Polen: PiS-Regierung baut Polizeistaat aus

Die rechtsnationale polnische Regierung hat in den vergangenen Wochen den Polizeistaat in rasantem Tempo ausgebaut. Seit der Regierungsübernahme der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im vergangenen Herbst hat diese das Verfassungstribunal entmachtet, die Geheimdienste unter ihre Kontrolle gebracht, die öffentlichen Radio- und Fernsehsender gleichgeschaltet und eine massive innere und äußere Aufrüstung begonnen.

Allein seit Beginn des Jahres hat die Regierung zahlreiche autoritäre Gesetze erlassen. So hat das Parlament Ende Januar im Eilgang ein Gesetz durchgewunken, das die Staatsanwaltschaft der Kontrolle des Justizministeriums unterstellt. Die Funktionen der Staatsanwaltschaft und des Justizministeriums waren erst 2009 getrennt worden.

Die Aufhebung dieser Trennung, die die PiS bereits im Wahlkampf angekündigt hatte, bedeutet eine massive Einschränkung der Gewaltenteilung zwischen Exekutive (Regierung) und Judikative (Rechtsprechung). Die Regierung ist so in der Lage, direkt in Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einzugreifen und deren Verlauf zu beeinflussen.

Justizminister Zbigniew Zbioro zählt zu den rechtesten und meistgehassten Mitgliedern der Regierung. Er hatte dasselbe Amt schon in der PiS-Regierung von 2005 bis 2006 ausgeübt. Auch damals unterstand ihm die Staatsanwaltschaft, die er für weitgehende Säuberungen im Staatsapparat im Interesse seiner Partei einsetzte. Zbioro wurde damals auch vorgeworfen, er lasse gezielt Journalisten und Politiker ausspionieren.

Ein weiteres Gesetz, das im Januar verabschiedet wurde und Anfang Februar in Kraft trat, weitet die Überwachungsbefugnisse der Polizei drastisch aus. Laut der Nichtregierungsorganisation Panoptykon kann sich die Polizei auf der Grundlage des neuen Gesetzes legal Zugang zu praktisch allen sensiblen Daten eines Internetnutzers – von Passwörtern und Emails bis hin zu medizinischen Daten – verschaffen.

Bisher konnte die Polizei derartige Daten schriftlich bei Firmen abfragen, wenn sie sie für eine laufende Untersuchung benötigte. Die Firmen mussten die Daten dann ohne weitere Fragen herausgeben. Nun ist dieser Prozess für die Polizei weiter vereinfacht worden: Sie kann sich ohne schriftliche Anfrage direkt an die Firmen wenden oder die Daten einfach selber sammeln. Anders als bisher muss der Zugriff auf die Daten nicht mehr durch ein Gericht genehmigt werden.

Laut einem Bericht der Zeitschrift Polityka, die der Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) nahesteht, hebelt das Gesetz auch die gesetzlich garantierte anwaltliche Schweigepflicht aus. Diese verbietet es einem Anwalt, vertrauliche Informationen eines Klienten an die Justiz oder die Polizei weiterzugeben.

Der Anwalt Dr. Wojciech Marchwicki sagte Polityka, mit dem umfassenden Datenzugriff falle es den Staatsorganen leicht, Menschen zu erpressen oder durch die Veröffentlichung von Informationen über ihr Berufs- oder Privatleben zu verleumden. Zudem darf die Polizei mit gerichtlicher Erlaubnis Überwachungsprogramme auf privaten Computern installieren, ohne dass die betroffene Person wie bisher darüber informiert werden muss.

Gegen das Gesetz haben in den letzten Wochen mehrere Demonstrationen stattgefunden, die wie in den Monaten zuvor vom so genannten Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) organisiert wurden. Das Komitee ist formal parteiunabhängig, steht aber den beiden liberalen Oppositionsparteien Bürgerplattform (PO) und Nowoczesna (Moderne) nahe. Die Proteste vertreten die Perspektive, an die Europäische Union und vor allem Deutschland zu appellieren, schärfer gegen die PiS-Regierung vorzugehen.

Die EU hat vor wenigen Wochen zum ersten Mal in ihrer Geschichte den so genannten „Rechtsstaatmechanismus“ in Gang gesetzt. Dabei wird Brüssel in einem sogenannten „Dialogprozess“ Vertretern der polnischen Regierung Änderungsvorschläge für die Gesetzeslage in Polen vorlegen. Sollte sich Warschau auf Dauer weigern, diesen Vorschlägen nachzukommen, kann die EU Polen Stimm- und Vetorechte bei Gipfeltreffen und Verhandlungen entziehen.

In kaum einem anderen Fall ist der reaktionäre Kern des Versuchs, an die EU zu appellieren, derart offensichtlich wie bei dem Gesetz zur staatlichen Überwachung. Die EU hat in den vergangen Jahren selbst dafür gesorgt, dass die staatliche Überwachung in den Mitgliedsländern massiv ausgebaut wurde. So hat die deutsche Regierung die Vorratsdatenspeicherung eingeführt und lässt die Kommunikation umfassend durch den BND überwachen, der seine Informationen mit der amerikanischen NSA austauscht. Ähnliche umfassende Überwachungsprogramme gibt es in anderen EU-Ländern.

Nicht zufällig gewährt kein einziges EU-Land Edward Snowden oder Julian Assange Asyl, die massive Überwachungsmaßnahmen der westlichen Geheimdienste entlarvt haben. Die europäischen Regierungen haben die Hetzjagd Washingtons auf Snowden und Assange im Gegenteil aktiv unterstützt und öffentlich verteidigt.

Dass die so genannte „Demokratie-Bewegung“ an diese Kräfte appelliert, zeigt, dass es ihr in Wahrheit nicht um die Verteidigung demokratischer Rechte geht. Vielmehr vertritt die KOD-Bewegung die Interessen von Teilen der polnischen Bourgeoisie und Mittelschicht, die fürchten, dass die PiS-Regierung ihre sozialen Privilegien und politischen Interessen einschränkt und ihre Außenpolitik zu sehr auf die USA orientiert.

Parallel zur inneren Staatsaufrüstung hat die PiS-Regierung die Militärausgaben erhöht und paramilitärische Einheiten aufgerüstet und in den Staatsapparat integriert. Insgesamt umfassen diese Einheiten inzwischen rund 80.000 Mann, was etwa zwei Dritteln der regulären polnischen Streitkräfte von 120.000 Soldaten entspricht.

Diese Aufrüstung von Militär und Staatsapparat dient zum einen der Vorbereitung eines Krieges gegen Russland und einer engeren Integration Polens in die Kriegsstrategie des US-Imperialismus. Gleichzeitig ist sich die PiS-Regierung bewusst, dass sie auf einem sozialen Pulverfass sitzt, und bereitet sich angesichts extremer sozialer Spannungen auf eine Konfrontation mit der Arbeiterklasse vor.

Laut einem Bericht des Wirtschaftsportals Bankier.pl vom Sommer 2015 lebten im Jahr 2014 43 Prozent der polnischen Bevölkerung unter dem Existenzminimum. Etwa 4,6 Mio. Menschen – über ein Zehntel der Gesamtbevölkerung von 40 Millionen – hatten im Monat gerade mal 514 Zloty (ca. 117 Euro) zur Verfügung. Weitere 6,2 Mio. Menschen lebten von etwa 1000 Zloty (ca. 230 Euro). In den vergangenen Wochen haben unter anderem Werft-Arbeiter in Danzig gestreikt. Auch die Bergarbeiter drohen nach langen, ergebnislosen Verhandlungen mit neuen Streiks und Protesten.

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