Perspektive

Parteitag der Republikaner: Ein abstoßendes Spektakel

Am Montag begann in Cleveland der nationale Nominierungsparteitag der Republikaner. Der Zweck dieser viertägigen politischen Veranstaltung ist es, den Milliardär Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten und den Gouverneur von Indiana Mike Pence zum Vizepräsidentschaftskandidaten der Partei zu ernennen.

Am ersten Tag des Parteitags wurde unter der Parole „Make America Safe Again“ für Militarismus und Polizeistaatsmaßnahmen geworben. Das autoritäre Getöse der Redner in der Quicken Loans Arena passte zur Polizeistaatsatmosphäre außerhalb des Gebäudes: Demonstranten wurden von hunderten von Polizisten eingekesselt, die Innenstadt wurde mit Metallzäunen und Betonbarrieren abgesperrt.

Das gesamte Spektakel war abstoßend. Vor einem Jahr wäre Trump wohl kaum von mehr als einer Handvoll der Delegierten auf dem Parteitag als geeigneter Kandidat für irgendein Amt betrachtet worden, geschweige denn für das Weiße Haus. Doch jetzt haben sich tausende von ihnen versammelt, um einen faschistischen Demagogen hochleben zu lassen.

Am Wochenende gab der Ghostwriter von Trumps Bestseller The Art of the Deal, Tony Schwartz, dem New Yorker ein aufschlussreiches Interview. Darin äußerte er sein Bedauern, dass er den Aufstieg einer politischen Figur unterstützt hat, die er jetzt mit Schrecken betrachtet. Er veröffentlichte Notizen aus der Zeit von 1986-87, als er das Buch geschrieben hatte. Laut diesen Notizen hatte er Trump schon damals als „abscheulich“ und als „eindimensionalen Aufschneider“ betrachtet.

Schwartz erklärte gegenüber Jane Mayer vom New Yorker: „Er kann sich nicht konzentrieren. Das einzige, worauf er sich länger als ein paar Minuten konzentrieren kann, ist seine Selbstverherrlichung.“ Trumps Wissensstand sei „erschütternd oberflächlich“, teilweise sei er völlig ungebildet und hat „vermutlich in seinem ganzen Erwachsenenleben kein einziges Buch vollständig gelesen.“ Weiter erklärte er, Trump lüge gewohnheitsmäßig „ohne deswegen auch nur den Anflug von schlechtem Gewissen zu empfinden.“ Zuletzt erklärte Schwartz, wenn er heute eine biografische Schilderung über Trump schreiben müsste, würde er ihr den Titel „Der Soziopath“ geben.

Wer den Kandidaten bei seinen zahllosen Fernsehinterviews, den Dutzenden Debatten und Wahlkampfveranstaltungen beobachtet hat, die von Appellen an Gewalt und Rassismus geprägt waren, wird das alles nicht überraschen. Trumps Einschüchterungsversuche gegen politische Gegner oder unterdrückte Randgruppen wie Muslime und mexikanische Einwanderer, gegen Frauen oder Journalisten bestätigen allesamt, wie richtig Schwartz mit seiner Einschätzung liegt.

Trump verkörpert eindeutige soziale Entwicklungen in den USA, vor allem den Aufstieg halbkrimineller Elemente in die höchsten Ebenen der herrschenden Elite. Er begann seine Karriere mit einem Startkapital von einer Million Dollar von seinem reichen Vater. Dieser hatte während des Nachkriegsbooms durch den Bau von Wohnhäusern für Arbeiter- und Mittelschichtsfamilien in New York City und Long Island ein florierendes Immobilienunternehmen aufgebaut. Diese Erbschaft konnte Trump während der Umgestaltung von New York City in einen Spielplatz der Reichen noch weiter vergrößern. Er ließ Luxushäuser für Reiche, sowie Casinos, Hotels, Golfplätze und Ferienanlagen bauen.

Trumps Unternehmerkarriere ist eine Aneinanderreihung von dubiosen und betrügerischen Episoden. Sein Aufstieg begann, als New York City 1975 am Rande des Bankrotts stand und Demokratische Politiker mit voller Unterstützung der Gewerkschaften durch das Emergency Financial Control Board einen massiven Angriff auf die Arbeiterklasse durchführten. Löhne wurden gekürzt und Rentenfonds geplündert, um ein „Unternehmensklima“ zu schaffen, in dem Trump und seinesgleichen florieren konnten. In diesem Prozess verhielt er sich wie ein Gangster; er schloss zahlreiche zwielichtige Geschäfte mit Demokratischen und Republikanischen Politikern ab, die ihm als Gegenleistung für politische Zuwendungen günstige Baugenehmigungen und Regulierungen lieferten.

