Perspektive

Imperialismus, politische Korruption und das wahre Gesicht des Kapitalismus

Die sogenannten „Panama-Papiere“ haben ihr erstes Opfer gefordert. Am Dienstag hatte der isländische Premierminister Minister Sigmundur David Gunnlaugsson seinen Rücktritt angekündigt, nachdem in der Hauptstadt des Landes Tausende auf die Straße gegangen waren.

Die Dokumente wurden am Sonntag vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) veröffentlicht. Sie zeigen, dass Gunnlaugsson seine Anteile an einer Offshore-Briefkastenfirma nicht offengelegt hat. Seine Familie profitierte damit von der Rettungsaktion für die isländischen Banken nach der Finanzkrise von 2008.

Der sich ausweitende weltweite Skandal droht auch den britischen Premier David Cameron in Mitleidenschaft zu ziehen. Es werden Forderungen laut, er solle seine Steuerunterlagen offenlegen. Führende Tageszeitungen hatten, gestützt auf die „Panama-Papiere“, berichtet, sein Vater besitze Anteile an einer Offshore-Firma.

Die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca ist das Herzstück des Skandals. Sie machte Millionen von Dollar, indem sie Politikern und Superreichen half, ihr Geld zu verstecken und Steuern zu hinterziehen. Ihre Geschäfte belegen die umfassende Rolle, die Steuerhinterziehung, Geldwäsche, schwarze Unternehmenskassen und politische Bestechungsgelder im alltäglichen wirtschaftlichen und politischen Leben der weltweit führenden „Demokratien“ spielen.

Durch den Bericht des ICIJ werden 140 Personen des öffentlichen Lebens überall auf der Welt belastet, darunter 12 aktive und ehemalige Regierungschefs und 29 Milliardäre, die laut der Forbes-Liste zu den 500 Reichsten des Planeten gehören.

In Zusammenhang mit den Dokumenten wurden relativ wenige Amerikaner genannt. Experten haben jedoch den Medien gegenüber erklärt, dass die Dienste von Mossack Fonseca jederzeit auch in heimischen Steueroasen, wie z.B. im Staat Delaware, zur Verfügung stehen. Ein kleines Bürogebäude beherbergt dort dem Namen nach 285.000 Unternehmen. Dazu zählen die Fortune-500-Unternehmen Apple Computer, Coca-Cola und JPMorgan Chase wie auch unzählige Firmen, die 08/15-Betrügern, Schmugglern und Wirtschaftskriminellen gehören.

Die Enthüllungen des ICIJ sind sicherlich keine Überraschung für die Finanzaufsichtsbehörden. Sie verfügen über ausreichende Informationen, die belegen, dass die großen Finanzinstitute seit Jahrzehnten Steuerhinterziehung und Geldwäsche ermöglicht haben.

2012 musste die britische HSBC-Bank 1,9 Milliarden Strafe zahlen, weil sie für mexikanische Drogenkartelle Geld gewaschen hatte. Das ICIJ hatte jedoch 2015 durchsickern lassen, dass die Bank anschließend ungehindert genauso weitergemacht hat. Sie benutzte dabei vor allem ihre Schweizer Privatbank-Filiale als Hinterhof-Service für Steuerflucht, indem sie ihren reichen Klienten Pakete von Hunderttausenden Dollar in Fremdwährung aushändigte.

Die Enthüllungen des ICIJ tauchen zu einer Zeit auf, in der Politiker, die in den Skandal verwickelt sind, wie z. B. auch Cameron, behaupten, es gebe kein Geld für die grundlegendsten Sozialleistungen. Die internationale Finanzelite und ihre korrupten politischen Handlanger dürfen Steuern hinterziehen und direkt unter der Nase der Finanzaufsichtsbehörden ihren Reichtum in Offshore-Oasen verstecken, während man der Arbeiterklasse erklärt, sie müsse immer größere Not und Entbehrungen hinnehmen.

Vor genau einem Jahrhundert hat der russische Revolutionär Wladimir Lenin die imperialistische Epoche als ein Stadium des Kapitalismus beschrieben, in dem das Finanzkapital dominiert und eine „neue Finanzaristokratie“ hervorbringt, die sich durch „Korruption, Bestechung im Riesenausmaß, Panamaskandale jeder Art“ auszeichnet.

