Linkspartei wirbt für rot-rot-grünen Gauck-Nachfolger

Auf die Ankündigung von Bundespräsident Joachim Gauck, im kommenden Jahr aus „Altersgründen“ auf eine erneute Kandidatur zu verzichten, hat die Linkspartei mit einem weiteren Rechtsruck reagiert. In den vergangenen Tagen forderte ein Parteiführer nach dem anderen die Hartz-IV- und Kriegsparteien SPD und Grüne auf, bei den nächsten Bundespräsidentenwahlen im Frühjahr 2017 einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken.

Am Dienstag erklärte Sahra Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Linken im deutschen Bundestag, in einem Pressestatement: „Wir würden uns wünschen, dass die SPD den Mut hätte, sich aus der Umklammerung der Großen Koalition zu lösen und einen Kandidaten gemeinsam mit uns und den Grünen nicht nur vorzuschlagen, sondern auch durchzusetzen.“

Die beiden Linksparteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger hatten SPD und Grüne sofort nach Gaucks offizieller Ankündigung am Montag zu Gesprächen aufgefordert. In einer gemeinsamen Pressemitteilung erklärten sie ihren „Respekt vor der Entscheidung von Joachim Gauck“. Damit sei „die Zeit für Gespräche angebrochen“ und die Linke stünde „zu einer Verständigung mit SPD und den Grünen über eine gemeinsame Kandidatur [...] bereit“.

Vertreter unterschiedlicher Parteiströmungen und die Parteipresse stießen ins gleiche Horn. Dominik Heilig, der Sprecher des rechten Forums demokratischer Sozialismus, plädierte dafür, bei der Kandidatensuche neben SPD und Grünen „unbedingt auch Piraten und den Südschleswigschen Wählerverband“ einzubeziehen. Alban Werner von der Sozialistischen Linken, in der die Pseudolinke Strömung Marx21 den Ton angibt, bezeichnete es als „ideal“, wenn die SPD-Linke „einen guten Personalvorschlag in die Welt“ setzen würde, der auch für die Linkspartei und die Grünen „tragbar ist“.

Die Offensive der Linkspartei ist nicht auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten beschränkt. Ihren Avancen an SPD und Grüne dienen auch der Vorbereitung einer möglichen rot-rot-grünen Regierung auf Bundesebene.

Historisch waren die Bundespräsidentenwahlen oft Vorentscheidungen über spätere Regierungsbündnisse. So wurde Gustav Heinemann im März 1969 mit den Stimmen von SPD und FDP zum dritten Präsidenten der Nachkriegszeit gewählt. Im Herbst des gleichen Jahres kam es dann zur sozialliberalen Koalition mit Willy Brandt (SPD) als Bundeskanzler. 2012 wurde Gauck als gemeinsamer Kandidat von CDU/CSU, SPD und Grünen ins Rennen geschickt. Ein Jahr später folgte die Große Koalition.

Benjamin Hoff, Kultusminister der von der Linkspartei geführten rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen, formulierte in einem Kommentar mit dem Titel „Wer folgt auf Gauck?“ die strategischen Planspiele der Linkspartei. Die SPD müsse „die Bundespräsidentenwahl 2017 nutzen, um ein politisches Zeichen der eigenen Gestaltungskraft gegen die Union zu setzen. Dies wäre legitimatorischer Rückenwind für einen SPD-Kanzlerkandidaten…“

Die Linkspartei erhielte „die Gelegenheit, auf dem Weg zur Bundestagswahl 2017 nach den Stationen Berlin und Mecklenburg-Vorpommern und im Vorfeld der angestrebten Sondierungsverhandlungen über die Wiederaufnahme von rot-grün-rot in NRW in überdeutlicher Weise gestaltenden Einfluss auf die Bundespolitik zu nehmen ...“ Zudem könnte sie „einen Vertrauensvorschuss setzen, der all diejenigen Lügen straft, die rot-grün-rot schon jetzt für illusorisch halten“.

Am Ende seines Kommentars erklärte Hoff offen, auf welche gesellschaftliche Entwicklung die Linkspartei mit ihrem Anspruch auf mehr „gestaltenden Einfluss auf die Bundespolitik“ reagiert. Eine gemeinsame Präsidentschaftskandidatin (!) „könnte und sollte in Zeiten des Populismus von rechts, der Abstiegsangst weiter Teile der Mittelschicht, der Herausforderung durch die Flüchtlingsintegration und der Notwendigkeit, die europäische Integration ideell neu zu begründen, für den Mut stehen, zu sagen was ist“.

Um es klar zu formulieren: Unter Bedingungen der wachsenden Opposition gegen soziale Ungleichheit, des Niedergangs der etablierten Parteien und des Auseinanderbrechens der EU sieht die Linkspartei ihre Aufgabe darin, auch auf Bundesebene Regierungsverantwortung zu übernehmen, um die bürgerliche Herrschaft zu stabilisieren und eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus zu unterdrücken.

Wagenknecht, Kipping, Hoff und Co. verbrämen ihre Regierungsoffensive zwar wie immer mit einigen sozialen Phrasen, aber die tatsächliche Rolle von rot-rot-grün ist längst bekannt.

In Berlin hat die Linkspartei von 2001 bis 2011 zusammen mit der SPD eine soziale Katastrophe angerichtet. In Thüringen setzt die Ramelow-Regierung bereits jetzt die reaktionäre Politik der Bundesregierung um. Dazu gehören ein extrem wirtschaftsfreundlicher Kurs (Ramelow prahlt damit, „investorenfreundlicher“ als die CDU zu sein), die brutale Abschiebung von Flüchtlingen und die offene Propagierung des deutschen Militarismus. Bezeichnenderweise wird am heutigen „Tag der Bundeswehr“ der Öffentlichkeit ein Leopard-Kampfpanzer auf dem Erfurter Domplatz präsentiert. Sicherlich zur vollen Zufriedenheit von Gauck, den die Linkspartei nun durch einen rot-rot-grünen Nachfolger ersetzen will.

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