1981 kaufte Trump ein vierzehnstöckiges Gebäude an der Adresse 100 Central Park South. Hier kam es zu einem regelrechten Krieg zwischen dem Baulöwen und den Mietern, die nicht aus ihren Wohnungen mit Preisbindung ausziehen wollten und damit seine Pläne durchkreuzten, das Gebäude abzureißen. Daraufhin verhielt sich Trump laut CNN Money systematisch „wie ein Vermieter aus den schlimmsten Alpträumen“, um die Mieter zu vergraulen. Er ließ Heizung und Wasser abstellen, stellte alle Reparaturarbeiten ein, schikanierte zahlende Mieter mit dem Vorwurf, sie wären mit der Miete im Rückstand und bot sogar an, Obdachlose in dem Gebäude unterzubringen. Trump gab in fünf Jahren siebenmal soviel für Gerichtsverfahren gegen seine Mieter aus wie für Reparaturen an dem Gebäude.

Die Zeit von Trumps Aufstieg, von Mitte der 1970er bis Mitte der 1990er Jahre war auch die Zeit der wachsenden Dominanz des Finanzkapitals in der amerikanischen Wirtschaft. Produktion und Schwerindustrie wurden in dieser Zeit von Immobilienspekulationen und Mauscheleien auf den Kapitalmärkten als wichtigste Profitquellen des amerikanischen Kapitalismus verdrängt. Trump weitete sein Geschäft auf Casinos in Atlantic City aus, von denen einige seinen Namen trugen. Allerdings mussten alle Casinos früher oder später Konkurs anmelden. Insgesamt musste er sechsmal vor Konkursgerichten auftreten, konnte aber sein persönliches Vermögen retten und gleichzeitig zahllose Gläubiger auslöschen. Viele davon waren kleinere Unternehmen.

Es war die Zeit, als sich Vorstandschefs wie Prominente inszenierten. Beispielhaft waren Persönlichkeiten wie Lee Iacocca von Chryler oder Jack Welch von General Electric. Donald Trump war der schmierigste von ihnen. Sie hatten nichts gemein mit den alten „Räuberbaronen“, den Industriellen, die im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert mit rücksichtslosen Methoden riesige Imperien in der Öl-, Eisenbahn-, Stahl- und Autoindustrie aufgebaut hatten. Die Konzernlenker der 90er Jahre steigerten den Aktienwert ihrer Unternehmen durch den Abbau von Arbeitsplätzen und Löhnen und die Schließung von Fabriken. Sie erhöhten ihre Profite und ihre Aktienkurse, indem sie die Produktivkräfte der Gesellschaft zerstörten.

Trump baute eine „Marke“ auf. Die Vergabe seines Namens für Immobilien, die er weder besaß noch verwaltete, wurde sein profitabelstes Gesellschaftsmodell. Er war ein Meister darin, sich selbst zu vermarkten. Zuerst durch eine Reihe von Büchern, von denen eines, The Art of the Deal, ein Bestseller wurde. Darauf folgte eine lukrative Beziehung mit dem Fernsehsender NBC. Die Realityshows The Apprentice und Celebrity Apprentice, in denen Trump die Hauptrolle spielte, erzielten hohe Einschaltquoten und begründeten sein öffentliches Image als Konzernchef, der Geld praktisch herzaubern konnte.

Seit Mitte der 1990er Jahre betätigte sich Trump auch politisch, zumindest teilweise weil seine Unternehmen in Schwierigkeiten gerieten und die großen Banken an der Wall Street keine Geschäfte mehr mit ihm machen wollten. Berichten zufolge wechselte er in dieser Zeit siebenmal zwischen den beiden großen Parteien hin und her und spendete großzügig für viele Kandidaten. Im Jahr 2005 lud er Bill und Hillary Clinton zu seiner dritten Hochzeit ein und stärkte damit seine Beziehungen zu der wichtigsten Familie der Demokratischen Partei.

