Perspektive

Der Anschlag von Istanbul: Ein Bumerang vom Krieg in Syrien

Als am Donnerstag ein schwer verwundeter dreijähriger palästinensischer Junge starb, stieg die Zahl der Todesopfer des Terrorangriffs vom 28. Juni auf den internationalen Flughafen Istanbuls auf 44. Die Mutter des Kindes war unter den Getöteten des Angriffs, bei dem 239 weitere Personen verletzt wurden.

Das weltweite Entsetzen über den dreifachen Bombenanschlag auf einen der größten Flughäfen der Welt mischt sich mit der wachsenden Wut der türkischen Bevölkerung, die nicht nur den Islamischen Staat (IS) verantwortlich macht, sondern auch den hauptsächlichen Förderer und Unterstützer dieser Gruppe: die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan.

Die New York Times veröffentlichte am Donnerstag einen Artikel unter dem Titel „Türkei lässt IS keine freie Hand mehr und erfährt dessen Zorn.“ Dies war ein auffallend offenes Eingeständnis der Rolle, die die türkische Regierung spielt.

„Seit Beginn des Aufstiegs des Islamischen Staates im Chaos des Syrienkriegs spielte die Türkei eine zentrale, wenngleich komplexe Rolle in der Geschichte der Gruppe. Jahrelang diente sie als Rückzugsgebiet, Transitroute und Einkaufsbasar für den Islamischen Staat … Die langen Flitterwochen der Gruppe mit der Türkei begannen mit der Hilfe, die der Staat den Rebellengruppen zukommen ließ, die die Regierung Baschar al Assads in Syrien bekämpften, was oftmals mit dem Segen der westlichen Geheimdienste geschah … Weil so viele der auswärtigen Kämpfer der Gruppe über den Istanbuler Atatürk-Flughafen einflogen, wurde das Reiseziel selbst zum Synonym für die Absicht, sich dem IS anzuschließen.“

Diese sogenannten auswärtigen Kämpfer, gibt der Artikel zu, genossen Bewegungsfreiheit innerhalb der Türkei und nach Syrien, ebenso wieder zurück in die Türkei und nach Europa, wo sie für ähnliche Terroranschläge verantwortlich waren.

Mit anderen Worten, Washingtons Nato-Verbündeter und regionaler Schlüsselpartner war hauptsächlich verantwortlich für die Existenzerhaltung jener terroristischen Organisation, die angeblich das Ziel des vom US-Imperialismus neuentfachten Krieges im Nahen Osten ist.

Mit dem Hinweis auf den „Segen der westlichen Geheimdienste“ umgeht die Times delikat die Tatsache, dass die amerikanische CIA direkt mit der Erdoğan-Regierung zusammenarbeitete, um sowohl auswärtige Kämpfer als auch hunderte Tonnen Waffen für die Anti-Assad-Kämpfer nach Syrien einzuschleusen. Damit wurde ein gemeinsames Ziel verfolgt: der Sturz von Assad und die Einsetzung einer gefügigeren westlichen Marionettenregierung.

Die Hauptnutznießer dieser Operationen, die amerikanische Geheimdienste ausführten, waren der IS und die mit Al-Qaida verbündete Al-Nusra-Front. Die hauptsächlichen Opfer waren die Hunderttausenden, die getötet und die Millionen Menschen im Irak und Syrien, die zu Flüchtlingen wurden, neben all den Getöteten und Verstümmelten der sich häufenden Terroranschläge von Paris bis Brüssel und nun Istanbul.

Zwischen den Vereinigten Staaten und der Türkei traten Spannungen auf, als Washington versuchte, kurdische Separatisteneinheiten in Syrien und im Irak als Stellvertretertruppen zu nutzen, um den Vormarsch des IS zu stoppen. Dies geschah, obwohl die Türkei einen Bürgerkrieg gegen ihre eigene kurdische Minderheit führt und die Schaffung einer kurdischen Enklave an seiner Grenze befürchtet. Während die Türkei begrenzte Schläge gegen Positionen des IS in Syrien ausführte, hat sie den Großteil ihrer Feuerkraft gegen kurdische Positionen im Irak und in Syrien gerichtet.

Der Times-Artikel suggeriert, dass die Angriffe am Atatürk-Flughafen eine Antwort des IS auf die begrenzten türkischen Angriffe gegen IS-Kräfte in Syrien seien. Ebenso sei die Häufung von Strafverfahren gegen IS-Terroristen ein möglicher Grund.

