ISO deckt Verrat der CWA im Verizon-Streik

Im Streik der 39.000 Beschäftigten des Telekommunikationskonzerns Verizon haben die beiden Gewerkschaften Communications Workers of America (CWA) und International Brotherhood of Electrical Workers (IBEW) am 27. Mai eine „grundsätzliche Einigung“ mit dem Unternehmen bekanntgegeben. Seitdem versuchen CWA und IBEW alles, um den Streik schnell abzuwürgen. Sie haben die Streikenden aufgerufen, die Arbeit am 1. Juni wieder aufzunehmen.

Viele der Verizon-Mitarbeiter sind wütend über diese regelrechte Sabotage ihres Kampfes. Sie werden zurück an die Arbeit geschickt, ohne sich über die Einigung zwischen Gewerkschaften und Unternehmen überhaupt informieren zu können. Ein Abschluss der Verhandlungen ist noch nicht einmal erreicht worden. Die „Kernpunkte“ der bekanntgegebenen „grundsätzlichen Einigung“ zeigen, dass die Gewerkschaften große Zugeständnisse gemacht haben. Den Beschäftigten entstehen unter anderem Hunderte von Millionen zusätzlicher Kosten für ihre Gesundheitsversorgung. Andere Veränderungen begünstigen die Restrukturierung von Verizon und erleichtern die Entlassung von Tausenden von Beschäftigten. Die Unternehmensleitung hat die Einigung in den höchsten Tönen gelobt.

Eine Reihe von pseudosozialistischen Organisationen unterstützt die Gewerkschaften dabei, die Arbeiter zu zwingen, die Arbeit wieder aufzunehmen und jedes Verhandlungsergebnis zu akzeptieren. Das Markenzeichen dieser Organisationen ist es, Zugeständnisse als „Siege“ zu verkaufen. Gruppierungen wie die International Socialist Organization (ISO) sind im Wesentlichen Hilfstruppen der Demokratischen Partei. Sie fungieren oft als Verbindungsglied zwischen Demokratischen Funktionsträgern und dem Gewerkschaftsapparat und dienen beiden als „linke“ Abdeckung.

Vor allem die ISO spielt im Apparat der CWA eine aktive Rolle. Etliche ihrer Mitglieder und Unterstützer bekleiden Funktionen auf unterer Ebene. Am 31. Mai erschien auf der Webseite der ISO, Socialist Worker, ein Interview unter dem Titel „Wir haben uns gegen die Macht des Kapitals gewehrt“ mit einem namentlich nicht genannten Vertrauensmann der CWA in New York City, der eindeutig ein Unterstützer der ISO ist. Der Interviewer war Danny Katch, der für den Socialist Worker schreibt. Die Fragen wie die Antworten zielten darauf ab, die Einigung, die einen Ausverkauf der Beschäftigten bedeutet, so positiv wie möglich darzustellen und gleichzeitig dem beiden Gesprächspartnern bewussten tiefen Misstrauen der Arbeiter und ihrer Wut über das Ende des Streiks entgegenzutreten.

Zu Beginn des Artikels räumt der Socialist Worker ein, dass „erst wenige Details bekannt sind, während sich die Gewerkschafter auf die Abstimmung über das Ergebnis vorbereiten. Die Streikenden glauben, dass sie insgesamt gesehen einen Sieg errungen haben.“ Im Verlauf des Interviews erklärt der ISO-Unterstützer, sein „Bauchgefühl“ sage ihm, „es ist ein defensiver Sieg, der einige interessante neue Möglichkeiten beinhaltet.“

Worin besteht dieser „Sieg”? Der Vertrauensmann erwähnt beiläufig, „wir haben uns alle auf höhere Kosten für die Gesundheitsversorgung und auch auf Kürzungen der Rentenbezüge gefasst gemacht“. Zur Begründung führt er an, dass „die Gewerkschaft bereits angeboten hatte, Zugeständnisse in Höhe von 200 Millionen Dollar zu machen.“ Dass die Beschäftigten nach dem neuen Tarifvertrag wesentlich höhere Gesundheitskosten mit entsprechend verheerenden Auswirkungen auf ihre Familien haben werden, tut er mit dem Hinweis darauf ab, dass die Gewerkschaft diesen Zugeständnissen bereits zugestimmt hatte. Keine große Sache also!

