Perspektive

Merkels brutale Flüchtlingspolitik

Es ist noch nicht lange her, da tobte in Europa eine heftige Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern einer Abschottung der nationalen Grenzen und den Unterstützern einer „europäischen Lösung“ der Flüchtlingskrise.

Die deutsche Bundeskanzlerin, die am nachdrücklichsten für eine „europäische Lösung“ eintrat, wurde von liberalen Journalisten und Politikern in den höchsten Tönen als „Flüchtlingskanzlerin“ gelobt, die endlich ihr Herz für die Schwachen und Verfolgten entdeckt habe. Die Grünen und ein großer Teil der Linkspartei stimmten in diesen Chor ein. Selbst der Vorschlag, Merkel den Friedensnobelpreis zu verleihen, durfte nicht fehlen. Die nationalistischen Gegner Merkels warfen ihr dagegen nationalen Verrat und Verfassungsbruch vor.

Inzwischen kann jeder sehen, worin die „europäische Lösung“ besteht: In der Abriegelung der europäischen Außengrenzen. Kriegsflüchtlinge, die die lebensgefährliche Überquerung der Ägäis wagen, werden eingesperrt, misshandelt und in die Türkei zurückgebracht, wo sie die türkische Regierung erneut inhaftiert und in ihre Herkunftsländer zurückbefördert.

Die stacheldrahtumzäunten Konzentrationslager auf den griechischen Inseln, die Schlagstöcke und Tränengasgranaten, mit denen mazedonische Grenzpolizisten auf hilflose Flüchtlinge einprügeln, und die bürokratische Rücksichtlosigkeit, mit der verzweifelte Menschen in ganz Europa schikaniert und abgewiesen werden, erinnern an die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière hat kürzlich in einem Interview gefordert, Menschen, die in Deutschland leben wollten, müssten „die deutsche Kultur kennen und unsere Grundwerte akzeptieren“. Er fügte hinzu, außerdem müsse jeder „wissen, was in Auschwitz passiert ist“. Angesichts der Zustände an den Grenzen und in den Internierungslagern können Flüchtlinge das nur als persönliche Drohung verstehen.

Die World Socialist Web Site hatte seit langem gewarnt, dass es Merkel und den „Befürwortern einer europäischen Lösung“ nicht um das Schicksal der Flüchtlinge geht.

Im Oktober letzten Jahres schrieben wir, Merkel wolle Zeit gewinnen: „Sie lässt sich mit Flüchtlingen ablichten und wirft sich in die Pose der Mutter Teresa, während sie intensiv an der Abschottung der EU-Außengrenzen und der Verschärfung des Asylrechts arbeitet.“

Einen Monat später erklärten wir, Ursache der scharfen Konflikte innerhalb der deutschen Regierung sei „weniger der Umgang mit den Flüchtlingen – hier befürworten alle Flügel Abschreckungsmaßnahmen und die Verschärfung des Asylrechts –, als die Ausrichtung der Außenpolitik“. Merkels Gegner träten „für eine rabiate Abschottung der Grenzen“ ein, während ihre Anhänger fürchteten, „dass dies die Europäische Union sprengen und zerstören könnte“. Letztere seien „der Ansicht, dass Deutschland die EU braucht, um wieder die Rolle einer Weltmacht spielen zu können, und deshalb die nationalistische Karte nicht überreizen darf“.

Nun ist offensichtlich, dass Merkels „europäische Lösung“ der nationalen ihrer Gegner an Brutalität in nichts nachsteht. Das hindert ihre Verteidiger aber nicht daran, sie weiterhin zu unterstützen. In Deutschland bereiten die Grünen mit der Koalition in Baden-Württemberg ein Zusammengehen mit Merkels CDU auf Bundesebene vor. Auch der Linken-Politiker Gregor Gysi empfiehlt seiner Partei eine Zusammenarbeit mit der CDU.

Während den Flüchtlingen aus der Bevölkerung nach wie vor viel Hilfsbereitschaft entgegenschlägt, finden sie in den Medien und der offiziellen Politik keine Unterstützung mehr. Innenminister de Maizière rät mit den Worten: „Das kann jetzt mal ausgehalten werden“, zu Härte gegenüber den „hässlichen Bilder an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien“.

In Griechenland ist Syriza, die Schwesterpartei der Linken, beim brutalen Vorgehen gegen Flüchtlinge die wichtigste Komplizin Merkels und der Europäischen Union. Die Regierung Tsipras hat den Flüchtlingen durch eine Gesetzesänderung ihre Rechte genommen und setzt das Militär und die Bereitschaftspolizei ein, um sie zusammenzutreiben und abzuschieben.

Der Angriff auf die Flüchtlinge zeigt nicht nur den reaktionären Charakter dieser Parteien, sondern wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Europäische Union. Sie ist kein Instrument zur Einigung des Kontinents, sondern dient den mächtigsten Finanz- und Wirtschaftsinteressen dazu, Europa ihrem Diktat zu unterwerfen, die Arbeiterklasse anzugreifen und nach innen und außen aufzurüsten.

Das brutale Vorgehen gegen Flüchtlinge knüpft nahtlos an die Sparpolitik an, mit der die EU in Griechenland und anderen europäischen Ländern große Teile der arbeitenden Bevölkerung in bittere Armut gestürzt hat. Die herrschende Klasse reagiert auf die wachsenden sozialen Spannungen und den Unmut der Bevölkerung, indem sie Fremdenfeindlichkeit schürt, den Staatsapparat aufrüstet und sich auf autoritäre Herrschaftsformen vorbereitet. Sie schafft so den Boden für die ultrarechten und faschistischen Kräfte, die in vielen europäischen Ländern Auftrieb haben. Die Maßnahmen, die sich heute gegen Flüchtlinge richten, werden morgen die gesamte Arbeiterklasse treffen.

Der Schutz von Flüchtlingen, die Verteidigung demokratischer Rechte, die Abwehr sozialer Angriffe und der Kampf gegen Krieg und Militarismus fallen untrennbar zusammen. Es gibt heute nicht eine etablierte Partei in Europa, die auch nur ansatzweise für diese Ziele eintritt. Der Aufbau einer neuen Arbeiterpartei, die der Opposition gegen Krieg, Diktatur und Sozialabbau eine Stimme und eine Perspektive gibt, ist deshalb die dringendste Aufgabe.

Dafür treten die Partei für Soziale Gleichheit und das Internationale Komitee der Vierten Internationale ein. Wir kämpfen für ein sozialistisches Programm, dass die internationale Arbeiterklasse im Kampf gegen den Kapitalismus vereint. Unsere Antwort auf die Europäische Union der Banken und Konzerne sind die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

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