Perspektive

Das Hauptproblem der Waffenruhe in Syrien: Washingtons Unterstützung für al-Qaida

Bei seiner Aussage vor dem Senatsausschuss für Auswärtige Beziehungen am Dienstag war Außenminister John Kerry mit äußerst feindseligen Fragen konfrontiert. Es ging um die Bedingungen für die „Einstellung der Feindseligkeiten“ in Syrien, die mit Moskau ausgehandelt wurden und die an diesem Wochenende wirksam werden sollen.

Die demokratische Senatorin aus Kalifornien Barbara Boxer deutete an, das Abkommen könne so etwas wie eine „Ermüdungs“-Taktik sein, während der republikanische Vorsitzende des Ausschusses, Senator Bob Corker aus Tennessee, warnte, Russland werde „weiterhin die Leute umbringen, die unsere Freunde und Verbündete sind“.

Kerry antwortete darauf, indem er betonte, es gäbe „gerade eine wichtige Diskussion über einen Plan B“, der vermutlich eine wesentliche Ausweitung der US-Intervention in Syrien und eine potentielle bewaffnete Auseinandersetzung mit Russland beinhaltet, sollte die ausgehandelte Waffenruhe nicht dazu beitragen, Washingtons Ziele voranzubringen.

Der zentrale Knackpunkt des Abkommens zwischen den USA und Russland ist genau der Status derjenigen, die Senator Corker als „die Leute, die unsere Freunde und Verbündete sind“ bezeichnete. Er, die Obama-Regierung, das Pentagon, die CIA und das gesamte Medien-Establishment vermeiden sorgfältig jede genaue Identifizierung dieser „Leute“.

Das schmutzige Geheimnis, das sie alle tunlichst verheimlichen, besteht darin, dass Washingtons wichtigster „Freund“ und „Verbündeter“ im Krieg für einen Regimewechsel in Syrien seit seinem Beginn vor fast fünf Jahren al-Qaida ist. Diese kriminelle Beziehung ist das zentrale Problem bei der Suche nach einem Ende des zermürbenden Kriegs, in dem mehr als eine halbe Million Syrer umgekommen sind und 11 Millionen zu Flüchtlingen gemacht wurden.

Die Einstellung der Feindseligkeiten, die am Samstag in Kraft treten soll, nimmt ausdrücklich sowohl den Islamischen Staat (IS), eine Abspaltung von al-Qaida, als auch die al-Nusra-Front, den syrischen Ableger von al-Qaida, von der Vereinbarung aus. Das Hohe Verhandlungskomitee der syrischen „Rebellen“-Front, das von der saudischen Monarchie für die von der UN gesponserten Verhandlungen zusammengeschustert wurde, hat jede Waffenruhe abgelehnt, wenn sie die al-Nusra-Front nicht schützt.

Analysten der US-Geheimdienste haben davor gewarnt, dass al-Nusra und die sogenannten „gemäßigten“ Terroristen, die von Washington unterstützt werden, „vermischt“ sind. Brett McGurk, der Unterhändler der Obama-Regierung bei der „Koalition“, die an den von den USA geführten Kriegen im Irak und Syrien teilnimmt, erklärte auf einer Pressekonferenz des Weißen Hauses am Dienstag, dass die angeblich Gemäßigten und die al-Qaida-Gruppe „miteinander eng vermischt sind“.

Die Wahrheit hinter diesen peinlichen Formulierungen ist, dass al-Qaida und die mit ihr verbundenen Gruppen schon seit Langem die wichtigsten Stellvertretertruppen sind, die vom US-Imperialismus und seinen Verbündeten benutzt werden, um die Regierung von Präsident Baschar-al-Assad zu stürzen. Sie dienten als Söldnerheer, das massive finanzielle Unterstützung und eine Unmenge an Waffen von den USA und seinen wichtigsten regionalen Verbündeten Saudi-Arabien, Türkei und Katar erhalten hat. Das, was allgemein syrischer Bürgerkrieg genannt wird, ist nichts anderes als eine gewaltige CIA-Operation für einen Regime-Wechsel.

Diese blutige Intervention in Syrien entlarvt den gesamten „Krieg gegen den Terror“ als Betrug. Er diente fast 15 Jahre lang als Dreh- und Angelpunkt für den Krieg im Ausland und den Ausbau der staatlichen Repression im Inneren sowohl unter der Bush- als auch der Obama-Regierung. Die USA befinden sich nicht in einem existentiellen Kampf gegen den Terrorismus im Allgemeinen und al-Qaida im Besonderen. Vielmehr setzt sie al-Qaida-Mörder ein, um von ihnen ihre schmutzige Arbeit bei der Errichtung der amerikanischen Vorherrschaft im Nahen Osten erledigen zu lassen.

Die neueste Version dieses angeblichen Kampfs, die Kampagne gegen den IS, hat sich in weniger als fünf Monaten als vorgetäuschter Krieg herausgestellt. Russlands Eingreifen mit weit weniger militärischen Mitteln als das Pentagon einsetzen kann, hat das Blatt im syrischen Krieg gewendet, die Versorgungsrouten des IS für Waffen und Vorräte abgeschnitten und das lukrative Öl-Geschäft mit der Türkei zerstört. Washington hat solche Offensiven nicht unternommen, weil der IS ein Instrument des amerikanischen Ziels war, Assad zu stürzen und deshalb faktisch geschützt wurde.