Dafür lobt der Vertrauensmann einen angeblichen Plan, 1.500 zusätzliche Call Agents zum Niedriglohn einzustellen, sowie eine Abmachung, dass die CWA eine kleine Anzahl von Verizon-Mitarbeitern „organisiert“, die in der Sparte Mobilfunk arbeiten und niedrigere Gehälter und Zulagen beziehen. Diese Vereinbarungen sollen das Interesse der CWA bedienen, weiterhin Mitgliedsbeiträge zu kassieren. CWA-Funktionäre bezeichnen diese schlecht bezahlten Arbeitskräfte oft als neue „Beitragszahler“.

Der Interviewte versucht den Ärger der Beschäftigten darüber, dass sie zur Wiederaufnahme der Arbeit gedrängt werden, ohne das Verhandlungsergebnis prüfen zu können, zu beschwichtigen. Er sagt, es sei „frustrierend“, dass „wir die Streikposten abziehen mussten, bevor wir zuverlässige Informationen über den Abschluss hatten.“ Dann versucht er die Arbeiter zu beruhigen, denn es käme „sehr selten vor, dass die Mitglieder einen fertigen Tarifvertrag lesen, ehe sie die Arbeit wieder aufnehmen.” Der Verrat der CWA und der IBEW ist also legitim… weil die pro-kapitalistischen Gewerkschaften als Ganzes Verrat üben.

Als angeblich beweiskräftiges Beispiel gegen diese Bilanz des Verrats führt der ISO-Anhänger den Streik der Lehrer 2012 in Chicago an, wo, so behauptet er, „die Gewerkschaft den Streik weiterführte, damit ihre Mitglieder lesen konnten, was im Tarifvertrag stand.“ Die ISO, die in der Gewerkschaft der Lehrer in Chicago eine führende Rolle spielt, verschweigt ihren Lesern, dass die CTU einer Ausweitung des Streiks erst zustimmte, nachdem es beinahe zu einem Aufstand der Lehrer gekommen war, die ihr Recht einforderten, den Inhalt des Abschlusses zu erfahren. Die WSWS stand an der Spitze dieser Kampagne.

Der ISO-Unterstützer gibt schließlich zu, dass die Verizon-Beschäftigten vor ihrer Rückkehr an die Arbeit nur eine „Absichtserklärung“ zu Gesicht bekommen werden, und darin „sind nicht alle Änderungen aufgeführt. Die Kollegen erinnern sich an unseren letzten Tarifvertrag, der eine Menge von Überraschungen bereithielt, die wir vor der Abstimmung in der Absichtserklärung nicht erkennen konnten.“ Trotzdem haben Katch und der ISO-Anhänger kein Problem damit, den Streik als Sieg anzupreisen und seinen Abbruch zu befürworten.

Die ISO möchte verhindern, dass die Arbeiter aus der schnellen Beendigung des Streiks am Memorial Day, als sie nicht Streikposten standen und die „grundsätzliche Einigung“ kaum miteinander diskutieren konnten, die offenkundige Schlussfolgerung ziehen: Dass die Gewerkschaften die Wiederaufnahme der Arbeit erreichen wollten, bevor die Beschäftigten die schändliche Einigung einsehen und diskutieren konnten.

Die ISO verschweigt auch, dass die Streikenden in New York ab dem 1. Juni Arbeitslosengeld und auch eine Aufstockung des mickrigen Streikgeldes erhalten sollten, das die CWA aus ihrem 400-Millionen-Streikfonds ausgezahlt hat. Das hätte den finanziellen Druck auf die Arbeiter verringert, den die Gewerkschaften und das Unternehmen ausnutzen wollen, um die Einigung durchzuboxen.

Besonders bemerkenswert ist, dass im gesamten Interview, wie auch in allen Artikeln des Socialist Worker über den Streik bei Verizon, die Rolle der Demokratischen Partei, die im Verlauf des Streiks zu einer wichtigen Frage wurde, keine Erwähnung findet. Der Demokratische Bürgermeister von New York City, Bill de Blasio, setzte die Polizei als Geleitschutz für Streikbrecher ein, wobei auch einige Streikposten verletzt wurden. Als de Blasio 2013 die Bürgermeisterwahl gewann, bejubelte ihn die ISO als „progressiven“ Politiker, der die Demokratische Partei verändern werde.

Dem Einsatz der Polizei folgte das Eingreifen der Regierung Obama, die den Streik durch einen staatlichen Schlichter zu beenden suchte. Die Regierung suchte und erreichte auch Verfügungen gegen die Streikposten vor den Hotels, in denen die Streikbrecher sich aufhielten.

