Brexit-Referendum:

Galloway und Pseudolinke verteidigen Bündnis mit Ukip und rechten Tories

Am Montag kamen sogenannte „Linke“ mit rechten Nationalisten der Tories und der UK Independence Party (Ukip) zu einer gemeinsamen Veranstaltung für einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zusammen. Vertreter dieses politischen Bündnisses reagierten mit wütenden Rechtfertigungen auf das Eingreifen der Socialist Equality Party.

Bei der Veranstaltung, die in Chesterfield stattfand, traten u.a. zwei Mitglieder der Left Leave-Kampagne auf: Alex Gordon von der Rail, Maritime and Transport Union (RMT) und ein Vertreter der Indian Workers Association. Zu den Gründern von Left Leave gehörten die stalinistische Kommunistische Partei Großbritanniens und die Socialist Workers Party.

Gary Mathews, der nach eigenen Angaben der Labour Party beigetreten war, um Jeremy Corbyn als Vorsitzenden zu wählen, sprach für Labour Leave. Mark Hill vertrat Green Leave.

Hauptredner war George Galloway. Der ehemalige Abgeordnete der Koalition Respect war letzten Februar mit dem Parteichef der UK Independence Party Nigel Farage und Erz-Thatcher-Anhängern aufgetreten. Damals rief er unter der Parole „links, rechts, links, rechts, vorwärts Marsch“ dazu auf, bei dem Referendum zum EU-Austritt mit Ja zu stimmen.

Wie die World Socialist Web Site nach der Veranstaltung erklärt hatte, verwischt Galloways Unterstützung für die fremdenfeindliche „Graswurzel-Austrittskampagne“ die Klassenlinien nicht nur, sondern löscht sie aus, und zwar mit schwerwiegenden politischen Folgen.

Diese Warnung hat sich am Montag in Chesterfield bewahrheitet.

Nur vier Tage vor dem Treffen hatte der Faschist Thomas Mair die Labour-Abgeordnete Jo Cox brutal ermordet und dabei „Britain First“ gerufen. Am Samstag bezeichnete er sich vor dem Haftrichter als „politischer Aktivist“ und nannte als Namen „Tod den Verrätern, Freiheit für Großbritannien.“

Cox' Ermordung entlarvt, welch rechtsextreme Kräfte die nationalistische und immigrantenfeindliche Haltung mobilisiert, die in der Kampagne um das Referendum vorherrscht, besonders im Lager der Austrittsbefürworter. Die Veranstaltung begann zwar mit einer Schweigeminute für Cox, doch keiner der Sprecher erwähnte die rechtsextremen Ansichten ihres Mörders.

Galloway gab den Ton vor und erklärte, Cox' Ermordung sei ein „schmutziger, übler Mord“, allerdings könnte er aufgrund der eingeschränkten Berichterstattung nichts weiter dazu sagen. Dennoch, betonte er: „Was wir nicht zulassen dürfen, ist das Argument, dass weil jemand ermordet wurde, werde unsere Kampagne für den Austritt aus der Europäischen Union beeinträchtigt oder verliere ihre Berechtigung.“

Er argumentierte, nur weil die British National Party bestimmte Dinge ablehne, müsse man diese Dinge nicht gutheißen. Die Abstimmung am Donnerstag sei ein „binäres Referendum“, in dem „nur eine von zwei Antworten möglich ist: Austritt oder Verbleib.“

Ansonsten erklärte er die nationale Souveränität Großbritanniens zum wichtigsten Thema für die arbeitende Bevölkerung. Er nannte zwar Aspekte der neoliberalen Agenda der EU, erwähnte aber nichts über die Austeritätsmaßnahmen der britischen Labour- und Tory-Regierungen. Stattdessen erklärte er, das Referendum von 1975, bei dem sich die Mehrheit der Teilnehmer für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (der Vorgängerin der EU) ausgesprochen hatte, sei der Grund für die Angriffe auf die sozialen Bedingungen und demokratischen Rechte der Arbeiter.

