Sanders krönt Demagogie der Demokratischen Partei

Mit seiner Rede am Montagabend erfüllte Bernie Sanders die ihm zugewiesene Aufgabe, die Wut und den Widerstand der Arbeiterklasse vor den Karren der Demokratischen Partei zu spannen und für die Präsidentschaftswahl 2016 nutzbar zu machen. Damit schloss er einen Tag voller politischer Betrügereien und Demagogie.

Zuvor war Sanders ausgebuht worden, als er bei einer Veranstaltung vor der Tagungshalle erklärt hatte, seine Delegierten und Unterstützer müssten seine „politische Revolution“ fortführen, indem sie Hillary Clinton wählen. Auf diese Äußerung reagierte sein eigenes Umfeld mit Wut und Abscheu, doch Sanders erklärte nur zynisch: „So geht es eben zu in der richtigen Welt.“

Natürlich hat er alles in seiner Macht Stehende getan, um sicherzustellen, dass in seiner „richtigen Welt“ die Entstehung einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse gegen das zunehmend verhasste kapitalistische System unmöglich ist. Die Arbeiterklasse soll vielmehr weiterhin unter der Vorherrschaft von zwei rechten, militaristischen Parteien der amerikanischen Finanzaristokratie bleiben.

Schon vor dem offiziellen Beginn des Parteitags zeigte sich der reaktionäre Charakter von Hillary Clintons geplantem Wahlkampf und der Regierung, die sie nach ihrem Wahlsieg im November führen würde. Im Vorfeld waren E-Mails aufgetaucht, aus denen hervorging, wie Clintons Verbündete aus der Parteiführung in der Vorwahl die Gefahr durch Sanders neutralisieren wollten. Als Reaktion darauf behaupteten Clintons Berater, ohne Beweise vorzulegen, Russland habe diese Mails veröffentlicht, um Donald Trump den Wahlsieg zu sichern. Dieser war in den letzten Tagen als Marionette Russlands dargestellt worden.

Diese Vorwürfe sind Teil eines Manövers, um den Faschisten Trump von rechts anzugreifen. Ihm wird vorgeworfen, er trete nicht entschlossen genug gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf und sei nicht bereit, Russland anzugreifen, um die Nato-Verbündeten an der russischen Westgrenze zu schützen. Zudem würde er den Krieg gegen China nicht aggressiv genug vorbereiten.

Clinton biederte sich am Montag der rechten, militaristischen Vereinigung Veterans of Foreign Wars an. Sie hielt auf deren Nationalkonferenz eine Rede, in der sie den Republikanischen Kriegstreiber John McCain in den höchsten Tönen lobte. Einen Tag zuvor hatte Präsident Obama in einem Interview in der Sendung Face the Nation zahlreiche frühere Republikanische Präsidenten gelobt und damit deutlich gemacht, dass die Demokraten auf unzufriedene Republikaner zugehen. Der Höhepunkt dieser Rede war die Aussage, Ronald Reagan sei „einer der größten Präsidenten Amerikas“ gewesen.

Während des Parteitags im Wells-Fargo-Center wurde Clinton von einem Vertreter des betuchten Kleinbürgertums nach dem anderen als unermüdliche Kämpferin für Gleichheit und Gerechtigkeit hochgejubelt. Alle Spielarten der Identitätspolitik waren vertreten: Afroamerikaner, Hispanics, Frauen, Homosexuelle und Behinderte lobten abwechselnd diese allgemein verhasste Vertreterin des politischen Establishments, die persönlich an Kriegsverbrechen beteiligt war, die Millionen Todesopfer gefordert haben, und die wegen ihrer korrupten Beziehungen zur Wall Street berüchtigt ist.

Allerdings fiel Sanders die Aufgabe zu, die Realität vollständig auf den Kopf zu stellen, indem er Clinton und die Demokraten als Kämpfer für die Interessen der einfachen Bevölkerung darstellte. Seine Rede war eine Ansammlung von unverhohlenem Zynismus und Unehrlichkeit. Wenn man ihn reden hörte, konnte man nicht begreifen, warum er überhaupt gegen Clinton angetreten ist.