Ein aufschlussreicher Bericht im Wall Street Journal von Dienstag zitierte hohe Beamte der Obama-Regierung, die auf eine wachsende „Unstimmigkeit“ zwischen dem Pentagon, der CIA und dem Außenministerium über den Kurs der Operation für einen Regimewechsel in Syrien hinweisen. Die CIA, berichtet das Journal, ist „wütend“, weil die russischen Luftangriffe „aggressiv die relativ gemäßigten Rebellen [d.h. die al-Nusra-Front und ihre Verbündeten] angegriffen haben, die sie mit militärischer Ausrüstung versorgt hat, darunter Panzerabwehr-Raketen“.

Der Artikel legt nahe, dass es Differenzen innerhalb des Staatsapparats der USA darüber gibt, ob man dieselben „Rebellen“ mit Manpads ausrüsten soll. Manpads sind hochentwickelte tragbare Flugabwehrraketen, die russische Kampfflugzeuge abschießen könnten, was möglicherweise einen noch größeren Krieg auslösen würde, in dem sich die USA und Russland gegenüberstünden. Die CIA warnt gleichzeitig, wenn nichts unternommen werde, um die islamistischen Milizen zu verteidigen, dann könnten sich Saudi-Arabien und die Türkei dazu „entscheiden, mit Washington zu brechen und große Mengen Manpads in den Norden Syriens zu schicken, um die russischen Bomber abzuschießen“. Mit anderen Worten die unglaublich rücksichtslose Politik Washingtons könnte so oder so einen Konflikt auslösen, der in einem nuklearen Schlagabtausch endet.

Al-Qaida und die mit ihr verbundenen Gruppen sind eine Art Frankenstein-Monster, von Washington als Instrument der imperialistischen Intervention und Konterrevolution geschaffen und großgezogen. Wie allgemein bekannt ist, ist al-Qaida selbst ein Geschöpf der CIA und der saudischen sowie pakistanischen Geheimdienste, das in den 1980er Jahren während des von den USA angestachelten Kriegs gegen die sowjetisch-gestützte Regierung in Afghanistan geschaffen wurde. Sie diente damals wie jetzt in Syrien als Agentur, um Geld, Waffen und ausländische islamistische Kämpfer für Washingtons Stellvertreter-Krieg einzuschleusen.

Washingtons Unterstützung von reaktionären Jihadisten-Strömungen reicht sogar noch weiter zurück, und zwar bis in die 1950er Jahre, als die USA versuchten, die Kräfte im Kampf gegen den arabischen Nationalismus und den Einfluss des Sozialismus einzusetzen. Beide Strömungen wurden als tödliche Bedrohung für die Vorherrschaft der amerikanischen Ölkonzerne im Nahen Osten angesehen.

Seitdem sind die Beziehungen zwischen den amerikanischen Geheimdiensten und al-Qaida sowie ähnlichen jihadistischen Organisationen sehr eng geblieben. Daraus erklärt sich auch, warum bei fast jedem terroristischen Anschlag vom 11. September 2001 bis zum Anschlag beim Boston Marathon und darüber hinaus die Täter den US-Geheimdiensten bekannt waren, und es ihnen, ohne Beschränkungen und ohne Fragen zu stellen, erlaubt war, in das Land ein- und auszureisen.

Heute ist der US-Imperialismus bei diesen Kräften so stark involviert wie noch nie, und zwar nicht nur im Nahen Osten, wo sie benutzt wurden, um die Regierung von Muammar Gaddafi in Libyen zu stürzen, und dasselbe mit Assad in Syrien zu tun.

Unter den ausländischen Kämpfern, die nach Syrien strömten, besteht eines der größten Kontingente aus Tschetschenen und anderen Islamisten aus Russlands nördlicher Kaukasus-Region. China berichtet, das sich eine beträchtliche Zahl von Mitgliedern der muslimischen Uiguren-Minderheit im Westen der Region Xinjiang dem IS angeschlossen hat. Diese Kräfte werden im syrischen Blutbad für ihren Einsatz in noch viel gefährlicheren imperialistischen Operationen ausgebildet, deren Ziel es ist, Russland und China zu unterwerfen und zu zerstückeln.

Nachdem das US-Militär und der Geheimdienstapparat diese Organisationen bewaffnet und finanziert hatte, hat man ihnen zweifelsohne die verschiedensten Unterstützungszusagen gemacht, die jetzt durch das Abkommen für eine Waffenruhe, das Washington letztendlich durch das Eingreifen Russlands aufgezwungen wurde, in Frage gestellt werden. Daher rührt auch die explosive Wut über das von Kerry und dem russischen Außenminister ausgehandelte Abkommen, sowohl in offiziellen amerikanischen Kreisen als auch in den von al-Qaida dominierten syrischen Rebellen-Organisationen.

Es gibt die naheliegende Gefahr, dass die islamistischen Organisationen sich ihren eigenen „Plan B“ schaffen, wozu auch die Rache an ihren imperialistischen Herren für das gehört, was sie als Verrat ansehen. Das ist ein ähnliches Muster, wie man es schon bei der Entwicklung der Anhänger von Osama bin Laden gesehen hat, die fallengelassen wurden, als die Sowjets ihre Truppen aus Afghanistan zurückgezogen hatten. Das Ergebnis war der Tod von 3000 Amerikanern am 11. September 2001.

Die kriminellen und unverantwortlichen Unternehmungen Washingtons in Syrien und anderswo führen zu der unmittelbaren Gefahr, einer noch tödlicheren Racheoperation der „gemäßigten“ Terroristen, die von der CIA bewaffnet und unterstützt wurden.

Loading