Obama in Hiroshima

Hauptthema des G7-Gipfels in Tokio waren die Kriegsvorbereitungen der USA gegen China. Am Rande des Gipfels nutzte US-Präsident Barack Obama einen Besuch beim Friedensdenkmal in Hiroshima für eine Predigt über weltweite Brüderlichkeit und Moral.

Im Hintergrund des Besuchs schwelte die Frage, ob sich Obama als erster US-Präsident für die Atombombenabwürfe entschuldigen werde, die zweifellos eins der größten Kriegsverbrechen der Geschichte darstellen. Der US-Präsident und Friedensnobelpreisträger machte jedoch von Anfang an deutlich, dass er nichts dergleichen tun werde.

Es ist beileibe nicht so, dass noch nie ein amerikanischer Regierungsvertreter den verbrecherischen Charakter dieses Aktes eingeräumt hätte. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am Ende des zweiten Weltkriegs hatten hunderttausende Zivilisten, überwiegend Frauen und Kindern, getötet.

Die historischen Fakten zeigen eindeutig, dass diese Massenmorde nicht dem Ziel dienten, „Leben zu retten“ und den Krieg schnell zu Ende zu bringen, wie es der amerikanischen Öffentlichkeit unaufhörlich eingetrichtert wird. Vielmehr sollten sie die Sowjetunion einschüchtern und einen möglichen Dritten Weltkrieg vorbereiten.

Der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg und spätere Präsident Dwight Eisenhower erklärte dem Magazin Newsweek im Jahr 1963, weniger als drei Jahre nach dem Ende seiner Amtszeit: „...die Japaner waren zur Kapitulation bereit. Es war nicht mehr nötig, sie noch mit diesen furchtbaren [Waffen] anzugreifen.“

Admiral William Leahy, Stabschefs von US-Präsident Harry Truman, der die Atombombenabwürfe angeordnet hatte, schrieb in seinen Memoiren: „Aus meiner Sicht hat der Einsatz dieser barbarischen Waffe in Hiroshima und Nagasaki unseren Krieg gegen Japan in materieller Hinsicht in keiner Weise unterstützt. Die Japaner waren aufgrund der wirksamen Seeblockade und der erfolgreichen Luftangriffe mit konventionellen Waffen bereits besiegt und zur Kapitulation bereit … Und meiner Ansicht nach übernahmen wir, indem wir als erste diese Waffe einsetzten, moralische Werte, die denen der Barbaren der dunklen Zeitalter vergleichbar waren. Ich war nicht dazu ausgebildet worden, Kriege dieser Art zu führen, und Kriege können nicht dadurch gewonnen werden, dass man Frauen und Kinder tötet.“

Obama konnte sich ein solch offenes Eingeständnis nicht leisten. Stattdessen setzte er auf blumige Rhetorik und sagte, in Hiroshima sei „der Tod vom Himmel gefallen, und die Welt hat sich verändert.“ Woher kam der Tod, als er „vom Himmel fiel“? Wer war es, der die Welt veränderte? Auf diese Fragen ging er wohlweislich nicht ein. Stattdessen betonte er in seiner misanthropischen Ansprache, die Ursache für solch barbarische Taten sei die Natur des Menschen: „Wir wissen aus Artefakten, dass es bereits unter den ersten Menschen zu gewalttätigen Konflikten kam.“

Weiter erklärte er, der Zweite Weltkrieg selbst sei „aus den gleichen niederen Trieben nach Herrschaft und Eroberung entstanden, die bereits unter den primitivsten Stämmen zu Konflikten führten.“

Obamas Reaktion auf diese „niederen Triebe“ lautet: „Wir müssen unsere Beziehungen untereinander als Angehörige einer einzigen menschlichen Rasse überdenken.“

Obamas vorsätzliche Täuschung und seine grotesk heuchlerische Art, die Menschheitsgeschichte zu verfälschen, geht aber weit über politische Zweckdienlichkeit und Feigheit hinaus.

Im Gegensatz zu den Politikern, deren Entscheidungen zum damaligen Krieg geführt hatten und die vor 71 Jahren die Verbrechen von Hiroshima und Nagasaki verschuldeten, kann der US-Präsident heute nicht einmal ansatzweise die Wahrheit darüber aussprechen. Dafür sind die Verbrechen, die er gerade vorbereitet, viel zu groß. Tatsächlich werden sie den Horror von damals noch weit übertreffen.

