Perspektive

Sanders' politische Revolution: Nationalistische Reaktion und Unterstützung für Clinton

Bernie Sanders' Reaktion auf das Ergebnis des Brexit-Referendums hat seine sogenannte politische Revolution als reaktionären Betrug entlarvt. Im Rahmen seiner zunehmend offenen Unterstützung für die voraussichtliche Demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton veröffentlichte Sanders am Mittwoch einen Kommentar in der New York Times mit dem Titel Die „Demokraten müssen aufwachen“. Darin drängt er die Kriegstreiberin und langjährige Interessenvertreterin der Wall Street dazu, sich an das wirtschaftsnationalistische Programm ihres Republikanischen Rivalen Donald Trump anzupassen.

Sanders warnt, dass der faschistische Milliardär die Wahl im November gewinnen könne, wenn er die Wut und Frustration der amerikanischen Arbeiter über ihren sinkenden Lebensstandard und wachsende soziale Ungleichheit ausnutzte. Die gleiche Stimmung hätte auch die britischen Wähler dazu gebracht, für den Austritt aus der Europäischen Union zu stimmen. Sein Lösungsvorschlag lautet, die Politik der rechten Führung der Austrittsbefürworter in Großbritannien und von Trump in den USA zu übernehmen: Protektionismus und Handelskrieg.

Sanders knüpfte an eine Rede an, die Trump am Vortag in der wirtschaftlich ruinierten ehemaligen Stahlstadt Monessen in Pennsylvania gehalten hatte. Er machte die Globalisierung und Handelsabkommen wie das Nordamerikanische Freihandelsabkommen und Obamas Transpazifische Partnerschaft für den Rückgang des Lebensstandards der amerikanischen Arbeiter und das Anwachsen sozialer Ungleichheit verantwortlich.

Er schreibt: „Genau wie die Austrittsbefürworter sind Millionen von amerikanischen Wählern mit Recht wütend und frustriert über die wirtschaftlichen Kräfte, die die Mittelschicht zerstören.“ Dann erklärt er: „Wir müssen uns grundlegend von unserer 'Freihandels'-Politik distanzieren und uns dem fairen Handel zuwenden. Amerikaner sollten nicht in Konkurrenz zu Arbeitern in Billiglohnländern stehen müssen, die ein paar Cent pro Stunde verdienen. Wir müssen die Transpazifische Partnerschaft verhindern.“

Es ist vollkommen richtig, dass die Globalisierung der Wirtschaft von der Wirtschafts- und Finanzelite in den USA und der Welt benutzt wurde, um die Arbeiterklasse zu schwächen, anzugreifen und ihren Lebensstandard zu zerstören. Es ist auch richtig, dass die diversen Handelsabkommen, die von den Kapitalisten und ihren Regierungen ausgehandelt werden, darauf ausgelegt sind, Arbeitsplätze zu zerstören und Löhne zu senken.

Doch wenn Trump und Sanders diese Politik kritisieren, erwähnen sie weder die Klasseninteressen, denen sie dient, noch das kapitalistische System als ihre Ursache. Daher ist ihre Kritik völlig demagogisch und dient reaktionären Zielen.

Sanders stieß unter Arbeitern und vor allem unter Jugendlichen auf großen Anklang, weil er sich als Sozialist darstellte, die Milliardärsklasse angriff und eine politische Revolution gegen die Herrschaft der Wall Street und das Anwachsen der sozialen Ungleichheit forderte. Doch in seiner Kolumne in der New York Times tauchen die Worte Kapitalismus und Sozialismus nicht auf.

Es gibt den Widerstand gegen die reaktionären kapitalistischen Handelsabkommen von links, basierend auf wirklichem Sozialismus und dem Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse über alle nationalen Grenzen hinweg. Und es gibt die Kritik von rechts, die auf Nationalismus, Militarismus und Fremdenfeindlichkeit basiert. Trump und Sanders kritisieren diese Abkommen von rechts, wobei Sanders versucht, seine protektionistischen Lösungsvorschläge mit scheinbar linker Rhetorik zu kaschieren.

