Streikende Arbeiter in Frankreich und Belgien widersetzen sich Ausverkauf der Gewerkschaften

Die Streiks bei der Müllabfuhr und Müllverbrennung in Frankreich gegen das reaktionäre Gesetz der Regierung der Sozialistischen Partei (PS) zur „Reform“ des Arbeitsrechts, weiten sich aus.

In Paris legten Müllarbeiter die Arbeit nieder und blockierten die Depots der Müllwagen. In der größten Müllverbrennungsanlage in Fos-sur-Mer, die Müll aus der Region Marseille verbrennt, stimmten Arbeiter offiziell für Streik. Auch in mehreren anderen Städten, wie in St. Etienne und Lyon, trat die Müllabfuhr in den Streik.

Die Stadtverwaltung von Paris bestätigte in einem Kommuniqué, dass sie am Mittwochmorgen die Sicherheitskräfte gerufen habe, um die Blockade der streikenden Müllmänner aufzubrechen. Berichten zufolge werden Verbrennungsanlagen in den Pariser Vororten Ivry-sur-Seine, Issy-les-Moulineaux und Saint-Ouen bestreikt oder blockiert.

„Die Dinge werden kompliziert“, erklärte Patrice Furé, der Chef von Syctom, der Abfallverwaltung der Region Paris, gegenüber Reuters. „Die Streikbewegung nimmt noch zu. Allmählich sind auch private Firmen betroffen. Der Bewegung geht keineswegs die Luft aus, ganz im Gegenteil.“

Die Blockaden begannen, als die Eisenbahner in Frankreich und Belgien über die Fortsetzung ihrer Streiks gegen die Kürzungen bei den Löhnen und Sozialleistungen und gegen die Arbeitsrechtsreformen der französischen und der belgischen Regierungen abstimmten.

In Belgien verlängerten die französischsprachigen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (CGSP) den Streik um eine Woche. Die entsprechende flämische Gewerkschaft ACOD-Spoor erklärte jedoch, sie strebe einen Kompromiss mit dem Management an. Im französischsprachigen Teil Belgiens weitet sich ein Müllstreik u. a. in den Städten Mons, Tournai und Liège aus.

In Frankreich gehen die Streiks weiter, obwohl die Gewerkschaftsbürokratien intensiv mit den staatlichen Behörden verhandeln und die Regierung den Druck erhöht, die Streiks vor dem Beginn der Fußballeuropameisterschaft zu beenden.

Wichtige Raffinerien, z.B. in Donges und Gonfreville-l’Orcher im Norden und im Rhonetal nahe Marseille befinden sich noch im Streik und die Anlage von Lavéra ist immer noch teilweise blockiert. In der Rafinerie Grandpuits bei Paris wurde nach Angaben der CGT die Arbeit wieder aufgenommen, obwohl die Mehrheit der Arbeiter den Streik fortsetzen wollte. Nicht näher genannte Gewerkschaften hätten eine Abstimmung angesetzt, in die sie jede Menge Streikgegner einschleusten, um den Streik zu beenden.

Am Dienstag ergaben Abstimmungen der Eisenbahnergewerkschaften nach intensiven Verhandlungen mit dem Bahnvorstand und staatlichen Vertretern eine knappe Mehrheit für die Fortsetzung des Streiks.

„Es gibt Zeiten, da muss man einem berühmten Zitat zufolge wissen, wann man einen Streik beenden muss“, erklärte Präsident Francois Hollande. Damit bezog er sich auf den berüchtigten Aufruf des damaligen Vorsitzenden der stalinistischen KPF, Maurice Thorez, den Generalstreik von 1936 ohne die Machteroberung der Arbeiterklasse zu beenden.

Hollandes indirekte Anspielung auf den Generalstreik von 1936 und die verräterische Rolle der Kommunistischen Partei Frankreichs ist praktisch ein Eingeständnis der PS, dass die europäische Bourgeoisie eine politische Konfrontation von revolutionären Dimensionen mit der Arbeiterklasse wagt, wenn sie versucht gegen den überwältigenden Widerstand der Bevölkerung ihr reaktionäres Arbeitsrecht durchzudrücken. Dabei versucht sie das Fehlen einer revolutionären Führung auf Seiten der Arbeiterklasse auszunutzen.

Es ist inzwischen klar, dass die Arbeiterklasse das Gesetz nur zu Fall bringen kann, wenn sie die PS-Regierung stürzt. Die PS hat klar gemacht, dass sie entschlossen ist, trotz des Widerstands an dem Gesetz festzuhalten. Sie stützt sich dabei auf die Gewerkschaften und ihre politischen Verbündeten, um die Streiks zu begrenzen.

Die Gewerkschaftsbürokratien wagen es zwar nicht, den Eisenbahnerstreik abzubrechen, aus Angst breiteren Ärger und eine unkontrollierbare Explosion von Arbeiterkämpfen wie im Generalstreik von 1936 zu provozieren. Aber sie bremsen die Streikbewegung, so gut sie können. Die wichtigste Rolle dabei spielen die stalinistische CGT und die Gewerkschaft SUD, die der kleinbürgerlichen Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) nahe steht.

Am Dienstag erklärten Regierungsquellen gegenüber Le Monde: „Die CGT schien am Dienstagmorgen nicht abgeneigt, zu einer Lösung zu kommen, aber leider hängt die ganze Situation von der nationalen Lage beim Arbeitsgesetz ab.“

Gleichzeitig stellten sie klar, dass die PS nicht einen Zentimeter nachgeben werde, weder beim Arbeitsgesetz, noch bei den Privatisierungsplänen im Eisenbahnsektor. „Es wird keine neuen Verhandlungen geben. Das heute Abend verabschiedete Übereinkommen wird nicht in Kraft treten, sondern das Management der Bahngesellschaft SNCF wird einseitige Maßnahmen treffen.“

Während mit der PS verbündete Gewerkschaften offen ein Ende der Bahnstreiks fordern, gab die CGT am Dienstag zum ersten Mal keinen formellen Aufruf zur Fortsetzung der Streiks heraus. Sie wandte sich jedoch nicht gegen den Aufruf von SUD, weiterzustreiken.

Streikende Arbeiter, die an Vollversammlungen teilgenommen hatten, berichteten der WSWS, dass die Gewerkschaften zwar nicht offen für ein Ende der Streiks eintreten, aber bereits darüber diskutieren, den Streik ohne die geforderte Rücknahme des Arbeitsgesetzes zu beenden. „Sie sagten, dass die Proteste die Kraftwerks- und Hafenarbeiter schon näher zueinander gebracht hätten. Sie sagten, wie die Proteste auch ausgehen würden, wir müssen uns nicht schämen, weil wir gut gekämpft haben.“

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