Perspektive

Kriegsgipfel der Nato in Warschau

Der zweitägige Nato-Gipfel, der am Wochenende in Warschau stattfand, markiert eine bedeutsame Verschärfung der globalen Kriegstreiberei der imperialistischen Mächte. Er steht für eine wirtschaftliche, politische und militärische Kampagne gegen Russland, die vor zwei Jahren mit dem von Deutschland und den Vereinigten Staaten unterstützten Putsch in der Ukraine begann. Damals wurde dort eine pro-russische Regierung gestürzt.

Das wichtigste militärische Ziel des Gipfels war es, Russland mit einer Invasion zu drohen. Dem dient die massive Ausweitung der Präsenz von Nato-Truppen entlang der der russischen Grenze. Allgemeiner gesprochen, wurde die Transformation der Nato in eine Allianz, die in aller Welt aggressiv interveniert, offiziell abgesegnet. Die Kriegsvorbereitungen gegen Moskau sind dabei nur der erste Schritt.

Die vollständige Liste von Zielen, die Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in seiner Eröffnungsrede aufzählte, umspannt einen großen Teil des Globus. Er kündigte an, dass die Nato ihre militärischen Aktivitäten im Irak und in Syrien verstärken und ihre Stationierungen im Mittelmeer und in der gesamten „Nachbarschaft“ der Nato ausweiten werde. Die Pläne für militärische Aktionen, die von Libyen bis Georgien, von der Ukraine und Afghanistan bis in Regionen reichen, die an China grenzen, wurden in Warschau ausführlich diskutiert.

Der Hauptfokus lag am Freitag auf der formellen Ratifizierung von Plänen, tausende zusätzliche Nato-Soldaten nach Polen und in die baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen zu entsenden, die zum Teil direkt an Russland grenzen. In Anwesenheit des polnischen Präsidenten Andrzej Duda feierte Stoltenberg die Eröffnung von militärischen Kommandostellen und Raketenabwehrbasen in ganz Osteuropa sowie die Verdreifachung der Personalstärke der Schnellen Eingreiftruppe der Allianz auf 40.000 Mann.

„Unsere Präsenz wird multinational sein und sendet eine klare Botschaft, dass ein Angriff auf einen Verbündeten ein Angriff auf die ganze Allianz ist“, erklärte er.

Stoltenbergs Begründung für umfangreiche militärische Stationierungen aller großen Nato-Mächte in Osteuropa ist außerordentlich verantwortungslos und bedrohlich. Ihm zufolge besteht die beste Verteidigung des Nato-Bündnisses darin, Russland dauerhaft mit einem Atomkrieg zu bedrohen, indem dafür gesorgt wird, dass jeder lokale Konflikt, an dem Russland in Osteuropa beteiligt ist, sofort zu einem umfassenden Konflikt zwischen Russland und dem gesamten Nato-Bündnis wird.

Die Gefahr, dass ein solcher Konflikt jederzeit ausbrechen kann, entweder gewollt oder unabsichtlich, wurde vergangenen Monat bei dem großen Nato-Manöver „Operation Anakonda“ in Polen sichtbar, an dem 30.000 Nato-Soldaten teilnahmen. Moskau bot daraufhin eine vergleichbare Zahl Truppen in den westlichen Gebieten Russlands auf. Der russische Außenminister Sergei Lawrow erklärte, dass Russland sich das Recht vorbehalte, alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Verteidigung notwendig seien.

Die Argumente, die Stoltenberg für eine Konfrontation mit Russland vorbringt, sind politische Lügen. Das trifft vor allem auf die Behauptung zu, dass Russlands Unterstützung für pro-russische Separatisten in der Ostukraine beweise, dass es eine aggressive Macht sei, die militärische Eroberungen in Europa im Sinn habe. Stoltenberg erklärte gestern: „Wir erhöhen unsere militärische Präsenz in den baltischen Ländern und Polen, aber es ist klar, dass das eine Reaktion auf das Vorgehen Russlands in der Ukraine ist.“

Aggressoren in der Ukraine waren aber nicht die Kreml-Oligarchen, sondern Washington und Berlin, die systematisch eine gewählte pro-russische Regierung mithilfe gewalttätiger, rechtsradikaler Kräfte stürzten. Hohe Vertreter des US-Außenministeriums stellten sich öffentlich auf die Seite der Putschisten. Die Staatssekretärin im US-Außenministerium, Victoria Nuland, prahlte damit, dass Washington fünf Milliarden Dollar zur Finanzierung der ukrainischen Opposition ausgegeben habe.

Der Sinn dieser politischen Lügen besteht darin, die Kriegstreiberei der imperialistischen Mächte als defensives Bemühen um „Frieden und Stabilität“ hinzustellen, obwohl sie einen Krieg von unvorstellbaren Dimensionen zu entfesseln drohen.