Die ISO vertuschte zunächst die Rolle von de Blasio, dann stellte sie Obamas Intervention als positive Entwicklung dar. Socialist Worker behauptete in einem früheren Artikel, dass die staatliche Schlichtung das Ziel verfolge, „die widerspenstige Verizon-Geschäftsleitung zurück an den Verhandlungstisch zu bringen“.

Das ISO-Interview mit dem CWA-Vertrauensmann wurde nach einer „Solidaritäts“-Veranstaltung geführt, die die Organisation am letzten Freitag in Queens, New York abhielt. Die Sprecher berichteten von einem Einigungsvorschlag und begrüßten diesen durch die Bank als großen Sieg, obwohl sie den genauen Inhalt überhaupt nicht kannten. Sie versprachen eine Offensive in den sozialen Medien, um Unterstützung zu mobilisieren.

Über die gesamte Dauer des siebenwöchigen Verizon-Streiks arbeitete die ISO mit dem Gewerkschaftsapparat zusammen, um den Streik zu isolieren. Sie versuchten, den Widerstand gegen die Zugeständnisse, die das Unternehmen forderte, zu zermürben. Am Klarsten zeigt sich das an der Weigerung der CWA, 16.000 Beschäftigte bei AT&T West in den Streik zu rufen, die seit Monaten ohne einen gültigen Tarifvertrag sind. Der begrenzte Ausstand von 1700 Mitgliedern der CWA in San Diego wurde schon nach einigen Tagen abgebrochen, sobald der Ruf nach gemeinsamen Kampfmaßnahmen unüberhörbar wurde.

In keinem der fünf Artikel, die Socialist Worker im Mai über den Streik veröffentlichte, kommen die Versuche der CWA zur Sprache, einen Streik von Arbeitern der Telekommunikationsbranche an beiden Küsten der USA, der den Streik der Verizon-Arbeiter enorm gestärkt hätte, zu sabotieren.

Ein Artikel im Socialist Worker vom 24. Mai stellt die Dinge auf den Kopf, wenn er die CWA und IBEW so hinstellt, als ginge es ihnen um die Einheit der Arbeiter. Sie rufen eine Demonstration in Washington, DC, in Erinnerung, die Verizon-Arbeiter und eine Handvoll von Funktionären anderer Gewerkschaften zusammenbrachte. Statt einer echten gemeinsamen Aktion spricht sich der Artikel für die „mobilen Streikposten der Gewerkschaften, die sozialen Medien und das Bestreiken von Verizon Wireless“ aus, ferner für einen Werbespot im Rundfunk, der eine „faire Wirtschaft (fordert), die jedem nutzt“, und für eine „Personalisierung des Streiks“ durch einen Kinder- und Familientag.

Die wachsende Opposition an der Basis gegen die Verrätereien der CWA und IBEW sind Teil einer Reihe von Konflikten zwischen Arbeitern und den pro-kapitalistischen Gewerkschaften. In den letzten Monaten widersetzten sich die Lehrer in Detroit mit Krankschreibungsstreiks (sickouts) der Lehrergewerkschaft Detroit Federation of Teachers (DFT), um gegen sicherheitsgefährdende Zustände an den Schulen und jahrelangen Kürzungen bei Gehältern und Zulagen zu protestieren, die die DFT jedes Mal unterstützt hatte. Lehrer in Chicago zwangen die von der ISO geführte CTU, ihr „Ja“ zu scharfen Angriffen auf Pensionsansprüche zurückzunehmen. Im letzten Herbst kam es beinahe zu einer Rebellion der Autoarbeiter gegen die Gewerkschaft UAW (United Auto Workers) mit dem Ergebnis, dass zum ersten Mal nach drei Jahrzehnten ein von der UAW befürworteter nationaler Tarifvertrag abgelehnt wurde.

Bei allen diesen Ereignissen konnte man die wachsende Militanz und politische Radikalisierung der Arbeiterklasse beobachten. Arbeiter zeigten ein stärkeres Interesse an der World Socialist Web Site und unterstützten unser Eintreten für Basisorganisationen der Arbeiter, die unabhängig von den pro-kapitalistischen Gewerkschaften und den beiden Parteien des Großkapitals sind.

Heute, da die wachsende Wut der Arbeiterklasse die Zwangsjacke der Gewerkschaften zu durchbrechen und in einen politischen Kampf gegen die Demokratische Partei und das gesamte politische Establishment zu münden droht, versuchen die pseudolinken Gruppierungen verzweifelt, die Autorität dieser arbeiterfeindlichen Organisationen aufrechtzuerhalten.

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