Die AfD gibt sich ein Programm

Drei Jahre nach ihrer Gründung hat sich die Alternative für Deutschland (AfD) am Wochenende ein Parteiprogramm gegeben. Über 2000 Mitglieder stimmten auf einem Bundesparteitag in Stuttgart über das Programm und mehrere hundert Änderungsanträge ab.

Die Partei, die mittlerweile im Europaparlament und in acht Landtagen sitzt, hat in den drei Jahren ihrer Existenz eine rasche Entwicklung durchlaufen. Auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise als Anti-Euro-Partei entstanden, schrieb sie sich im vergangenen Jahr die Abwehr von Flüchtlingen auf die Fahne. Nun hat sie den Antiislamismus zu ihrem Markenzeichen gemacht.

Der Antiislamismus spielt im Programm der AfD eine ähnliche Rolle wie der Antisemitismus bei den konservativen und rechtsextremen Parteien des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Er dient dazu, soziale Unzufriedenheit auf eine Minderheit (damals die Juden, heute Muslime) abzulenken, Rassismus und Nationalismus zu schüren sowie erzkonservative und militaristische Ziele zu verfolgen.

Der Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ wurde mit großer Mehrheit ins Programm aufgenommen. Ebenso die Forderung nach dem Verbot von Minaretten, des Muezzinrufs, der Vollverschleierung und des Schächtens von Tieren nach muslimischen und jüdischen Regeln. „Die kulturelle Essenz des Islam ist mit der westlichen Welt nicht vereinbar“, erklärte Parteivize Albrecht Glaser unter Applaus.

Die Zeit bezeichnet dies als „völkischen Nationalismus, der für die AfD mittlerweile typisch ist“. Das Weltbild der AfD stelle „das konstruierte völkisch-deutsche ‚Wir‘“ dem „fremden muslimischen ‚Ihr‘“ entgegen.

Der Wandel der politischen Linie der AfD ging mit dem Austausch des Führungspersonals einher. Die Gründergeneration um den Ökonomen Bernd Lucke und den ehemaligen BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, die die Ablehnung des Euro mit einem neoliberalen Wirtschaftskurs verband, verließ die Partei, als sie im Sommer 2015 einen betont ausländerfeindlichen Kurs einschlug.

Inzwischen steht Frauke Petry, die Lucke damals von der Parteispitze vertrieb, selbst im Abseits. In Stuttgart gaben Jörg Meuthen, neben Petry Bundesprecher der Partei, sowie Parteivize Alexander Gauland den Ton an und bestimmten die Richtung der Diskussion. Sie versuchen, die Partei auf einer programmatischen Grundlage zu konsolidieren, die rechtskonservative mit deutschnationalen und faschistischen Standpunkten vereint. Der Antiislamismus dient dafür als Klammer.

Meuthen, der im März als Spitzenkandidat der AfD zur Landtagswahl in Baden-Württemberg antrat, hatte lange Zeit als gemäßigtes Gesicht der Partei gegolten. Er ist wie Bernd Lucke Ökonom, hatte aber im Gegensatz zu diesem die Partei nicht verlassen, als sie im vergangenen Sommer auf einen fremdenfeindlichen Kurs einschwenkte.

Gauland war 40 Jahre lang in der erzkonservativen hessischen CDU aktiv, bevor er 2013 die AfD mitgründete. Unter anderem hatte er das Büro von Ministerpräsident Walter Wallmann geleitet. Der 75-Jährige gilt als Stratege der AfD. Auch Albrecht Glaser, der für die AfD bei der Bundespräsidentenwahl kandidieren wird, war 40 Jahre lang Mitglied des hessischen Stahlhelm-Flügels der CDU.

In einer Art programmatischen Grundsatzrede sprach Meuthen von drei Strömungen, die die AfD zu einem Ganzen vereine: „Moderner Konservativismus, konsequente Freiheitlichkeit und gesunden Patriotismus“.

Unter „modernem Konservativismus“ versteht Meuthen Konservative, die an den gesellschaftlichen Leitbildern der 1950er Jahre festhalten und sich in der CDU unter Merkel nicht mehr zuhause fühlen. So bekennt sich das AfD-Programm zur traditionellen Familie aus Vater, Mutter und Kindern als „Keimzelle der Gesellschaft“. Unter der Parole „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ verlangt es die Förderung von Mehrkinderfamilien und lehnt Abtreibungen ab. Meuthen erhielt schallenden Applaus, als er verkündete: „Wir wollen weg vom links-rot-grün verseuchten Achtundsechziger-Deutschland.“

Mit „Freiheitlichkeit“ meint Meuthen Freiheit für das Kapital. Das AfD-Programm tritt für niedrigere Steuern sowie die Abschaffung der Erbschafts- und der Gewerbesteuer ein, will eine Steuerbremse im Grundgesetz verankern, lehnt den Klimaschutz ab und will den Atomausstieg zurücknehmen.

Unter „gesundem Patriotismus“ sind die rechtsextremen und faschistischen Strömungen zu verstehen, die in den ostdeutschen Landesverbänden den Ton angeben. Vor allem in Sachsen-Anhalt, wo die AfD mit 24 Prozent ihr bestes Wahlergebnis erzielte, und in Thüringen halten die Landesvorsitzenden André Poggenburg und Björn Höcke enge Verbindungen zu Netzwerken der äußersten Rechten.