Auch gegenüber der Europäischen Union, einem reaktionären Zusammenschluss von Bankern gegen die Arbeiterklasse, existiert Widerstand von links und von rechts. Die rechte Gegnerschaft äußert sich in der nationalistischen und immigrantenfeindlichen Politik der Austrittsbefürworter. Die linke Opposition findet ihren Ausdruck in der Kampagne der britischen Socialist Equality Party für einen aktiven Boykott des Referendums. Sie steht auf der Grundlage des revolutionären und internationalistischen Programms der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

Trump deutete an einer Stelle seiner Rede in Monessen den völlig wirtschaftsfreundlichen Kern seiner angeblichen Sorge um das Schicksal der Arbeiter an. Er erklärte: „Wir werden Amerika zum besten Ort der Welt machen, um ein Unternehmen zu gründen, Arbeiter einzustellen und eine Fabrik zu eröffnen. Dazu gehört eine Steuerreform, um die amerikanischen Arbeiter und Unternehmen von ihrer erdrückenden Last zu befreien. Wir werden außerdem die schädlichen Regeln abschaffen, die uns daran hindern, Arbeitsplätze zu schaffen.“

Mit anderen Worten, sein Programm „Amerika Zuerst“ bedeutet die Abschaffung der verbliebenen Steuern für Unternehmen und der wenigen Einschränkungen für Kapitalisten, die Arbeiterklasse auszubeuten.

Es bedeutet außerdem die Verschärfung der Konfrontation mit China, Russland und anderen Rivalen des amerikanischen Imperialismus; die Eskalation des Kriegskurses, die Akzeptanz von Folter als legitime Politik und eine massive Ausweitung der staatlichen Unterdrückung. Trump vertritt diese Politik zwar offen, aber auch Sanders' reaktionärer Nationalismus läuft auf derartige Maßnahmen hinaus.

Diese Politik ist die Antwort der reaktionärsten Teile der herrschenden Klasse auf die Wirtschaftskrise, die anhaltenden geopolitischen Konflikte und das Wiederaufleben des Klassenkampfs durch die Arbeiterklasse.

Wer Sanders' politische Laufbahn verfolgt hat, für den ist sein Wirtschaftsnationalismus keine neue Entwicklung. Er selbst hat ihn mit Angriffen auf Einwanderer und ausländische Arbeiter verteidigt. Letzten Juli, zwei Monate bevor er seinen Wahlkampf um die Demokratische Präsidentschaftskandidatur aufnahm, bezeichnete er in einem Interview mit der Webseite Vox die Politik der offenen Grenzen als einen rechten Vorschlag, der alle Menschen in Amerika ärmer machen werde. Offene Grenzen sind jedoch ein Grundprinzip für echten Sozialismus. Arbeiter müssen das Recht haben, an jedem Ort ihrer Wahl zu leben und zu arbeiten und dabei alle staatsbürgerlichen Rechte zu genießen.

Er fuhr fort: „Man schafft damit den Nationalstaat ab... Es werden Leute ins Land kommen, die für zwei oder drei Dollar pro Stunde arbeiten… Glauben Sie, wir sollten die Grenzen öffnen und einen Haufen billige Arbeitskräfte ins Land lassen? Oder glauben Sie, wir sollten diese Arbeitsplätze den [amerikanischen] Jugendlichen geben?“

Die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party haben von Anfang an vor Sanders gewarnt. Sein Wahlkampf sollte im Wesentlichen verhindern, dass der wachsende soziale Widerstand und die Feindschaft gegenüber dem politischen Establishment zur Entstehung einer unabhängigen sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse führt. Stattdessen sollte diese Stimmung in die sicheren Kanäle der Demokratischen Partei gelenkt werden. Diese Warnung hat sich nun bewahrheitet.

Es ist jetzt klar, dass Sanders' politische Revolution nicht nur zu seiner völligen Einbindung in die Demokratische Partei geführt hat. Er ist vielmehr zum Sprecher ihres nationalistischen Flügels geworden. Ironischerweise rechtfertigt er seine Unterstützung für Clinton mit der Notwendigkeit, Trump aufzuhalten, während er im Wesentlichen Trumps wirtschaftliches Programm übernimmt.

Wer Sanders geglaubt hat, er sei ein Sozialist, und deshalb seinen Wahlkampf unterstützt hat, bekommt eine ernsthafte Lektion in Politik. Nun zeigen sich die Folgen der Unterordnung des sozialen Widerstands in der Arbeiterklasse und der Jugend unter Sanders' Wahlkampf.

Die Antwort auf den unablässigen Angriff auf den Lebensstandards der Arbeiterklasse ist nicht wirtschaftliche Autarkie und die Stärkung nationaler Grenzen, sondern der revolutionäre Kampf zur Unterordnung der Konzerne und Banken unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse und zur Vereinigung der Arbeiter über alle Landesgrenzen hinweg gegen sämtliche Kapitalisten und ihre Regierungen.

Dieses Programm vertreten die Socialist Equality Party und ihre Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten Jerry White und Niles Niemuth bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl. Wer für eine sozialistische Zukunft kämpfen will, muss Mitglied der SEP werden.

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