentenkürzung, die Griechenland von den Geldgebern seit 2010 diktiert wurde. Die durchschnittlichen Renten sind in dieser Zeit von 1355 auf heute 833 Euro pro Monat gesunken.

Im Gegenzug zu erneuten Kürzungen soll Griechenland wieder einmal eine kleine Tranche an Krediten von Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU über 5,7 Milliarden Euro erhalten. Es ist allerdings noch nicht sicher, ob die Geldgeber die angestrebten Maßnahmen für ausreichend erachten oder noch tiefere Einschnitte fordern.

Auf dem Treffen der Wirtschaftselite in Davos machten Vertreter der Geldgeber deutlich, dass ihnen Beitragserhöhungen und die Kürzung zukünftiger Renten nicht ausreichen. Sie fordern weitere Angriffe auf die derzeitigen Rentner.

Am Rande des Treffens traf sich Tsipras am Donnerstag mit IWF-Chefin Christine Lagarde. Das Treffen sei „herzlich“ gewesen, hieß es anschließend von griechischer Seite. Auch Lagarde habe betont, dass Griechenland noch weitere Kürzungen vornehmen müsse, damit über einen Schuldenschnitt gesprochen werden könne.

Es steht außer Frage, dass die Syriza-Regierung umsetzen wird, was immer ihr die Vertreter von EU und IWF auftragen. Das hat sie in der Vergangenheit mehr als deutlich gemacht. Seit die Partei im September wiedergewählt worden war, setzte sie im Takt von ein bis zwei Wochen neue Kürzungen und Privatisierungen gegen den Widerstand der Bevölkerung durch.

Noch im September erhöhte die neue Regierung die Mehrwertsteuer für zahlreiche Güter der Grundversorgung und traf damit die Ärmsten der Armen. Im Oktober beschloss das Parlament die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre und setzte damit bereits die erste Rentenkürzung durch.

Am 6. November wurden weitere Steuern erhöht. So müssen die Landwirte seither 200 statt vorher 66 Euro Steuern pro Tonne Diesel bezahlen. Am 19. des gleichen Monats erlaubte die Syriza-Regierung die Pfändung von überschuldeten Wohnhäusern, um die finanzielle Situation der Banken zu verbessern.

Am 6. Dezember hat die Regierungsmehrheit im Parlament schließlich den Haushalt für 2016 beschlossen, der 5,7 Milliarden Euro Kürzungen vorsieht. Mitte des Monats wurde grünes Licht für die Privatisierung der Regionalflughäfen gegeben, die sich der deutsche Konzern Fraport unter den Nagel gerissen hat.

Diese Bilanz ist eindeutig. Syriza ist gewillt, trotz der breiten Opposition dagegen auch die Rentenkürzungen umzusetzen. In diesem Vorhaben wird sie von den großen Gewerkschaftsverbänden ADEDY und GSEE unterstützt. Diese setzen alles daran, die massiven Proteste, die aufbrechen, in harmlose Kanäle zu lenken.

Für den 4. Februar haben die Verbände zu einem „Generalstreik“ ausgerufen. Solche begrenzten Aktionen hatten die Gewerkschaften schon früher genutzt, um Dampf abzulassen und Arbeiter zu demobilisieren. Sie waren die Begleitmusik zu den Kürzungsorgien.

Die ADEDY- und GSEE-Funktionäre rekrutierten sich schon früher aus den Regierungsparteien Nea Dimokratia (ND) und Pasok und unterstützten deren Politik. Heute haben sie enge Verbindungen zu Syriza und spielen für sie die gleiche Rolle.

Der einzige Weg, das EU-Diktat zurückzuweisen, ist eine schonungslose Abrechnung mit Syriza, den Gewerkschaften und ihren pseudolinken Anhängseln.

Loading