Hatte Petry vor dem Parteitag noch angekündigt, ein Abdriften nach rechts ins Völkische sei nicht hinnehmbar, es gebe „rote Linien“, die nicht überschritten werden dürften, war dies auf dem Parteitag kein Thema mehr. Als Höcke mit Verspätung eintraf, wurde er von den Teilnehmern wie ein Star mit Jubel und Gejohle begrüßt.

Auch auf europäischer Ebene reiht sich die AfD in die Front der Rechtsextremen ein. Der Europaabgeordnete Marcus Pretzell, Lebensgefährte der Noch-Vorsitzenden Frauke Petry, hatte kurz vor dem Parteitag seinen Übertritt in die Fraktion des rechtsextremen Front National bekanntgegeben. Die österreichische FPÖ, die dieser Fraktion ebenfalls angehört, schickte eine Grußbotschaft, die von den Delegierten frenetisch gefeiert wurde. Und der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Klaus besuchte den Parteitag sogar persönlich.

Wie diese Parteien lehnt die AfD nicht nur den Euro, sondern auch die Europäische Union ab. Sie verlangt eine Volksabstimmung über den Verbleib im Euro, die Rückgabe von EU-Kompetenzen an die Nationalstaaten und, sollte dies nicht gelingen, die Auflösung der EU. Diese nationalistische Opposition gegen die EU verbindet die AfD mit der Forderung nach staatlicher Aufrüstung und einem aggressiven Militarismus.

Unter anderem tritt das Parteiprogramm für den Aufbau eines „flächendeckenden deutschen Grenzschutzes unter dem Dach der Bundespolizei“ und für den Einsatz von Wehrpflichtigen zum Schutz der deutschen Grenze ein. Es verlangt die Wiedereinführung der Wehrpflicht und den Abzug aller ausländischer Truppen aus Deutschland. Auch der Austritt aus der Nato wurde auf dem Parteitag gefordert, jedoch nicht darüber abgestimmt.

Welche Vorstellungen sich dahinter verbergen, sprach ein Redner deutlich aus. Es sei nur eine Frage des Willens, innerhalb von ein paar Jahren eine Armee aufzustellen, die den amerikanischen Truppen in Europa überlegen sei, verkündete er.

Bisher verdankt die AfD ihre Wahlerfolge konservativen CDU-Wählern, die die Politik Merkels ablehnen, wütenden Kleinbürgern, die den sozialen Abstieg fürchten, und Arbeitern und Arbeitslosen, die aus Protest gegen die rechte Politik der SPD und der Linkspartei für die AfD stimmen. Doch sie ist keine spontane Bewegung von unten. Der Versuch, in Deutschland wieder eine rechte Partei aufzubauen, die rechtskonservative, deutschnationale und völkische Standpunkte vertritt, ist eine direkte Konsequenz der Wiederbelebung des deutschen Militarismus.

Seit Bundespräsident Gauck und Mitglieder der Bundesregierung vor zwei Jahren verkündeten, die Zeit der militärischen Zurückhaltung sei vorbei und Deutschland müsse auf der Welt wieder eine Rolle spielen, die seiner tatsächlichen Bedeutung entspreche, werden die politischen Tabus der Nachkriegszeit systematisch gebrochen.

Die nationalliberalen und deutschnationalen Parteien, die den Ersten und Zweiten Weltkrieg vorbereiteten, mit den Nazis zusammenarbeiteten und ihnen an die Macht verhalfen, überlebten den Zweiten Weltkrieg nicht. Ihre Mitglieder versteckten sich, sofern sie politisch aktiv blieben, vor allem in den Unionsparteien und der FDP. Doch nun werden sie wieder gebraucht.

Deshalb stellen sich erfahrene Politiker wie Gauland und Professoren wie Meuthen an die Spitze der AfD. Auch Militärs sind in der AfD aktiv. So ist der Vorsitzende des Landesverbands Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, Berufsoffizier der Bundeswehr und der Vorsitzende des Kölner Kreisverbands, Hendrik Rottmann, Geheimdienstoffizier beim Militärischen Abschirmdienst MAD.

Aus demselben Grund bereiten die etablierten Parteien der AfD mit ihrer brutalen Flüchtlingspolitik und ihrer Kriegspolitik den Weg. Vieles, was die AfD fordert, hat die Bundesregierung bereits umgesetzt. Die Schwüre, man werde auf keinen Fall mit der AfD zusammenarbeiten, die nach dem Parteitag aus allen Parteizentralen zu hören waren, sollte man deshalb nicht ernst nehmen.

Die äußeren Umstände des Stuttgarter Parteitags zeigten anschaulich das wirkliche Verhältnis zwischen AfD, den anderen bürgerlichen Parteien und dem Staat.

Mehr als 1000 Polizisten in Kampfmontur bewachten das Gelände. Antifa-Aktivisten, die am Morgen mit Straßenblockaden gegen den Parteitag demonstrierten, wurden verhaftet, stundenlang eingesperrt und misshandelt. Die Polizei nahm insgesamt 500 Demonstranten fest, fesselte sie mit Kabelbindern und hielt sie ohne Wasser, Nahrung und sanitäre Anlagen über Stunden fest. Und das in einem Bundesland, das von einem grünen Ministerpräsidenten regiert wird, und in einer Stadt, deren Oberbürgermeister ebenfalls Grüner ist.

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