Cem Özdemir konfrontiert Jörg Baberowski mit dessen menschenverachtenden Forderungen

Am Donnerstag konfrontierte der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, Prof. Jörg Baberowski in der Talkshow „Maybrit Illner“ mit dessen Forderung, im Kampf gegen Terroristen die Methoden des Vernichtungskriegs anzuwenden.

Die Sendung mit ungefähr drei Millionen Zuschauern lief unter dem Titel „Einbruch, Diebstahl, Überfall – Kriminalität ohne Grenzen?“ und war darauf ausgelegt, die Aufrüstung des Polizeiapparats zu rechtfertigen. Neben Özdemir und Baberowski waren der CSU-Politiker Stephan Mayer, die Soziologin Gina Wollinger und Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) als Gäste geladen. [1]

Als sich Baberowski dagegen aussprach, in Bildung zu investieren oder die Sozialarbeit aufzuwerten, um Gewalt in sozialen Brennpunkten zu begrenzen, und stattdessen postulierte: „Die einzige Möglichkeit, damit umzugehen ist, dass der Staat Zähne zeigt“, ging dies Özdemir zu weit. Er konfrontierte Baberowski mit einer Aussage, die er am 1. Oktober 2014 im Rahmen der „Schlüterhofgespräche“ im Deutschen Historischen Museum gemacht hatte.

Ob Zähne zeigen beispielweise heiße, was Baberowski für den Kampf gegen den ISIS-Terror vorgeschlagen habe, fragte Özdemir. Er zitiere wörtlich: „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen.“

Es tue ihm Leid, fügte der Grünen-Politiker hinzu, „aber wer so etwas sagt, der hat ein Rad ab“.

Baberowski reagierte darauf mit gespielter Empörung, Lügen und Verleumdungen.

„Da muss jetzt mal Klartext geredet werden“, sagt er. „Dieser schmierige Text aus der taz ist von einer stalinistischen, extremistischen Sekte.“ Als Özdemir zwei Mal nachfragte: „Ist das Zitat falsch oder ist es richtig?“, behauptete Baberowski, es sei „vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen“. „So können sie mit mir nicht reden, das lasse ich mir einfach nicht gefallen“, herrschte er Özdemir an.

Er habe gesagt, wenn man nicht bereit sei, sich auf die Logik der Terroristen und der Taliban einzulassen, Geiseln zu nehmen und Dörfer niederzubrennen, „dann soll man die Finger von solchen Interventionen lassen“. Diesen Satz, so Baberowski, „haben diese Stalinisten, die Sie hier zitieren, mutwillig weggelassen, um mich zu verleumden“. Er habe erklärt, „dass wir diese Methoden nicht übernehmen können. Und deshalb können wir nicht intervenieren.“

Am folgenden Tag verteidigte die Frankfurter Allgemeine Zeitung Baberowski mit der Behauptung, er habe den von Özdemir zitierten Satz „so nie gesagt“. Der Grünen-Vorsitzende habe „mit diesem verfälschenden Zitat das Ziel der Denunziation“ verfolgt. „Özdemir ging es lediglich um die moralische Diskreditierung eines Kontrahenten, nicht um dessen Inhalte.“ [2]

Was Baberowski im Deutschen Historischen Museum sagte

Sowohl Baberowski als auch die FAZ lügen. Das Deutsche Historische Museum hat eine Tonaufnahme des Schlüterhofgesprächs vom 1. Oktober 2014 ins Netz gestellt, die auch heute noch abrufbar ist. [3] Dort äußert Baberowski ab der 20. Minute wörtlich den von Özdemir zitierten Satz.

Die World Socialist Web Site hatte eine Woche später, am 8. Oktober 2014, über diese Veranstaltung berichtet und den entsprechenden Satz in voller Länge zitiert. [4] Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), die Jugendorganisation der Partei für Soziale Gleichheit (PSG), nahmen dann im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit Baberowski an der Humboldt-Universität darauf Bezug.

