Perspektive

Krieg und die US-Wahlen 2016

Bei all den endlosen Medienkommentaren, Debatten und Wahlreden der wichtigsten Kandidaten für die US-Präsidentschaft gibt es keinerlei Diskussion über die aktiven Vorbereitungen der herrschenden Klasse auf eine enorme Eskalation der Kriegspolitik nach den Wahlen im November.

Die Wahlen selbst finden unter Bedingungen wachsender militärischer Gewalt überall auf der Welt statt. Im Nahen Osten und in Nordafrika lässt die Obama-Regierung Luftangriffe in Libyen fliegen, und das Nato-Mitglied Türkei und der US-Verbündete Saudi-Arabien erwägen den Einsatz von Bodentruppen in Syrien. Eine führende deutsche Zeitung erklärte kürzlich, dass eine türkische Invasion, die zu einem Konflikt mit den die syrische Regierung unterstützenden russischen Truppen führt, sehr schnell „bedeuten könnte, dass der kalte Krieg [zwischen den USA und Russland] endet und ein heißer beginnt.“

Die Anschuldigungen der USA gegen Russland wegen seiner Rolle in Syrien finden vor dem Hintergrund einer zweijährigen unablässigen Militarisierung Osteuropas statt, angefangen mit dem vom Westen unterstützten Putsch in der Ukraine. Die rechten nationalistischen baltischen Staaten und Polen werden bewaffnet und erhalten praktisch einen Blankoscheck für Aktionen gegen Russland. Sie können sicher sein, dass sie von den USA und der Nato unterstützt werden.

In Ostasien entwickelt die Obama-Regierung im Rahmen ihres „Pivot to Asia“ ein Netzwerk von Militärstützpunkten und Allianzen, um China einzukreisen, während sie gleichzeitig Beijing beschuldigt die Region „zu militarisieren“. Die New York Times rief letzte Woche die USA und ihre Verbündeten dazu auf, auch weiterhin „die freie Schifffahrt sicherzustellen und Schiffe sowie Flugzeuge über das Meer zu schicken.“ Die Zeitung bezog sich damit auf die provokative Politik der Obama-Regierung, Marineschiffe und militärische Flugzeuge durch Hoheitsgewässer und den Luftraum zu schicken, die von China beansprucht werden.

Die Eskalationen der USA weisen unaufhaltsam in Richtung eines Kriegs mit Russland oder China, entweder als Folge bewusster Aktionen des amerikanischen Imperialismus oder als ungeplantes Ergebnis von Washingtons unablässigen Schikanen und Säbelrasseln. Hinter den Kulissen sind die Strategen des amerikanischen Imperialismus beunruhigt darüber, dass das gigantische US-Militär für die vor ihm liegenden Aufgaben nicht riesig genug sein könnte. Gewaltige Mittel sollen in den Zerstörungsapparat fließen und die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird zurzeit ernsthaft erwogen. In den Denkfabriken der herrschenden Klasse und den Büros des Pentagon werden konkrete Kriegspläne ausgearbeitet.

Um zu verhindern, dass die Öffentlichkeit vor den katastrophalen Folgen dieser Vorgänge gewarnt wird und um jede öffentliche Diskussion zu blockieren, versucht die Obama-Regierung eine vollständige militärische Eskalation bis nach den Wahlen hinauszuzögern.

Die amerikanische herrschende Klasse verfügt über eine lange Tradition darin, größere Militäreinsätze kurz nach Wahlen zu beginnen. Woodrow Wilson wurde 1916 mit dem Wahlspruch: „Er hat uns aus dem Krieg herausgehalten“ wiedergewählt. Nur wenige Monate nach seiner zweiten Amtseinführung erklärten die Vereinigten Staaten Deutschland den Krieg.

Franklin Roosevelt führte 1940 seine Wahlkampagne mit dem Versprechen, er werde keine Soldaten in den Zweiten Weltkrieg schicken. Im Dezember 1941 befanden sich die USA jedoch sowohl mit Deutschland als auch mit Japan im Krieg.

Lyndon Johnson war im Wahlkampf von 1964 der „Friedenskandidat“, bevor er kurz nach seiner Amtseinführung die Militäroperationen der USA in Südost-Asien ausweitete. Richard Nixon behauptete 1968, er habe einen Plan, um den Vietnam-Krieg zu beenden. Nach seiner Wahl ließ er Kambodscha bombardieren.

Die Wahlen im Jahr 2000 fanden nur kurze Zeit vor dem Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ statt. Bei den Zwischenwahlen von 2002 einigten sich Demokraten und Republikaner darauf, den bevorstehenden Krieg gegen den Irak aus der Wahlkampagne herauszuhalten. Vier Monate nach den Wahlen im März 2003 befahl Bush die Invasion.

Bei den derzeitigen Wahlen arbeiten das politische Establishment und die Medien noch intensiver zusammen, um die schon laufenden und die zukünftigen Militäroperationen vollständig aus den Diskussionen herauszuhalten.

Bei den Talkshows vom letzten Sonntag, bei denen die republikanischen Kandidaten Donald Trump, Ted Cruz und Marco Rubio sowie die demokratischen Kandidaten Hillary Clinton und Bernie Sanders auftraten, gab es so gut wie keine Erwähnung des Themas US-Außenpolitik. Außer einem kurzen Hinweis von Trump auf die Möglichkeit eines „Dritten Weltkriegs“ in Syrien sprach keiner der Kandidaten über die Situation im Nahen Osten oder über das Risiko eines Konflikts mit Russland oder China.

