Perspektive

„Das Undenkbare denken“: USA entwerfen Szenarien für Krieg gegen China

Eine neue Studie der RAND Corporation befasst sich mit der Möglichkeit eines amerikanischen Kriegs gegen China. Die Studie ist der jüngste Hinweis darauf, dass die oberste Führung des US-Militär- und Geheimdienstapparats einen solchen Krieg tatsächlich in Erwägung zieht.

Die Studie mit dem Titel, „Krieg mit China: das Undenkbare denken“, wurde im Auftrag der US-Armee von der RAND Corporation erstellt. Das ist wirklich beunruhigend, denn während des Kalten Kriegs war RAND die erste Adresse dafür, „das Undenkbare zu denken“. Der Begriff wurde in den 1950er Jahren vom Chefstrategen der RAND, Herman Kahn, geprägt. Kahn widmete sein makaberes Buch „Über den thermonuklearen Krieg“ der Ausarbeitung einer Strategie für einen „gewinnbaren“ Nuklearkrieg gegen die Sowjetunion.

Im Vorwort der neuen Studie heißt es: „Diese Untersuchung wurde vom Büro des Staatssekretärs für die Armee gefördert und im Rahmen des Programms ‚Strategie, Doktrin und Ressourcen‘ des RAND Arroyo Centers durchgeführt. Das RAND Arroyo Center ist Teil der RAND Corporation und ein von der Bundesregierung finanziertes Forschungs- und Entwicklungszentrum. Es wird von der Armee der Vereinigten Staaten gefördert.“

Das Papier ist eine Manöversimulation in der Tradition von Kahn: Es wägt die möglichen Ergebnisse eines Kriegs zwischen zwei Nuklearmächten ab, ohne sich im mindestens um die katastrophalen Folgen für die Menschen in den Vereinigten Staaten, in China und in der übrigen Welt zu kümmern.

Die Studie geht von einer Reihe höchst zweifelhafter Annahmen aus: dass ein Krieg zwischen den USA und China keine weiteren Mächte einbeziehen würde, dass er nur in Ostasien stattfinden würde, und dass keine Atomwaffen eingesetzt würden. In Wirklichkeit würde ein Krieg gegen China sofort Verbündete der USA einbeziehen und daher schnell außer Kontrolle geraten. Er würde über die Grenzen von Ostasien hinausgehen und die Gefahr vergrößern, dass Atomwaffen zum Einsatz kämen.

Als Teil des „Pivot to Asia“ der Obama-Regierung haben die USA Bündnisse in der ganzen Region verstärkt, neue Stationierungsabkommen geschlossen und die militärische „Zusammenarbeit“ konsolidiert. Das amerikanische Militär könnte keinen Krieg gegen China führen, ohne nicht wenigstens die Aufklärungskapazitäten, das Militärpotential und die Stützpunkte Japans, Australiens, Südkoreas, der Philippinen, Singapurs und Thailands zu nutzen.

Die Studie der RAND Corporation betrachtet vier simplifizierte Szenarien für einen Konflikt, der von zwei Variablen bestimmt wird: von der Intensität (entweder leicht oder schwer) und von der Dauer (ein paar Tage bis zu einem Jahr und länger). In der Studie heißt es, dass auch andere Faktoren das Ergebnis beeinflussen, wozu natürlich die Fortschritte in der Militärtechnologie im aktuellen Rüstungswettlauf gehören. So wird untersucht, welche Verluste und Kosten ein Krieg hätte, der 2015 geführt worden wäre, und im Vergleich dazu ein Krieg im Jahr 2025.

Die Zusammenfassung der Ergebnisse legt viel mehr Gewicht auf die Folgen schwerer Konflikte als auf die leichter Konflikte. In beiden Fällen, d.h. bei einem kurzen intensiven Krieg, wie auch bei einem langen intensiven Krieg, geht die Studie davon aus, dass die wirtschaftlichen und die militärischen Folgen für China viel schwerwiegender wären als für die Vereinigten Staaten. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Verluste und Kosten für die Vereinigten Staaten 2025 größer wären als 2015.

