Mann Mobilia XXXL: Arbeitsgericht weist Betriebsrats-Klage zurück

In einem Eilverfahren vor dem Mannheimer Arbeitsgericht erlitt der Betriebsrat der ausgesperrten Belegschaft von Mann Mobilia XXXL am 16. Februar eine Niederlage. Am ersten Februar waren in Mannheim 99 Auftragssachbearbeiter des XXXL-Zentrallagers ohne Vorwarnung ausgesperrt worden. Gleichzeitig hatte ihnen die Würzburger Geschäftsleitung ihre sofortige „Freistellung“ von der Arbeit und umgehende Kündigung mitgeteilt.

Der Betriebsrat und die Gewerkschaft Ver.di reagierten darauf, indem sie vor das Arbeitsgericht zogen und eine einstweilige Verfügung gegen die Aussperrung beantragten. Sie begründeten dies damit, dass die Geschäftsleitung den Betriebsrat über Stellenabbau und Betriebsänderung im Voraus hätte informieren müssen.

Dies wies Arbeitsrichter Holger Willer am Dienstag zurück. Er argumentierte, es sei „umstritten“, ob das Recht des Betriebsrats auf Beteiligung an der Betriebsänderung überhaupt verletzt worden sei. Ein solcher Anspruch sei „gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen“. Der Richter räumte ein, zwar befürworteten viele Gerichte den Anspruch des Betriebsrates, aber: „Von andern Gerichten hingegen wird ein solcher Unterlassungsanspruch abgelehnt.“ Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts liege bisher nicht vor.

Diese Entscheidung ist Ausdruck einer Veränderungen in den Klassenbeziehungen. Der Richter gibt einer Konzernleitung Recht, die elementare Grundlagen des Betriebsverfassungsgesetzes mit Füßen tritt.

Unter BetrVG §111 wird zu „Betriebsänderungen“ klar festgelegt: „In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten.“

Das Betriebsverfassungsgesetz ist seit über sechzig Jahren ein Pfeiler der engen Klassenzusammenarbeit zwischen deutscher Bourgeoisie und Gewerkschaftsbürokratie. Das jüngste Urteil zeigt, dass Teile der Unternehmerseite es in wachsendem Maße in Frage stellen.

Die Betriebsräte und Ver.di-Funktionäre weigern sich, einen ernsthaften Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu führen. Sie beschränken ihre Taktik (neben zahnlosen Konsumentenprotesten) auf Gerichtsverhandlungen mit dem Ziel, ihr Recht auf Mitbestimmung juristisch bestätigen zu lassen. So teilte Verdi-Sekretär Stephan Weis-Will am Donnerstag mit, dass jetzt weitere Rechtsmittel beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingelegt werden sollen.

Während Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre sich nun lautstark über die Unternehmensentscheidung empören, wussten sie offensichtlich frühzeitig über Umstrukturierungspläne Bescheid. Die Betriebsleitung hat wiederholt erklärt, man habe zwar nicht die Arbeiter, wohl aber die Arbeitnehmervertretung im Vorfeld über die geplante Umstrukturierung informiert.

Im Bericht des Arbeitsgerichts Mannheim über das Eilverfahren heißt es: „Gegenstand der Verhandlung war zunächst die Frage, ob die Betriebsvereinbarung vom 25.04.2014 zur Verlängerung der Standortgarantie Grundlage für den Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung einer möglichen Betriebsänderung sein kann.“ Das Gericht bezeichnet das als „problematisch“, weil diese Betriebsvereinbarung auf einen „Dienstleistung- und Nutzungsüberlassungsvertrag“ Bezug nehme, der am 26.01.2016 durch den Auftraggeber „zumindest formal fristlos gekündigt“ worden sei.

Gewerkschaft und Betriebsrat kannten diesen Sachverhalt und wissen sehr gut, dass die juristischen Möglichkeiten beschränkt sind. Sie bieten sich als zuverlässiger Juniorpartner des Managements an und signalisieren Kompromissbereitschaft. Dadurch ermutigen sie die Unternehmensleitung zu immer brutaleren Angriffen. Die Geschäftsführung in der Würzburger XXXL-Zentrale hält sich immer weniger an Recht und Gesetz. Dies bestätigen viele Kommentatoren und Arbeitsrechts-Experten.

So sagte der Arbeitsrechtler Michael Eckert dem Südwestrundfunk, er halte es nicht für zulässig, „dass man auf einmal über neunzig Leute freistellt, weil sich die Personalpläne des Unternehmens geändert haben“. Jeder Arbeiter habe „neben Anspruch auf Bezahlung auch einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung. Da kann man nicht einfach so sagen, dann geht mal nach Hause.“

Der illegale Überraschungscoup vom ersten Februar zeigt deutlich, dass die Geschäftsleitung ohne Rücksicht auf Verluste vorgeht, um den gesamten Betriebsablauf, Kundenservice, Logistik und Auftragssachbearbeitung ausschließlich auf den Konkurrenzkampf am globalen Möbelmarkt auszurichten.

Die Würzburger Zentrale ließ die Beschäftigten in Mannheim durch Sicherheitspersonal am Betreten des Betriebes hindern und versuchte gleichzeitig, die Arbeiter öffentlich in Misskredit zu bringen. Über die Medien ließ sie verbreiten, die Zustände in der Abteilung seien ineffizient und unhaltbar gewesen und hätten dazu geführt, dass das Weihnachtsgeschäft tausendfach verschlampt worden sei. Dann wieder erklärte die Geschäftsführung, sie habe die Belegschaft bewusst nicht vorab über die Pläne informiert, weil die Arbeit sonst liegengeblieben wäre.

Das Urteil von Richter Willer gibt dieser skrupellosen Vorgehensweise Recht. Die Entscheidung des Mannheimer Arbeitsgerichts ist eins von zahlreichen Beispielen, welche die rasche Veränderung in den Klassenbeziehungen in Deutschland und international belegen.

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