Das Ausmaß, in dem die Organisation nach wie vor mit relativer Straflosigkeit innerhalb der Türkei operiert, wurde indessen unmittelbar nach den Attacken deutlich, als türkische Sicherheitskräfte eine Reihe von Razzien an sechzehn verschiedenen Adressen in Istanbul sowie an Orten in der ägäischen Küstenstadt Izmir durchführten. Die Aufenthaltsorte der IS-Agenten waren kein Geheimnis für den türkischen Staat.

Die Details, die über die Attentäter auftauchten, deuten indessen auf ein anderes mögliches Motiv hin. Die türkischen Behörden sagen jetzt, die drei Selbstmordattentäter seien aus der russischen Republik Dagestan und den ehemaligen Sowjetrepubliken Usbekistan und Kirgisien gekommen.

Ferner wurde berichtet, dass der Organisator des Angriffs ein gewisser Achmed Tschatajew gewesen sei, ein islamistischer Veteran der Tschetschenienkriege, der zunächst Asyl in Österreich erhielt und anschließend Unterschlupf in Georgien fand, wo er Beziehungen zum Geheimdienst der von den USA unterstützten Regierung knüpfte. Es heißt, er rekrutierte und trainierte antirussische tschetschenische Kämpfer aus der georgischen Region Pankisi Gorge und schickte sie in den Kampf nach Syrien.

Wild entschlossene antirussische Kämpfer aus derselben Region spielen sowohl in der Führung als auch auf weiteren Ebenen des IS in Syrien eine zunehmend prominente Rolle. Tarkhan Batirashvili, ein ehemaliger georgischer Armeefeldwebel, der von US-amerikanischen Spezialeinheiten als ein „Musterschüler“ bezeichnet worden war und dann im Jahr 2008 am Krieg gegen Russland teilnahm, wurde ein hochrangiger Kommandeur des IS.

Betrachtet man den Hintergrund derjenigen, die den Istanbuler Flughafenanschlag planten und ausführten, kann es nicht mehr als einfacher Zufall angesehen werden, dass der Angriff unmittelbar auf die Entschuldigung der Erdoğan-Regierung für den Abschuss eines russischen Suchoi-Su-24-Kampfjets im vergangenen November erfolgte. Dieser Zwischenfall malte das Schreckgespenst eines bewaffneten Zusammenstoßes der Nato mit Russland an die Wand, der das Potenzial zu einem Atomkrieg hat.

Die Entschuldigung ist Bestandteil von Ankaras Versuchen, sich Russland wieder anzunähern. Die Regierung hofft, das Moskau seine Sanktionen gegen die Türkei aufhebt, die den Tourismus der des Landes sowie seine Landwirtschaft, den Bau- und Handelssektor schädigen.

Den in Syrien kämpfenden antirussischen Kräften könnte die Wende gegenüber Moskau als ein Verrat an den vorhergehenden Übereinkünften und Zusagen erscheinen, den sie ihrem einstigen Gönner nun mit gewalttätiger Rache beantworten. Dies ist ein wiederkehrendes Muster, das in der Entwicklung von Al-Qaida zu beobachten war, die von der CIA erst genährt und nach dem sowjetischen Abzug aus Afghanistan fallengelassen worden war. Das Endergebnis war der 11. September 2001 und der Tod von 3.000 Amerikanern.

Der US-Imperialismus und seine Verbündeten haben in Syrien ein vielköpfiges Frankensteinmonster geschaffen. Außer den Kämpfern aus Russland und früheren Sowjetrepubliken, die auf etwa 10.000 geschätzt werden, wurden auch mehrere tausend militant-islamistische ethnische Uiguren aus der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas über die Türkei ins Land gebracht. Die Fortschritte, die die Al-Nusra-Front, der syrische Zweig von Al-Qaida, in der nordwestlichen Provinz Idlib gemacht hat, gehen zu einem großen Teil auf diese Kämpfer zurück.

Diese Kräfte wurden nicht nur als Kanonenfutter in dem vom Westen finanzierten Regimewechselkrieg nach Syrien gebracht, sondern auch, um sie in blutigen Kämpfen für weit gefährlichere Kriege gegen Russland und China zu trainieren, die einen Weltkrieg auslösen können.

Das Massaker am Istanbuler Flughafen, ebenso die Pariser Angriffe vom vergangenen November und die Bombenattentate in Brüssel vom März, dienen als eine Warnung vor den immensen Gefahren, die die imperialistischen Verschwörungen für die arbeitenden Menschen auf der ganzen Welt bedeuten.

Loading