Washington und Peking stecken Fronten im Südchinesischen Meer ab

Der Shangri-La-Dialog ist eine jährlich in Singapur stattfindende Konferenz des Internationalen Instituts für Strategische Studien. Am vergangenen Wochenende nutzten die US-Regierung und das Pentagon das Treffen, um China wegen seiner Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer zu drohen. Peking reagierte mit der knappen Aussage nicht zurückzuweichen. Sein Land habe „keine Angst vor Schwierigkeiten“ erklärte der chinesische Admiral Sun Jianguo.

Der bedrohliche Charakter der Konferenz steht im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf eine Entscheidung des Internationalen Schiedsgerichtshofs in Den Haag über eine von den USA unterstützte und von den Philippinen eingebrachte Anfechtung der Gebietsansprüche Chinas auf die Spratly-Inseln. Der Gerichtshof, der vorwiegend mit Vertretern der großen imperialistischen Mächte besetzt ist, wird voraussichtlich diesen Monat gegen Peking entscheiden. Die chinesische Regierung hat die Zuständigkeit des Gerichtshofs kategorisch zurückgewiesen und erklärt, es werde seine Entscheidung ignorieren.

Washington wurde auf dem Shangri-La-Dialog von Verteidigungsminister Ashton Carter und Admiral Harry Harris, dem Oberbefehlshaber des US-Pazific-Command, einem teilstreitkraftübergreifenden Regionalkommando der US-Streitkräfte, vertreten.

Carters Rede am Samstag war arrogant, provokativ und drohend. Er prahlte damit, das US-Militär habe als Teil der Strategie der Obama-Regierung für eine „neue Balance“ oder „Konzentration“ auf Asien „seine modernste Militärausrüstung im asiatisch-pazifischen Raum“ stationiert. Es würde „Jahrzehnte in Anspruch nehmen“, wenn „jemand die Art von militärischem Potential aufbauen wollte, wie die USA sie besitzen“, triumphierte der US-Verteidigungsminister.

Carter brüstete sich damit, der „militärische Schliff der USA“, sei „durch konkurrenzlose und hart verdiente Erfahrungen in den letzten 15 Jahren erworben worden“. Das ist eine Anspielung auf die brutalen, neokolonialen Kriege der USA im Nahen Osten, die Millionen Menschenleben gefordert und die größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst haben.

Carter versuchte Peking mit der Liste von Bündnissen und Partnerschaften der USA in Asien einzuschüchtern. Als erstes nannte er die zwei wichtigsten Verbündeten Washingtons in Asien, Japan und Australien. Washington erwartet, dass sich deren Truppen an einem US-geführten Krieg gegen China beteiligen würden. Die Philippinen, die als Stellvertreter Washingtons vor dem UN-Gerichtshof auftreten, wurden als nächstes genannt, dann Indien, anschließend wurden Vietnam und Singapur, Südkorea, Thailand, Malaysia, Indonesien und Laos ins Lager der USA einbezogen.

Carter erklärte, Washingtons Netzwerk „richte sich nicht gegen irgendein spezielles Land“. Er machte jedoch sofort klar, dass China das Ziel ist. Er erklärte, es gebe eine „wachsende Besorgnis in dieser Region und in diesem Raum über Chinas Aktivitäten in den Meeren, im Cyberspace und im Luftraum der Region“.

Carter drohte, China „ könnte sich letzten Endes selbst isolieren“.

Den militärischen Befehlshabern und Analysten auf dieser Konferenz ist die Bedeutung dieser Bemerkung sicher nicht entgangen. Im Zentrum der militärischen Diskussion der USA, wie ein Krieg gegen China zu führen sei, steht eine Strategie, die „Offshore-Kontrolle“ genannt wird. Das ist eine Blockade der wichtigsten Schifffahrtswege zwischen dem indischen und dem pazifischen Ozean durch die Kriegsflotte der USA und Australiens um Chinas Zugang zu Rohstoffen zu unterbrechen und einen wirtschaftlichen Zusammenbruch auszulösen.

In einer Erläuterung dieses Plans schrieb Mark Morris vom National War College der USA im November 2013:

„Der Krieg bricht aus, und die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten beginnen mit der Offshore-Kontrolle. Die Importe und Exporte Chinas, die auf dem Seeweg transportiert werden, gehen drastisch zurück. Die Produktion in den Fabriken bricht ein, und Millionen Arbeiter werden entlassen. Sehr bald steigen die Zahlen auf mehrere Zehnmillionen und vielleicht hundert Millionen ... Wenn es keine Arbeitsplätze gibt, fangen sie an zu protestieren ... Jetzt ist die Kommunistische Partei Chinas mit mehreren zehn Millionen arbeitslosen Demonstranten konfrontiert. Sie wird versuchen, einem unsichtbaren Feind die Schuld dafür zu geben ... Man glaubt der Partei nicht, und die Unzufriedenheit wächst und die Proteste wachsen. Die KPCh befiehlt der Volksbefreiungsarmee die Blockade zu brechen. Die Kriegsmarine der Volksbefreiungsarmee antwortet, dass China nicht die richtige Kriegsmarine dafür besitzt und sie nicht in der Lage ist, diesen Befehl auszuführen. Die Unzufriedenheit wächst und die Proteste erscheinen den Parteiführern immer bedrohlicher. Die KPCh erklärt, sie habe dem ausländischen Hund eine Lektion erteilt und strebt eine [Friedens]Konferenz in Genf an.“

Anders als in dem Szenario, wie Morris es skizziert, dass das chinesische Regime kapituliert, könnte die Bereitschaft der Vereinigten Staaten, China militärisch zu isolieren, zu einem umfassenden Krieg und einem atomaren Schlagabtausch führen. Das wurde während der Shangri-La-Konferenz bei mehreren Gelegenheiten klar gemacht.

Während einer Forumsdiskussion vom 4. Juni erklärte Carter, falls China auf die Entscheidung des UN-Gerichtshofs mit dem Aufbau von Militärstrukturen auf dem Scarborough Riff beginnen sollte, würde das „zu Aktionen auf Seiten der USA und von anderen in der Region führen, die nicht nur die Spannungen erhöhen würden, sondern China isolieren“. Das Scarborough Riff ist eine Insel, die unter chinesischer Kontrolle steht, aber auch von den Philippinen beansprucht wird.

Auf einer Pressekonferenz am Abend desselben Tages, auf der Carter und Admiral Harris sich äußerten, erklärte Harris: „Wir wollen mit China auf so vielen Gebieten wie möglich zusammenarbeiten ... Aber, sehen Sie, das Grundlegende ist, wir wollen zusammenarbeiten, wo wir können, aber wir müssen als Militär bereit sein, auf Konfrontationskurs zu gehen, wenn wir das müssen.“

Sowohl Carter als auch Harris bestätigten, die USA würden die militärischen Einsätze in Gebieten, die von China beansprucht werden, unter dem Vorwand der „Freiheit der Seefahrt“ fortsetzen und ausweiten

Am Sonntag antwortete Chinas Admiral Sun mit sorgfältig vorbereiteten Worten. Er bezog sich auf den von den Philippinen gegen China vor die UN gebrachten Fall und erklärte: „Einige Hegemonialmächte haben kleinere Länder darin bestärkt, größere Länder zu provozieren.“ China, erklärte er, „wird nicht die Konsequenzen tragen, und genauso wenig wird es eine Verletzung seiner Souveränität und seiner Sicherheitsinteressen erlauben oder gleichgültig bleiben, wenn einige Länder im Südchinesischen Meer Chaos auslösen“.

Während die USA und China ihre Kampflinien für die Konfrontation absteckten, definierten andere Staaten ihre Positionen.

Der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian schloss sich den USA an und forderte von der Europäischen Union, Seestreitkräfte einzusetzen, um die „Freiheit der Seefahrt“ im Südchinesischen Meer aufrechtzuerhalten. „Wenn wir das Risiko eines Konflikts eindämmen wollen, dann müssen wir dieses Recht verteidigen und zwar müssen wir es selbst verteidigen.“

In einer schriftlichen Stellungnahme unterstützte Australiens Außenministerin Julie Bishop die Rede von Carter und versprach Canberras Unterstützung. Sie erklärte: „In dem Maße wie die Welt immer verbundener und voneinander abhängig wird, wird die Allianz zwischen den USA und Australien notwendigerweise immer globaler. Australien vertritt in der Auseinandersetzung im Südchinesischen Meer schon seit Jahren eine Position, und die ist allen Ländern, darunter auch China, bekannt.“

In einer Rede auf der Konferenz beschuldigte der japanische Verteidigungsminister Gen Natakani China, die „auf Regeln basierende globale Ordnung herauszufordern“. Das ist die Ausdrucksweise, die von Washington und seinen Verbündeten benutzt wird, um die Unterordnung Chinas unter die militärische und politische Vorherrschaft der USA zu fordern. Am Rande der Konferenz unterschrieben Japan, Indien und die USA ein Abkommen, um die „trilaterale“ militärische Zusammenarbeit im Indischen und Pazifischen Ozean auszuweiten.

Nguyen Chi Vinh, Vietnams Stellvertretender Verteidigungsminister, sprach ganz unverblümt die Schlussfolgerungen aus, die sich aus dem Shangri-La-Dialog ergeben. Er saß neben dem chinesischen Admiral Sun und warnte, Chinas Weigerung, sich unterzuordnen, werde „zu einem militärischen Konflikt führen“.

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