Hat irgendjemand erwartet, dass sich Obama für Hiroshima entschuldigt? Hätte er Reue zeigen wollen, hätte er besser mit Syrien, dem Irak, Libyen, Pakistan, Afghanistan, dem Jemen und Somalia angefangen. In diesen sieben Ländern fordern die Interventionen und Stellvertreterkriege der USA nach wie vor zahlreiche zivile Menschenleben. Vor fast acht Jahren konnte Obama, der Kandidat der „Hoffnung“ und des „Wandels“, dank einer massiven Antikriegsstimmung die Wahl gewinnen. Seither ist seine Regierung zweifellos für weit mehr zivile Todesopfer verantwortlich als die beiden Atomangriffe 1945 zusammen.

Obamas Rede vor dem Friedensdenkmal von Hiroshima wurde besonders schamlos und heuchlerisch, als er sich zum Kämpfer für nukleare Abrüstung hochstilisierte. „Nationen wie meine eigene, die Atomarsenale besitzen, müssen den Mut aufbringen, aus der Logik der Angst auszubrechen und eine Welt ohne Atomwaffen anzustreben“, erklärte er und fügte schnell hinzu: „Dieses Ziel werden wir vielleicht zu meiner Lebenszeit nicht mehr erreichen.“

Wenn die US-Regierung so weitermacht, wird zumindest der zweite Teil dieser Aussage ganz sicher eintreten. Der erste Teil der Rede ist bloß ein Beispiel für Obamas abstoßende Art, im Interesse des US-Imperialismus dreiste Lügen mit Moralausdünstungen zu mischen.

Vor kurzem veröffentlichte das Pentagon einen Bericht, laut dem Obama weniger zum Abbau der amerikanischen Atomarsenale beigetragen hat als jeder andere Präsident seit Ende des Kalten Krieges, einschließlich George H.W. und George W. Bush.

Die Obama-Regierung hat nicht nur die Gesamtzahl von Atomsprengköpfen erhöht, sie hat auch die ehrgeizigste atomare Aufrüstung der modernen Geschichte eingeleitet. In den nächsten dreißig Jahren soll das amerikanische Atomarsenal für eine Billion Dollar modernisiert werden. Soviel zum Thema „Mut, aus der Logik der Angst auszubrechen“. Nach diesem Plan sollen sich die Ausgaben für Atomwaffen verdoppeln. Gleichzeitig behauptet die Regierung ständig, es sei kein Geld vorhanden, um Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit, Armut und das Elend immer größerer Teile der arbeitenden Bevölkerung in den USA zu finanzieren.

Die neuen Atom-U-Boote und Bomber, Interkontinentalraketen und Marschflugkörper sind der Obama-Regierung einfach wichtiger. Gleichzeitig werden neue, schnellere und leichter einsetzbare Waffen entwickelt. Sie machen den Übergang von einem konventionellen zum Atomkrieg nicht nur wahrscheinlicher, sondern unausweichlich.

Diese nukleare Aufrüstung findet statt, während Militärprovokationen an den Grenzen zur zweiten großen Atommacht der Welt immer weiter eskalieren. An der russischen Westgrenze werden US-Truppen und Raketenabwehrsysteme aufgebaut und in den chinesischen Hoheitsgewässern führt die US Navy immer neue Operationen zur „Sicherung der Freiheit der Seefahrt“ durch.

Die Welt steht heute so nahe am Rand eines Atomkriegs wie zuletzt während der Kubakrise 1962. Eine wahnsinnige Vorbereitung auf neue Massenmorde findet statt. Das liegt aber nicht am inhärent gewalttätigen Wesen des Menschen, wie Obama behauptet. Der Grund ist die unlösbare Krise des kapitalistischen Weltsystems und sind vor allem die Versuche der USA, durch den Einsatz ihrer Militärmacht ihren relativen wirtschaftlichen Niedergang auszugleichen und ihre Position als globale Hegemonialmacht zu erhalten.

Die internationale Arbeiterklasse muss den Imperialismus daran hindern, die ganze Menschheit in ein solches Grauen wie in Hiroshima zu stürzen. Notwendig ist eine Massenbewegung gegen Krieg und dessen Quelle: das kapitalistische System.

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