Die offensichtlichen Fehler und Widersprüche in seiner Rede würden dutzende Seiten füllen, daher reicht die Feststellung: wenn seine Lobeshymnen auf Clinton wahr wären, wäre sein eigener Wahlkampf ebenso unvorstellbar gewesen wie die breite Unterstützung, die er erhalten hat. Der Grund, warum dreizehn Millionen für ihn stimmten, wie er in seiner Rede stolz erklärte, war das brennende Verlangen der Masse der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend nach einer Alternative zu der reaktionären Politik, für die Clinton seit mehr als 30 Jahren steht.

Sanders scheint bei seinem politischen Betrug davon auszugehen, dass die gesamte amerikanische Bevölkerung unter Amnesie leidet. Doch Tatsachen sind hartnäckig. Als die Clintons das letzte Mal im Weißen Haus saßen, waren sie für eine Periode beispielloser finanzieller Korruption verantwortlich.

Die Jahre der Clinton-Regierung waren eine Zeit des „irrationalen Überschwangs“, weil extrem niedrige Zinsen zu einem Anstieg der Börsenkurse um 400 Prozent führten. Die gesamte Politik der Clinton-Regierung, wie die Abschaffung des Glass-Steagall Act [einem Gesetz zur Eindämmung der Macht der Banken aus der Zeit der Großen Depression] und der noch verbliebenen Bankenregulierung sowie die Zerstörung des staatlichen Sozialhilfeprogramms, führten zu einer extremen Bereicherung der Finanzelite. In diese Zeit fielen der Bilanzfälschungsskandal von Enron und astronomisch hohe Steigerungen der Vorstandsgehälter. Alle Prozesse, die zum Finanzzusammenbruch und der Depression von 2008 führten, reiften unter den Clintons heran.

Trotz aller Kritik von Sanders an Trump war der politische Aufstieg des milliardenschweren Immobilienmoguls nur aufgrund der Desillusionierung und Frustration der breiten Masse gegenüber der Heuchelei und der rechten Politik der Demokraten möglich.

Besonders auffällig an Sanders Rede war, dass jede Äußerung zur Außenpolitik unterblieb. Er verlor kein Wort darüber, dass Clinton als Senatorin 2003 den Einmarsch und die Besetzung des Irak unterstützte und als Außenministerin den brutalen Luftkrieg gegen Libyen und die Ermordung von Staatschef Muammar Gaddafi organisierte. Ebenso wenig äußerte er sich zu ihrer Mitverantwortung für das schreckliche Blutbad in Syrien und die immer aggressivere Kriegstreiberei gegen China und Russland.

Sanders erdreistete sich sogar, seine vollmundige Unterstützung für Clinton („Hillary Clinton wird eine großartige Präsidentin sein, und ich bin stolz, heute Abend neben ihr zu stehen“) als Abschluss seiner „politischen Revolution“ gegen die „Klasse der Milliadäre“ darzustellen. Diese sogenannte Revolution besteht letztlich nur darin, eine Demokratin ins Weiße Haus zu hiefen sowie Repräsentantenhaus und Senat wieder unter die Kontrolle der Demokraten zu bringen. Sanders schwieg auch über die Entscheidung von Clintons Wahlkampfmanagern, dem milliardenschweren ehemaligen Republikanischen Bürgermeister von New York Michael Bloomberg für Mittwochabend einen Redeplatz zur besten Sendezeit zu geben, damit er seine Unterstützung für Clinton erklären kann.

Nicht nur Sanders ist politisch für die Folgen seines Betrugs verantwortlich, sondern auch alle kleinbürgerlichen Organisationen, die ihn unterstützt haben, darunter die International Socialist Organization, die Socialist Alternative, Solidarity und die Grünen.

Man muss die politischen Lehren aus der Erfahrung mit Sanders ziehen. Wie schon so oft, ist die Demokratische Partei zur letzten Ruhestätte einer sozialen Protestbewegung geworden, und Sanders hat sie zu Grabe getragen. Die Socialist Equality Party und die World Socialist Web Site haben immer wieder davor gewarnt, dass Sanders kein Vertreter einer Bewegung der sozialen Revolte ist, sondern ein Werkzeug zur Eindämmung und Auflösung dieser Bewegung. Diese Warnungen haben sich voll und ganz bestätigt.

Nur die Socialist Equality Party tritt in dieser Wahl mit ihren Präsidentschaftskandidaten Jerry White und Niles Niemuth als wirklich von der kapitalistischen Politik unabhängige Kraft an. Sie vertritt als einzige ein revolutionäres sozialistisches Programm.

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