Dass Baberowski die IYSSE deshalb als „stalinistische Sekte“ bezeichnet, ist eine bewusste Lüge und Verleumdung. Er weiß, dass die IYSSE unversöhnliche Gegner des Stalinismus sind. Seit drei Jahren bekämpft er sie an der Humboldt-Universität als Trotzkisten. FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube veröffentlichte Ende 2014 sogar einen Artikel unter der Überschrift „Mobbing, trotzkistisch“, der die IYSSE wegen ihrer Kritik an Baberowski denunzierte. Doch vor einem großen Publikum zieht es Baberowski vor, zu lügen und die IYSSE als „Stalinisten“ zu beschimpfen. Als Historiker, der sich jahrelang mit dem Stalinismus befasst und in seiner Jugend als Mitglied des maoistischen KBW Stalin und Pol Pot verherrlicht hat, weiß er, dass der Stalinismus diskreditiert und verhasst ist und dass Zehntausende Trotzkisten im Kampf dagegen ihr Leben ließen.

Ebenso gelogen ist Baberowskis Behauptung, die IYSSE hätten den Halbsatz, „dann soll man die Finger davon lassen“, mutwillig weggelassen, um ihn zu verleumden. Tatsächlich hat die WSWS diesen Halbsatz sowohl in ihrem ersten Bericht vom Oktober 2014 als auch in späteren Veröffentlichungen zitiert. Er ändert aber nichts am reaktionären Inhalt von Baberowskis Aussage.

Deren Kern besteht darin, dass man den Terrorismus nur mit den völkerrechtswidrigen Methoden des Vernichtungskriegs bekämpfen könne. Es handelt sich um das typische Argumentationsmuster der äußersten Rechten, mit dem Kriegsverbrechen legitimiert werden und die öffentliche Meinung darauf eingestimmt wird: „Wenn man nicht bereit ist zu foltern, Verdächtige mit Kampfdrohnen zu eliminieren oder – wie im Irak und in Libyen – ganze Städte zu zerstören, dann soll man die Finger davon lassen.“

Die Behauptung, man könne Gewalt nur mit noch brutalerer Gewalt bekämpfen, zieht sich wie ein roter Faden durch alle öffentlichen Äußerungen Baberowskis, auch wenn er – wie bei „Maybrit Illner“ – zu Fragen der Inneren Sicherheit spricht und nach einem starken, autoritären Staat ruft.

Auch Baberowskis Behauptung, er habe sich im Deutschen Historischen Museum gegen militärische Interventionen gegen Terroristen ausgesprochen, ist eine Lüge.

Das geht schon aus dem zitierten Satz selbst hervor. Baberwoski hatte nicht gesagt, man solle die Finger von solchen Intervention lassen, weil sie nur mit den Methoden des Vernichtungskriegs zu gewinnen seien. Stattdessen hatte er gesagt, man solle die Finger davon lassen, wenn man nicht bereit sei, solche menschenverachtende Methoden anzuwenden. Das ist ein offenkundiger Unterschied.

Im weiteren Verlauf des Schlüterhofgesprächs sprach sich Baberowski dann vehement für derartige Interventionen aus. Er bestand allerdings darauf, dass sie so gut vorbereitet werden müssen, dass sie auch zu gewinnen sind.

Unmittelbar nach dem genannten Zitat sagte Baberowski, es sei „wichtig, dass Deutschland Verantwortung übernimmt, vor allem in solchen Konflikten, die es selbst betreffen“. Man solle sich aber überlegen, „für welchen Krieg man a) gerüstet ist, und ob man ihn b) gewinnen kann. Und wenn man ihn nicht gewinnen kann, dann soll man es lassen.“

Etwas später fügte er hinzu: „Mit so einer Institution wie ISIS kann das Militär mit Enthauptungsschlägen schnell fertig werden. Das ist kein Problem. Das können die Amerikaner lösen. Man kann die Anführer dieser Bande durch Killerkommandos umlegen lassen. Das ist alles gar kein Problem. Das ist machbar.“

Wenn dagegen „durch einen langen Bürgerkrieg staatliche Strukturen völlig zerstört worden“ seien, müsse man sich „darüber im Klaren sein, dass das viel Geld kosten wird und dass man Soldaten und Waffen in ein Machtvakuum hinein schicken muss“, fuhr Baberowski fort. Dabei sei das Allerwichtigste: „Man braucht dafür den politischen Willen und die politische Strategie und vor allem muss man dann auch sagen, damit das klappt, müssen wir da auch reingehen. Und das muss es uns wert sein. Das kostet Geld. Wir müssen da Truppen rein schicken. Diese Länder wie der Irak, Syrien und Libyen sind nicht mehr im Stande, dieses Problem selbst zu lösen.“