Alex Gordon von der RMT rechtfertigte seine Ablehnung der EU mit angeblich „sozialistischen Gründen“ und stellte das Großbritannien vor 1975 als regelrechtes Arbeiterparadies dar. In Wirklichkeit gab es damals große Klassenkämpfe, u.a. landesweite Bergarbeiterstreiks in den Jahren 1972 und 1974, letzterer führte zum Sturz der Tory-Regierung unter Heath.

„Jetzt“, erklärt er, „wurde uns von den Institutionen der EU alles weggenommen, wovon wir geglaubt hatten, wir hätten es uns gesichert ­– öffentliches Eigentum an den strategischen Industrien, öffentliche Dienstleistungen in Gemeinschaftseigentum wie Bildung, Gesundheitsversorgung und Wohnung, alle Sicherheiten einer stabilen Gesellschaft.“

Gordon behauptete, für den Austritt zu stimmen sei ein Zeichen internationaler Solidarität. Er stellte die Massenproteste in Frankreich gegen das Arbeitsgesetz der amtierenden Sozialistischen Partei so dar, als handle es sich um eine nationale Revolte gegen die EU und gegen die „Degradierung“ der französischen Regierung auf den Status einer „Kolonie“.

Die stellvertretende nationale Sekretärin der SEP, Julie Hyland, sprach in der kurzen Redestunde der Debatte. Sie erklärte, es gebe zwar viele sozialistische Gründe, gegen die EU zu sein, „aber es gibt keine sozialistischen Gründe, Nigel Farage und die Ukip zu unterstützen, doch genau das hat George Galloway getan.“

Hyland zitierte Galloways begeisterte Unterstützung für Farage und seine Behauptungen, Linke und Rechte hätten gemeinsame Interessen. Außerdem hatte Galloway erklärt, bei dem Referendum ginge es u.a. darum zu entscheiden, „wer in Großbritannien leben und arbeiten kann und wen wir aus Großbritannien abschieben können.“

Hyland wies darauf hin, dass Galloway sein Bündnis mit dem Ukip-Führer mit dem Argument verteidigt hatte, Farage sei kein „Faschist.“ Vielmehr erklärte er, Farage sei ein „Poujadist, ein rechter Populist, der Themen wie die Zuwanderung so benutzt, wie es rechte Politiker tun.“

Sie fuhr fort: „Als ob es den Immigranten oder den streikenden Arbeiter, die ins Visier solcher Kräfte geraten, interessieren würde, ob sein Angreifer ein offener Faschist oder nur ein rechtsextremer Nationalist ist!“

Bis dahin reagierten die etwa 60 Teilnehmer mit Schweigen auf Hylands Äußerungen. Doch als sie das Publikum daran erinnerte, dass Farage nur wenige Wochen vor Cox' Ermordung erklärte hatte, wenn die Menschen glaubten, „wir hätten die Kontrolle über unsere Grenzen verloren,“ wäre Gewalt der nächste Schritt, wurde sie vom Sprecher von Green Leave und anderen Teilnehmern ausgebuht.

Die Forderungen, sie solle „ruhig sein“, wurden noch schriller als sie erklärte, das Schüren von ausländerfeindlichen Vorurteilen sei keine zweitrangige oder versehentliche Nebenwirkung des Referendums. Sein Zweck sei es, die Arbeiter und Jugendlichen aller europäischen Staaten von ihren gemeinsamen Klasseninteressen abzulenken und hinter einen Teil ihrer „eigenen“ herrschenden Klasse zu zwängen.

Hyland bezeichnete Galloways Bündnis mit den Rechten als „politisch kriminell“. Es habe „nichts mit Sozialismus oder den Interessen der arbeitenden Bevölkerung zu tun. Es entwaffnet die arbeitende Bevölkerung und stärkt die extreme Rechte. Die Arbeiter müssen nicht ihre ‚nationalen Souveränität‘ zurückerobern, sondern ihre unabhängigen Klasseninteressen im Kampf gegen alle Teile der britischen herrschenden Klasse durchsetzen, und in einem gemeinsamen Kampf mit den Arbeitern in ganz Europa gegen den Kapitalismus.“

Mathews und Hill taten Hylands Kritik an Bündnissen mit den Rechten als „Sektierertum“ ab.