Heute werden die katastrophalen politischen und geostrategischen Folgen der Auflösung der Sowjetunion und der Wiederherstellung des Kapitalismus durch die stalinistische Bürokratie vor 25 Jahren immer offensichtlicher. Sie legten nicht die Grundlage für eine friedliche und demokratische kapitalistische Entwicklung, sondern waren der Startschuss für eine Krise des gesamten Nationalstaatensystems in Europa und international.

Fünfundzwanzig Jahre nach dem gefeierten Sieg der Vereinigten Staaten im Kalten Krieg zeigen der amerikanische und internationale Imperialismus der Menschheit die wahren „Errungenschaften“ des Kapitalismus: zunehmende soziale Ungleichheit und Armut, nationalen Chauvinismus und Rassismus, Diktatur und die drohende Gefahr eines nuklearen Dritten Weltkriegs.

Die Pläne des Warschauer Gipfels laufen letztlich auf die endgültige Aufkündigung der Russland-Nato-Grundakte von 1997 hinaus, in der die Nato zusagte, die Auflösung der Sowjetunion nicht zu einer Aufrüstung in Osteuropa und zu einer aggressiven Strategie gegen Russland zu nutzen. In dem Vertrag hieß es, dass die Nato eine „historische Verwandlung“ durchmachen, ihre militärischen Kräfte „drastisch“ verringern werde und Russland und die Nato sich „nicht als Gegner betrachten werden“. Im Vorfeld des Gipfels hatte der polnische Präsident die formelle Aufkündigung des Vertrags gefordert.

In den letzten 25 Jahren wurden die osteuropäischen Länder und die ehemaligen Sowjetrepubliken Opfer kapitalistischer Ausbeutung und imperialistischer Intrigen. Sie wurden Mitglieder der Nato oder der Europäischen Union. Besonders nach dem Putsch in Kiew 2014, als sich dort ein pro-westliches Regime etablierte, sah sich Russland von feindlichen Staaten umzingelt, die mit der Nato verbündet waren. Militärisch war es auf Positionen zurückgeworfen, die es vor 75 Jahren nach dem Überfall der Nazi-Armeen auf die Sowjetunion inne hatte.

In dieser Krise ist die Politik aller bürgerlichen Fraktionen zutiefst reaktionär. Der Versuch der Kreml-Oligarchie, die imperialistischen Mächte mit seinem Militär unter Druck zu setzen, um eine Annäherung zu erzielen, erhöht nur die Kriegsgefahr.

Ein weiterer Faktor, der die aggressive Politik der imperialistischen Mächte antreibt, ist die zunehmend scharfe Krise innerhalb der Nato selbst, die durch die Abstimmung vom 23. Juni in Großbritannien für den Austritt aus der EU weiter verschärft wird. Washington und mehrere Osteuropäische Staaten, darunter Polen, sind dafür, Großbritannien mehr entgegenzukommen und fordern eine noch aggressivere Haltung gegen Russland. Deutschland, Frankreich und Italien schlagen hingegen eine von den Vereinigten Staaten unabhängigere Außenpolitik und einen zügigen Austritt Großbritanniens aus der EU und eine Verminderung der Aggression gegen Russland vor.

Am Freitagabend setzten Kanzlerin Merkels Helfer Tweets ab, die in direktem Gegensatz zum polnischen Präsidenten standen und betonten, dass die Russland-Nato-Grundakte natürlich weiter gültig sei.

Diese Konflikte zeigen eine existentielle Krise des gesamten internationalen Bündnissystems und aller Institutionen des europäischen Kapitalismus. Der pro-amerikanische deutsche Journalist und New York Times-Kolumnist, Jochen Bittner, äußerte die Sorge über ein Szenario, in dem ein Konflikt zwischen Russland und einem osteuropäischen Land zur Zerstörung des Nato-Bündnisses selbst führt.

Er schrieb in der Times: „Polen und die baltischen Länder würden eine starke Reaktion verlangen, um einer weiteren Annexion wie auf der Krim vorzubeugen. Die Deutschen und Franzosen würden Verhandlungen mit Moskau befürworten. … Die Griechen, Italiener und Spanier würden klarmachen, dass ihre Volkswirtschaften schon genug unter den Sanktionen gegen Russland nach der Annexion der Krim gelitten hätten. Und ein großer Teil der Öffentlichkeit in Europa würde unter dem Einfluss russischer Propaganda fragen, ob Russland nicht auch irgendwie recht habe.“

Die Krisen von Nato und EU sind eine Warnung und gleichzeitig eine Herausforderung für die internationale Arbeiterklasse. Die Krise in Europa bedroht die Menschheit mit einer Katastrophe von unvorstellbaren Ausmaßen. Sie kann nur verhindert werden, wenn die Arbeiterklasse an ihre revolutionäre Geschichte anknüpft und eine politisch bewusste internationale Bewegung gegen Krieg, für den Sturz des Kapitalismus und für den Aufbau des Sozialismus entwickelt.

Loading