Die Prozesse, die Lenin beschrieb, befanden sich zu dieser Zeit erst in ihrem Anfangsstadium. In der folgenden Periode sind sie herangereift und haben sich enorm ausgeweitet. Eine kriminelle Finanzelite hat die Weltwirtschaft in den Bankrott getrieben und unvorstellbare Summen mithilfe von Spekulation, Parasitentum und unter Missachtung der Gesetze gestohlen.

Im gegenwärtigen Kapitalismus ist es selbstverständlich, dass ein politisches Amt zu großem persönlichen Reichtum und der Aufnahme in die Finanzelite verhilft. Die US-Wahlen von 2016 sind ein gutes Beispiel für die Anwendung dieses Prinzips in der Praxis.

Hillary Clinton, die Spitzenkandidatin der Demokraten, hat zusammen mit ihrem Ehemann und dem Ex-Präsidenten Bill Clinton in den acht Jahren seit dem Finanzcrash von 2008 ein Vermögen von mehr als 140 Millionen Dollar angehäuft. Einen erheblichen Teil dieser Summe hat sie als Bezahlungen für Reden von großen Firmen und Banken eingestrichen. In den ersten 15 Monaten nach ihrem Rücktritt als Außenministerin im Jahr 2012 erhielt Clinton für ihre Reden fünf Millionen Dollar. Das katapultierte sie direkt in die obersten 0,1 Prozent der Einkommensbezieher. Derartige Zahlungen sind in der Welt der amerikanischen Politik nichts anderes als eine Form legalisierter Bestechung.

Die 140 Millionen Dollar, die der Clinton-Haushalt eingesteckt hat, und die weiteren Millionen, die in ihre Stiftung fließen, sind in erster Linie eine Vergütung für die Dienste, die sie der Finanzelite geleistet haben.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Im Februar 2015 berichtete der Guardian, gestützt auf den ICIJ-Bericht von 2015, dass Hillary Clinton und ihre Familie „81 Millionen Dollar von reichen internationalen Geldgebern, die Kunden der umstrittenen Schweizer Bank HSBC waren“, erhalten haben.

In einem Leitartikel am Dienstag fragt die New York Times rhetorisch: „Wie konnten all diese Politiker, Diktatoren, Kriminelle, Milliardäre und Prominente riesigen Reichtum anhäufen und dann ein ausgeklügeltes Netzwerk von Briefkastenfirmen nutzen, um ihre Identität und ihr Vermögen zu verschleiern?“

Die Zeitung beklagt die „gefährliche... Beschädigung der demokratischen Herrschaft und der regionalen Stabilität, wenn korrupte Politiker über einen Ort verfügen, wo sie gestohlenes nationales Vermögen vor der Öffentlichkeit verstecken können“. Und sie fragt: „Wird sich nach diesen Enthüllungen irgendetwas ändern?“

Die Times kennt die Antwort auf ihre rhetorische Frage sehr gut. Die Verbrechen, die in den „Panama-Papieren“ dokumentiert sind, werden begangen, weil die Regierungen und Finanzbehörden völlig unter der Fuchtel der Finanzelite stehen und deshalb die kriminellen Aktivitäten der globalen Finanzoligarchie nicht überprüfen, sondern vielmehr deren Mitverschwörer sind. Wenn man diese Angelegenheiten den kapitalistischen Regierungen überlässt, wird sich nichts ändern. Die jüngsten Enthüllungen des ICIJ werden genauso begraben werden wie ihre früheren Berichte.

Um den Augiasstall aus kapitalistischen Milliardärsoligarchen, korrupten Politikern und kriminellen Firmenbossen zu säubern, muss eine sozialistische Bewegung der Arbeiterklasse im Kampf gegen die gegenwärtige gesellschaftliche Ordnung aufgebaut werden. Die „Panama-Papiere“ erhellen eine grundlegende Wahrheit: Parasitentum, Kriminalität und Korruption sind nicht die Warzen im Gesicht des Kapitalismus, sie sind das Gesicht des Kapitalismus.

Loading