Galloway selbst erklärte, eine ausführliche Antwort auf Hyland wäre „nicht hilfreich für die Versammlung und unser aller gemeinsame Sache.“ Weiter erklärte er: „Wir haben die Pflicht, so viele Leute wie möglich zu mobilisieren“, um am Donnerstag für den Austritt zu stimmen. Die Ukip hat bei der letzten Wahl vier Millionen Stimmen erhalten. „Deshalb werde ich heute Abend nicht die vier Millionen Menschen verprellen, deren Stimmen wir brauchen, denn das wäre eine taktisch unkluge Politik.“

Weiter erklärte er: „Ich stehe hinter jedem Wort, das ich gesagt oder geschrieben habe. Ich habe eine politische Haltung. Ich glaube nicht an die Freizügigkeit von Arbeitskräften, weil ich ein Gewerkschafter bin und weiß, dass eine unbegrenzte Erhöhung des Arbeitskräfteangebots den Preis, d.h. die Löhne, nach unten treibt. Ich weiß das, und jeder Arbeiter weiß es.“

Dann erklärte er, seine politische Linie stimme „mit allen möglichen Leuten überein, die ich grundsätzlich ablehne.“ Als Beispiel nannte er Boris Johnson, den konservativen Anführer der Austrittsbefürworter. „Aber jetzt ist nicht die Zeit, einen Großangriff auf Boris Johnson zu beginnen, weil er einige der Leute repräsentiert, die am Donnerstag genauso stimmen werden wie ich.“

Mathews erklärte zum Abschluss des Treffens, Farage sei ein „Nationalist und ein Populist, der die Unterstützung von vier Millionen Menschen hat, von denen wir wollen, dass sie später der sozialistischen Bewegung beitreten.“ An dieser Stelle erklärten mehrere Personen aus dem Publikum, sie seien Ukip-Mitglieder, „und stolz darauf.“

Die anwesenden SWP-Mitglieder schwiegen über die politische Amnestie, die Farage und führende Thatcher-Anhänger auf der Veranstaltung erhielten. Die SWP hatte zuvor behauptet, Left Leave sei eine fortschrittliche Alternative zu Galloways Bündnis mit der Ukip. Tatsächlich aber durfte Galloway in den letzten Wochen mehrfach bei Left-Leave-Veranstaltungen in Wales sprechen. Laut einem Brief in der Parteizeitung Socialist Worker hat die SWP daraufhin ihre Sprecher von Veranstaltungen abberufen, auf denen Galloway spricht.

Die SWP versucht damit lediglich, ihr Gesicht zu wahren. Das Schweigen über ihre Unterstützung für Bündnisse mit den nationalistischen Rechten im Rahmen von Left Leave ist Eingeständnis genug.

Dass Pseudolinke offen mit rechten Kräften zusammenarbeiten, ist kein rein britisches Phänomen. In der Ukraine unterstützten sie die Maidan-Proteste, die vom faschistischen Rechten Sektor angeführt und von den USA und dem deutschen Imperialismus unterstützt wurden. Beim Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien im Jahr 2014 unterstützten sie im Namen der nationalen Selbstbestimmung die Scottish National Party.

In Griechenland setzt Syriza, die politische Gebilde der Pseudolinken und der Eurostalinisten, brutale Sparmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse durch und befindet sich in einer Regierungskoalition mit den fremdenfeindlichen, rechten Unabhängigen Griechen (Anel).

Die SEP hatte bereits auf Diskussionen innerhalb der britischen Pseudolinken über die Koalition zwischen Syriza und Anel hingewiesen. Dabei wurde argumentiert, sie würden notfalls ein ähnliches Bündnis mit der Ukip eingehen. Die Referendumskampagne hat diese politische Neuausrichtung möglich gemacht.

Das verdeutlicht die politische Bedeutung der Weigerung der SEP, eines der rechten Lager des Referendums zu unterstützen, und stattdessen für einen aktiven Boykott zu kämpfen. Auf diese Weise will sie die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse etablieren und ein internationales sozialistisches Programm entwickeln.

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