Amerikanisches und chinesisches Flugzeug erneut fast zusammengestoßen

Am Dienstag kam es laut Angaben der USA über dem Ostchinesischen Meer zu einer „bedenklich“ nahen Begegnung zwischen einem amerikanischen Aufklärungsflugzeug und einem chinesischen Kampfflugzeug. Der bisher noch unbestätigte Zwischenfall ereignete sich vor dem Hintergrund der aggressiven Haltung Washingtons in den Seegebietstreitigkeiten im Ost- und Südchinesischen Meer.

Wie das US Pacific Command erklärte, haben zwei chinesische Kampfjets vom Typ J-10 ein amerikanisches Flugzeug vom Typ RC-135 abgefangen, das sich angeblich auf einer „Routinepatrouille“ in einem nicht näher beschriebenen Gebiet des Ostchinesischen Meeres befand. Einer der chinesischen Jets sei „bedenklich nahe“ an das amerikanische Flugzeug herangeflogen. „Nach ersten Einschätzungen war es scheinbar ein Fall von unangemessenem Flugverhalten. Es kam zu keinen anderen provokanten oder bedenklichen Manövern.“ Ein amerikanischer Regierungsvertreter erklärte gegenüber CNN, das chinesische Flugzeug habe sich nicht weiter als 30 Meter genähert.

Die amerikanischen und internationalen Medien gaben diese Schilderung unkritisch wieder und schmückten sie zu Schlagzeilen aus wie: „Bedenkliches Abfangmanöver chinesischer Flugzeuge gegen amerikanisches Spionageflugzeug“ (Washington Post), „Chinesisches Flugzeug bedroht amerikanischen Aufklärer“ (Washington Times) und „Warum fängt China amerikanische Flugzeuge auf Routinepatrouillen ab?“ (Christian Science Monitor)

Der Vorfall wird wieder einmal ausgenutzt, um China als „provokant“ und „expansionistisch“ darzustellen. So soll die massive Aufrüstung des US-Militärs in der ganzen Region im Rahmen von Präsident Obamas „Pivot to Asia“ gerechtfertigt werden. Der jüngste Vorfall ist jedoch kein Anzeichen für Chinas Aggression, sondern dafür, dass Washington eine Eskalation seiner Provokationen vorbereitet. Als Vorwand dient ihm dabei ein diesen Monat erwartetes Urteil des Ständigen Schiedshofs der Vereinten Nationen in einer Klage der Philippinen gegen chinesische Gebietsansprüche. Die Philippinen werden dabei von den USA unterstützt.

Letzten Monat ereignete sich bereits ein ähnlicher Vorfall. Laut Angaben des Pentagon hatten zwei chinesische Jagdflugzeuge ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug im Südchinesischen Meer auf bedenkliche Weise abgefangen.

Die eigentliche Frage ist nicht, warum chinesische Flugzeuge amerikanische Spionageflugzeuge abfangen, sondern warum diese amerikanischen Aufklärungsflugzeuge „Routinemissionen“ vor dem chinesischen Festland fliegen. Wenn China auch nur gelegentlich Aufklärungsflüge vor der amerikanischen Westküste durchführen würde, vor allem in der Nähe von wichtigen Marinestützpunkten, wären die Medien sofort voll mit Forderungen nach präventiven Militäraktionen oder Schlimmerem.

Das Pacific Command veröffentlichte keine Informationen darüber, wie diese jüngste „Routinemission“ ablief oder was ihr Ziel war. Die großen Marinestützpunkte auf der südchinesischen Insel Hainan, vor allem die U-Boot-Bunker, werden schon seit langem von den USA überwacht. Die RC-135-Flugzeuge können für eine ganze Reihe von elektronischen Überwachungs- und Störoperationen konfiguriert werden.

Das chinesische Verteidigungsministerium warf den USA am Mittwoch vor, sie würden den Vorfall „erneut vorsätzlich ausschlachten.“ Es erklärte: „Chinesische Militärpiloten halten sich bei ihren Einsätzen immer an die Gesetze und Verordnungen. Sie sind professionell und verantwortungsbewusst.“

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Hong Lei erklärte, der „Kern des Problems“ sei die Präsenz amerikanischer Militärflugzeuge in der Nähe des chinesischen Festlandes. „Die USA fliegen weiterhin aufdringliche Aufklärungsflüge gegen China und schädigen damit die maritime Sicherheit Chinas in erheblichem Maße.“

Zeitgleich mit dem Vorfall am Dienstag trafen sich amerikanische Regierungsvertreter mit ihren chinesischen Amtskollegen in Peking zu einem jährlichen Wirtschafts- und Strategiedialog. Das zweitägige Treffen endete, ohne dass bei einer einzigen wichtigen Frage eine Einigung erzielt worden wäre. Diskutiert wurde u.a. über die Forderung der USA, China solle seine „Überkapazitäten“ reduzieren, vor allem bei Stahl und Aluminium, und seine Wirtschaft noch mehr für amerikanische Investoren öffnen.

Während des Shangri-La-Dialogs in Singapur am letzten Wochenende kam es zum Streit zwischen chinesischen und amerikanischen Regierungsvertretern über sicherheitspolitische und militärische Fragen. US-Verteidigungsminister Ashton Carter warf Peking vor, es sei durch seine Aktivitäten „auf den Meeren, im Cyberspace und im Luftraum der Region“ für die angespannte Lage verantwortlich. Als kaum verhohlene Drohung an China erklärte er, die USA hätten im asiatischen Pazifik hochmoderne Waffen stationiert, denen alle anderen Länder auf Jahrzehnte nichts entgegenzusetzen hätten.

Washington beruft sich bei seinen Einmischungen im Streit um das Südchinesische Meer immer wieder auf die „Freiheit der Seefahrt und des Überflugs“. Mit diesem Vorwand war die US Navy dreimal in provokanter Weise in die Zwölf-Meilen-Zone um von China beanspruchte Inseln eingedrungen. Angeblich ging es den USA dabei um den Schutz der für den Handel wichtigen Schifffahrtsrouten. Ihr eigentliches Ziel ist es jedoch, die „Freiheit“ ihrer Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge zu schützen, in der Nähe der chinesischen Küsten zu operieren.

Die als AirSea Battle bezeichnete Strategie des Pentagon für einen Krieg gegen China sieht massive Luft- und Raketenangriffe auf das chinesische Festland vor, unterstützt von einer Seeblockade, die Chinas Energie- und Rohstoffimporte aus dem Nahen Osten und Afrika unterbinden soll. Alle dafür benötigten Handelsrouten verlaufen durch das Ost- und Südchinesische Meer.

Die jüngste Begegnung von Flugzeugen verdeutlicht einmal mehr, dass eine Fehlkalkulation oder ein Missverständnis seitens eines chinesischen Flugzeugs oder Kriegsschiffs möglicherweise einen Konflikt auslösen könnte. Im Jahr 2001 war ein chinesischer Kampfjet mit einem amerikanischen Spionageflugzeug zusammengestoßen und abgestürzt. Das amerikanische Flugzeug musste auf Hainan landen. Der Vorfall löste damals einen schweren diplomatischen Streit aus. In der heutigen, von Spannung und Misstrauen geprägten Atmosphäre, hätte ein solcher Vorfall noch schlimmere Folgen.

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