Rassismus in Sachsen und politische Heuchelei

Die Medienberichte zum Wochenanfang waren schwer zu ertragen. Die Berichte über rassistische Attacken auf einen Bus mit ankommenden Flüchtlingen in der sächsischen Gemeinde Clausnitz waren abstoßend. Aber noch schlimmer waren der Zynismus und die Heuchelei von Politikern und Kommentatoren.

Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte am Montagmorgen, die Bundesregierung verurteile die fremdenfeindlichen Proteste vor einer Flüchtlingsunterkunft in aller Deutlichkeit. Es sei „zutiefst beschämend“, was in Clausnitz stattgefunden habe. In empörter Pose fragte Merkels Sprecher: „Wie kaltherzig, wie feige muss man sein, um sich vor einem Bus mit Flüchtlingen aufzubauen und zu pöbeln und zu grölen, um den darin sitzenden Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, Angst zu machen?“

Die gespielte Empörung ist widerlich, denn die rassistischen Attacken in Clausnitz und vielen anderen Städten und Gemeinden sind das direkte Ergebnis der ausländerfeindlichen Politik der Bundesregierung.

Man könnte Seibert zurückfragen: „Wie brutal, kaltherzig und verlogen ist eine Regierung, die von sich behauptet, sie sei ‚solidarisch mit Menschen in Not‘ und behandle sie ‚mit Anstand und Mitgefühl‘, aber gleichzeitig das Grundrecht auf Asyl permanent einschränkt, den Familiennachzug abschafft, die EU-Außengrenzen abschottet und Nato-Marineeinheiten in der Ägäis einsetzt, um Flüchtlingsboote abzudrängen?“

Was war in Clausnitz geschehen?

Am Donnerstagabend hatte eine aufgebrachte Gruppe rechter Demonstranten versucht, die Ankunft von etwa 20 Flüchtlingen in einer Asylunterkunft in der sächsischen Gemeinde zu verhindern. „Wir sind das Volk“, grölte der rechte Mob und blockierte den Bus. SpiegelOnline berichtet über ein Amateurvideo, auf dem Sätze zu hören sind wie: „Mal sehen, was hier für Ungeziefer aussteigt!“, „Weg mit dem Gelumpe!“ oder „Asylantengesindel!“.

Im Bus saßen eingeschüchterte und verängstigte Flüchtlinge, die angesichts der bedrohlichen Situation nicht aussteigen wollten. Das Video zeigt dann, wie Polizisten Flüchtlinge gewaltsam zum Aussteigen zwingen. Das Bild von einem weinenden Jungen, der im Polizeigriff aus dem Bus gezerrt wird, machte in Internet die Runde und sorgte für Empörung.

Durch einen Bericht des MDR wurde bekannt, dass der Heimleiter der Asylunterkunft in Clausnitz, Thomas Hetze, ein Mitglied der ausländerfeindlichen AfD ist und bereits mehrmals die Asylpolitik der Bundesregierung öffentlich scharf kritisiert hat. Sein Bruder soll einer der Organisatoren der rassistischen Protestaktion gewesen sein.

Ein zweiter Vorfall ereignete sich in Bautzen. Dort war in der Nacht zum Sonntag ein Feuer in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft ausgebrochen. Während des Brandes versammelten sich nach Polizeiangaben 20 bis 30 Menschen. Einige hätten den Brand „mit abfälligen Bemerkungen und unverhohlener Freude“ kommentiert, sagte ein Polizeisprecher. Mehrere Personen hätten versucht, die Löscharbeiten zu behindern.

Dass sich das Vorgehen der Polizei in Clausnitz nicht gegen die rechten Demonstranten und Schläger richtete, sondern gegen die Flüchtlinge, führte zu heftigen Protesten vor allem in Internet-Foren. Daraufhin organisierte der zuständige Polizeipräsident Uwe Reißmann am Samstag eine Pressekonferenz, auf der er jede Kritik am Verhalten der Polizisten scharf zurückwies.

Der Einsatz von „unmittelbarem Zwang“ gegenüber den Flüchtlingen sei nicht nur gerechtfertigt, sondern „absolut notwendig“ gewesen, betonte Reißmann und gab den Flüchtlingen die Schuld an der Eskalation. Diese hätten aus dem Bus heraus gefilmt und die Menge mit obszönen Gesten provoziert. So hätte sich die Situation „massiv hochgeschaukelt“.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft rechtfertigte den Einsatz. Ziel sei es gewesen, die Flüchtlinge zu deren Schutz in die Unterkunft zu bringen.

Am Sonntag meldete sich dann Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu Wort und verteidigte das Vorgehen der Polizei. De Maizière war von 1999 bis 2005 selbst Mitglied der sächsischen Regierung, zuletzt als Innenminister. In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ sagte er, die Polizei habe „meines Erachtens auch richtig gehandelt, die Menschen aus dem Bus zu bringen. In der Unterkunft waren sie sicher untergebracht. Ich kann Kritik an diesem Polizeieinsatz nicht erkennen.“

Die Ereignisse in Clausnitz sind ein direktes Ergebnis der rechten, ausländerfeindlichen Politik. Seit Monaten trommelt die CSU, Mitglied der Bundesregierung, für ein aggressiveres Vorgehen gegen Flüchtlinge. Sie fordert Obergrenzen und eine de facto Schließung der Grenzen. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) unterstützt diesen rechten Kurs. „Eine faktisch längere unkontrollierte Einreise darf es nicht länger geben“, sagte er beim Landesparteitag der CDU Ende letzten Jahres. Straffällige Asylbewerber müssten schneller abgeschoben werden.

Bundeskanzlerin Merkel lehnt zwar die Schließung der Grenzen im nationalen Alleingang ab, aber auch sie ist für eine drastische Reduzierung der Flüchtlinge und eine beschleunigte Abschiebung. Dabei wird sie von der SPD, den Grünen und der Linkspartei unterstützt. Über Ausländer wird meist nur noch in Verbindung mit dem Wort „kriminell“ gesprochen, und alle Parteien fordern die beschleunigte Abschiebung krimineller Ausländer.

Mitte Januar stimmte die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken, Sahra Wagenknecht, mit den Worten „Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht verwirkt“ in die Hetze gegen Flüchtlinge und den Ruf nach dem starken Staat ein. Lob bekam Wagenknecht bezeichnenderweise sofort von der AfD. „Frau Wagenknecht hat die Situation sehr schön auf den Punkt gebracht“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der rechtsextremen Partei, Alexander Gauland.

Für die Grünen hat Boris Palmer, der Oberbürgermeister von Tübingen, einen deutlich härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik gefordert. In einem Spiegel-Interview sagte er, „die Zeiten für Pippi-Langstrumpf- oder Ponyhof-Politik“ seien vorbei. Es müssten wieder wirkungsvolle Grenzkontrollen und wo nötig auch Grenzzäune errichtet werden.

Es ist diese All-Parteien-Koalition gegen Flüchtlinge, die Wasser auf die Mühlen der Rechten lenkt, rechte Parteien wie die AfD und Pegida stärkt und eine Art Pogromstimmung schafft, wie sie in Clausnitz und Bautzen sichtbar wurde.

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