In dem Papier heißt es: „In dem Maße, wie ihre militärische Überlegenheit schwindet, wird das Vertrauen der Vereinigten Staaten schwinden, dass ein Krieg mit China das gewünschte Ergebnis erbringt. Chinas verbesserte militärische Fähigkeiten, das amerikanische Militär auf Abstand zu halten, bedeuten, dass die Vereinigten Staaten nicht mehr davon ausgehen können, dass sie die Feldüberlegenheit haben, die Defensivkraft Chinas zerstören zu können und einen entscheidenden Sieg zu erringen, wenn es zu einem Krieg kommen sollte.“

Eine unausgesprochene Schlussfolgerung liegt allen Plänen und Vorbereitungen des Pentagon zugrunde. Sie besagt, dass ein Krieg mit China eher früher als später geführt werden müsse. Das US-Militär geht davon aus, dass bis 2020, also in drei Jahren, sechzig Prozent aller amerikanischen Luft- und Seestreitkräfte in die indopazifische Region verlagert werden. Zudem heizt Washington bewusst gefährliche Konfliktpunkte in Asien an, besonders im Südchinesischen Meer. So soll Beijing als „aggressiv“ und „expansionistisch“ hingestellt werden, damit der notwendige Casus Belli konstruiert werden kann.

Die Grundannahmen der Studie unterstreichen den aggressiven, neokolonialen Charakter eines Krieges, der in einer Region stattfinden würde, die Tausenden Kilometer von den Vereinigten Staaten entfernt liegt. Die Regierung in Washington verlangt nicht weniger als die völlige Unterwerfung Chinas unter die strategischen und wirtschaftlichen Interessen des US-Imperialismus.

Das Papier der RAND Corporation enthält mehrere Ratschläge für das Pentagon und das Weiße Haus. Es empfiehlt „kluge Vorbereitungen, um die Führung eines langen, harten Krieges mit China möglich zu machen“. Und weiter: „Nicht weniger wichtig ist die Fähigkeit der Vereinigten Staaten, die Breite, Intensität und Dauer eines Kriegs mit China durch ihre Planung, ihr System von ziviler Kontrolle und ihre Fähigkeit, mit China zu kommunizieren, in Grenzen zu halten.“

Die Erwähnung der Notwendigkeit eines „Systems ziviler Kontrolle“ in den Vereinigten Staaten ist besonders bedenklich. Thinktanks wie die RAND Corporation arbeiten Hand in Hand mit Militär, Polizei und Geheimdiensten, um hinter dem Rücken der amerikanischen Bevölkerung einen Polizeistaat aufzubauen. Um sich gegen die Antikriegsopposition zu wappnen, geht der Staat weit über das Ausmaß im Zweiten Weltkrieg hinaus.

Das Papier der RAND Corporation bestätigt die Warnungen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI). Es hat im Februar 2016 eine Erklärung mit dem Titel „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ herausgegeben. Wie es darin heißt, trägt an einem bestimmten Punkt militärischer Fatalismus selbst zum Ausbruch von Krieg bei. In der Erklärung wird ein Spezialist für internationale Beziehungen mit den Worten zitiert: „Sobald der Krieg als unvermeidlich betrachtet wird, ändern sich die Überlegungen der Politiker und Militärs. Es geht nicht mehr darum, ob es einen Krieg geben wird oder soll, sondern darum, wie er am vorteilhaftesten geführt werden kann.“

Die neue Studie lässt erkennen, dass eine solche Veränderung im Denken gegenwärtig in Washington vor sich geht. Zwar leugnet die Studie der RAND Corporation die Möglichkeit eines Atomkriegs, andere imperialistische Strategen aber planen für genau diese Eventualität.

Erst vor zwei Wochen gab das Center for Strategic and International Studies (CSIS), das maßgeblich an der Planung des „Pivot to Asia“ beteiligt war, einen Bericht heraus, der versuchte, das chinesische Atomarsenal einzuschätzen. Das Papier trug den Titel „Chinas Atomstreitkräfte und Massenvernichtungswaffen“.

Auch das CSIS spielte die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs herunter, erteilte ihm aber nicht von vornherein eine Absage. „Die Geschichte ist eine grausame Warnung“, heißt es dort, „dass Abschreckung nicht immer funktioniert, und Eskalationen nicht immer in einer Weise geschehen, wie sie geplant sind.“

Der Kapitalismus befindet sich in wirtschaftlichem und politischem Zusammenbruch. Wenn die internationale Arbeiterklasse nicht eingreift, ist ein neuer katastrophaler Weltkrieg nicht nur möglich, sondern unvermeidlich.

Aber die gleiche kapitalistische Krise, die auf den Wahnsinn eines Weltkriegs zutreibt, bringt auch den Impuls für die soziale Revolution hervor. Damit erweist sich die Dringlichkeit des politischen Kampfs des IKVI. Eine internationale Anti-Kriegsbewegung der Arbeiterklasse muss aufgebaut werden, die dem Kapitalismus und seinem veralteten Nationalstaatensystem ein Ende setzt und die Gesellschaft auf sozialistischen Grundlagen neu errichtet.

Loading