Bei der Veranstaltung der Demokraten vor den Vorwahlen in Nevada letzte Woche wurde weder Sanders noch Clinton eine einzige Frage zum Krieg gestellt.

Während der Kampagne gab es natürlich viele Stellungnahmen der Kandidaten, in denen sie ihre Ergebenheit gegenüber dem amerikanischen Imperialismus erklärten. Trump, die Verkörperung all des Schmutzes und der Reaktion aus 15 Jahren „Krieg gegen den Terror“, hat eine Reihe von faschistischen Aufrufen zu Mord und Aggression überall auf der Welt von sich gegeben und seine Rivalen sind seinem Beispiel gefolgt. In seiner Siegesansprache nach den Vorwahlen in South Carolina am Samstag verkündete Trump: „Wir werden unser Militär so groß, so gut, so stark, so mächtig machen, dass sich niemand jemals wieder traut, sich mit uns anzulegen.“

Bei den Demokraten hat sich Clinton, wenn überhaupt, von rechts von Obama abgegrenzt. Sie forderte eine „Flugverbotszone“ in Syrien, was die USA sehr schnell in einen Konflikt mit Russland bringen würde.

Was den angeblichen „Sozialisten“ Bernie Sanders angeht, so hat er seine Unterstützung für die Kriegspolitik der Obama-Regierung im Nahen Osten wie auch für andere aggressive Einsätze erklärt. Bei einer Diskussion der Demokratischen Partei Anfang des Monats verurteilte Sanders „Russlands aggressives Vorgehen auf der Krim und in der Ukraine“ und erklärte seine Unterstützung für die Politik, „die Truppenstärke in diesem Teil der Welt aufzustocken, um Putin klarzumachen, dass seine Aggressionen nicht unbeantwortet bleiben“. Um diesen Punkt zu unterstreichen, fügte er hinzu: „Wir müssen mit der Nato zusammenarbeiten, um Osteuropa gegen jede wie auch immer geartete russische Aggression zu beschützen.“

Bei seinen jüngsten Wahlauftritten hat Sanders das „autoritäre kommunistische China“ öffentlich angeprangert. Neben seiner Unterstützung für die Politik der Regierung in Syrien und für Obamas Verlängerung der Besetzung Afghanistans befürwortet er den Einsatz von Drohnen und militärischen Sondereinsatzkommandos. Einmal versicherte er, als Präsident werde er „all das und noch mehr“ tun. Er bestand darauf, dass die Vereinigten Staaten immer die größte Armee der Welt haben müssten.

Über die detaillierten Pläne, die vom Pentagon und von der CIA ausgearbeitet werden, um die Kriege im Nahen Osten auszuweiten und die Provokationen und Kriegsvorbereitungen gegen Russland in Osteuropa und gegen China im Südchinesischen Meer zu verschärfen, äußert sich keiner der Kandidaten von beiden Parteien.

Es herrscht ein Schweigekomplott. Daran halten sich nicht nur die Politiker der beiden großen Parteien, sondern auch die kleinbürgerlichen Organisationen, die im Jahr 2003 noch gegen den Irakkrieg protestierten. Diese Gruppen haben sich seitdem längst in die Obama-Regierung integriert und unterstützen das Vorgehen des amerikanischen Imperialismus. Sie tun alles, um die Entstehung einer Antikriegsbewegung zu verhindern.

Die Arbeiterklasse und die Jugend, die mit großer Mehrheit den Krieg ablehnen, dürfen sich nicht überraschen lassen. Der Aufbau einer politischen Bewegung gegen den Krieg muss mit äußerster Dringlichkeit in Angriff genommen werden.

Vorige Woche hat das Internationale Komitee der Vierten Internationale eine äußerst wichtige Erklärung veröffentlicht, „Socialism and the Fight Against War“, die diese Woche in deutsch erscheinen wird. Darin wird der immer breitere Strudel imperialistischer Gewalt dargestellt und die politische Grundlage für den Aufbau einer neuen Antikriegsbewegung ausgearbeitet, die auf folgenden Grundlagen basiert:

• Der Kampf gegen Krieg muss sich auf die Arbeiterklasse stützen, die große revolutionäre Kraft in der Gesellschaft, die alle fortschrittlichen Elemente der Bevölkerung hinter sich vereint.

• Die neue Antikriegsbewegung muss antikapitalistisch und sozialistisch sein, denn es gibt keinen ernsthaften Kampf gegen Krieg ohne den Kampf gegen die Diktatur des Finanzkapitals und das Wirtschaftssystem, das die grundlegende Ursache für Militarismus und Krieg ist.

• Die neue Antikriegsbewegung muss deshalb notwendigerweise vollständig unabhängig von allen politischen Parteien und Organisationen der Kapitalistenklasse sein und diesen feindlich gegenüberstehen.

• Die neue Antikriegsbewegung muss vor allen Dingen international sein und die riesige Kraft der Arbeiterklasse in einem vereinten weltweiten Kampf gegen den Imperialismus mobilisieren.

Die WSWS fordert alle Leser in den Vereinigten Staaten und international auf, diese Erklärung sorgfältig zu studieren, sie mit Arbeitskollegen zu diskutieren sowie die Socialist Equality Party zu kontaktieren, um dabei zu helfen eine sozialistische, internationalistische und revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Krieg aufzubauen.

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