Im Jahr 2011 wurde sein politisches Engagement ernsthafter. Er wurde der wichtigste öffentliche Sprecher der ultrarechten „Birther“-Bewegung, die behauptete, Präsident Obama sei nicht in Hawaii, sondern in Kenia geboren und dürfe daher rechtlich nicht Präsident sein. 2012 unterstützte er den Republikaner Mitt Romney und begann, sich auf seine eigene Präsidentschaftskandidatur für 2016 vorzubereiten.

Ein Teil des republikanischen Parteiestablishments, u.a. vier der letzten fünf Präsidentschaftskandidaten sowie die Ex-Präsidenten George H.W. Bush und George W. Bush, verweigerten Trump ihre Unterstützung und blieben dem Nominierungsparteitag fern. Fast alle Außenpolitiker der Partei lehnen Trump ab. Viele erklärten öffentlich ihre Unterstützung für Hillary Clinton, die sie für eine zuverlässigere Verteidigerin der weltweiten Interessen des US-Imperialismus halten.

Die „Niemals Trump“-Elemente gehen jedoch zahlenmäßig in der Masse der politischen Söldner und Verbrecher unter, aus denen der republikanische Parteiapparat besteht. Sie haben zudem nie ernsthaft versucht, den Erfolg des milliardenschweren Demagogen gegen sechzehn Mitbewerber zu erklären, die von den Medien als die „tiefgründigste“ und talentierteste Auswahl von Kandidaten in der Geschichte der Partei beschrieben wurden.

Trumps bisheriger Erfolg muss jedoch politisch erfasst werden. Mit seinem Wahlkampfspruch „Make America Great Again“ („Amerika muss wieder groß werden“) gibt er zu, dass die amerikanische Politik und Gesellschaft gescheitert ist. Er spricht tatsächlich bestehende wirtschaftliche und soziale Probleme an, die die Ursache für das enorme Anwachsen wirtschaftlicher Ungleichheit in den USA bilden: die Schließung von Fabriken, den Abbau von Arbeitsplätzen, den Niedergang des Lebensstandards und die Zerstörung der Kleinunternehmen.

Damit gibt er zu, dass sich der amerikanische Kapitalismus in einem katastrophalen Zustand befindet, wenn auch auf reaktionäre Weise. Gleichzeitig verspricht Trump Rettung durch wirtschaftliche und politische Alchemie. Sein Milliardenvermögen stellt er dabei als Beweis dar, dass er die Krise lösen kann. Das Paradoxe hierbei ist, dass Trumps Vermögen selbst ein direktes Ergebnis der Prozesse ist, deren Folgen er jetzt verurteilt – vor allem der Deindustrialisierung und der zunehmenden Dominanz von Finanzverbrechern wie Trump selbst über die amerikanische Wirtschaft.

Abgesehen von seiner eigenen Persönlichkeit und seinem Status als Prominenter vertritt Trump ein extrem nationalistisches Programm: die USA sollen durch eine autarke Wirtschaftspolitik wieder zu industrieller Eigenständigkeit zurückfinden. Gleichzeitig setzt er auf Chauvinismus gegen Ausländer und offenen Rassismus, u.a. auf die Abschiebung von Millionen Einwanderern, die hauptsächlich aus Mexiko und Mittelamerika stammen, und den Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze.

Diese Politik birgt katastrophale Widersprüche. Ein Handelskrieg würde den Weltmarkt zerstören und eine weltweite Depression auslösen, die die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre weit in den Schatten stellen würde. Trumps Krieg gegen Einwanderer würde die Errichtung eines umfassenden Polizeistaates im Inland erfordern. Und seine geplante Kriegserklärung an den IS würde unweigerlich einen weiteren Einmarsch im Nahen Osten erfordern, der die Kriege in den Schatten stellen würde, die von den beiden Bush-Regierungen begonnen und von Obama fortgeführt wurden.

Was sagt es über die amerikanische Gesellschaft aus, dass ein solches Individuum zur wichtigsten Führungsrolle in einer der beiden Parteien aufsteigen konnte, durch die die amerikanische herrschende Elite ihre politische Herrschaft ausübt? Die Nominierung einer so rückständigen, ungebildeten, vulgären, selbstverliebten Figur als Kandidat für das höchste Amt der amerikanischen Regierung ist ein Zeugnis des Todeskampfs der politischen Kultur der herrschenden Elite in den Vereinigten Staaten.

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