Ähnlich äußerte sich Baberowski auch bei späteren Gelegenheiten. So forderte er am 25. November 2015 in der Esslinger Zeitung, gegen Terroristen die gleichen Methoden anzuwenden, die sie selbst anwenden: „Auge um Auge und Zahn um Zahn“. Zu den Terroranschlägen in Frankreich sagte er: „Ich fand es fatal, dass Frau Merkel zu den Franzosen gesagt hat: ‚Wir weinen mit ihnen.‘ Wer so reagiert, wird von den Terroristen als Schwächling verachtet.“

Baberowskis rechte Agenda

Jörg Baberowski ist zu einem führenden Sprecher einer neuen Rechten in Deutschland avanciert. Er ist ein gesuchter Autor und Gast, wenn in den Medien und auf öffentlichen Veranstaltungen für Kriege getrommelt, gegen Flüchtlinge gehetzt und für einen autoritären Staat geworben wird.

Ursprünglich hatte er sich vor allem durch seine Verharmlosung des Vernichtungskriegs der Nazis und die Rechtfertigung des Militarismus einen Namen gemacht. So machte er 2007 in einem Text die Sowjetunion für den Vernichtungskrieg an der Ostfront verantwortlich: „Stalin und seine Generäle zwangen der Wehrmacht einen Krieg neuen Typs auf, der die Zivilbevölkerung nicht mehr verschonte.“ Und 2014 erklärte er dem Spiegel: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam.“

In dem Buch „Wissenschaft oder Kriegspropaganda“, [5] das die Auseinandersetzung an der Berliner Humboldt-Universität schildert, wird dies im Einzelnen dokumentiert.

Im vergangenen Jahr trat Baberowskis dann als Hetzer gegen Flüchtlinge in Erscheinung. In zahlreichen Artikeln und öffentlichen Auftritten sprach er sich für eine drastische Einschränkung des Asylrechts aus. [6] Bundeskanzlerin Merkel warf er öffentlich Verfassungsbruch vor, weil sie in Osteuropa gestrandeten Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland erlaubt hatte. Dabei bediente er sich der Argumentationsmuster rechtsextremer Kreise.

In jüngster Zeit tut sich Baberowski als Befürworter eines starken, autoritären Staats hervor. Aus diesem Grund wurde er in die Talkshow von Maybritt Illner eingeladen. Er versuchte dort, dem CSU-Politiker Stephan Mayer und dem Kriminalbeamten Sebastian Fiedler in Sachen „Law and order“ den Rang abzulaufen.

Wie schon bei früheren Auftritten [7] wandte sich Baberowski gegen jede Form sozialer Prävention und forderte stattdessen ein rücksichtsloses, autoritäres Vorgehen des Staats. So erklärte er: „Diese Leute, die oft aus autoritären Milieus kommen, in denen sie sich aufhalten, die reagieren nur sozusagen, wenn der Staat mit Durchsetzungskraft und Durchsetzungsvermögen in Erscheinung tritt, sonst macht er sich einfach lächerlich. Und ein Staat, der sich lächerlich macht, erzielt keine Wirkung.“

Anmerkungen

[1] Die Sendung ist in der ZDF-Mediathek abrufbar. Die Auseinandersetzung über das Zitat beginnt bei Minute 47:00.

[2] „Wenn es in der Gesellschaft zugeht wie in ‚Mad Max‘“, von Frank Lübberding, faz.net 30. Mai 2016

[3] Deutsches Historisches Museum, „Interventionsmacht Deutschland?“, Schlüterhofgespräch am 1. Oktober 2014. Die Tonaufnahme befindet sich hier.

[4] Johannes Stern, „Kriegspropaganda im Deutschen Historischen Museum“, 8. Oktober 2014

[5] Peter Schwarz (Hrsg.), „Wissenschaft oder Kriegspropaganda“, Mehring Verlag 2015

[6] Siehe: „Jörg Baberowski hetzt gegen Flüchtlinge“, WSWS 1. Oktober 2015

[7] Siehe: “Jörg Baberowski wirbt für den starken Staat“, WSWS 25. Mai 2016

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