Noch einmal über Owen Jones und den Putsch gegen den Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn

Owen Jones, Kolumnist des Guardian, steht unter Druck. Er versucht sich gegen Kritiker zu verteidigen, die seine offene Unterstützung für den rechten Putsch gegen Jeremy Corbyn ablehnen.

Der Guardian fungiert als Propagandaorgan für die Clique um den früheren Labour-Führer Tony Blair, die an der Spitze des innerparteilichen Putschversuchs steht.

Jones spielt in der rechten Kampagne eine spezielle Rolle. Er versucht aus seiner Selbstdarstellung als „Mann der Linken“ politisches Kapital zu schlagen, der sich nun gegen Corbyn stellt, angeblich, weil es ihm ausschließlich um die Interessen der Partei geht. Am 14. Juli schrieb er zum ersten Mal in diesem Sinn und charakterisierte die Mehrheit der Abgeordneten der Labour Party als „diejenigen, die einfach die Angst umtreibt, dass Labour (bei der nächsten Unterhauswahl) eine vernichtende Niederlage droht.”

Anfänglich habe er Corbyn unterstützt, erklärt uns Jones, weil er „erwartete”, dass Corbyn „die Politik Labours verändern werde, ohne am Endes sich durchzusetzen – ganz so wie Bernie Sanders bei den Demokraten in den USA. Corbyn werde den Grundstein dafür legen, dass aus den linken Neumitgliedern Labours in einigen Jahren ein ernsthafter Anwärter auf den Parteivorsitz hervorgeht.”

Corbyns Wahl zum Parteivorsitzenden war ein Schock, dem Jones unbedingt seine Wirkung nehmen wollte. Die World Socialist Web Site berichtete am 27. Juni, dass Jones über die „nationale Krise” und die „politische Lähmung” schrieb, die das Ergebnis des Votums für den Austritt Großbritanniens aus der EU am 23. Juni sei, und dabei zustimmend die Kritik der Gegner Corbyns vom Blair-Flügel anführte, Corbyn hätte nicht genug getan, damit die Wähler für den Verbleib in der EU stimmten.

Jones erklärt dann: „Es gab einen Plan, den ich und andere guthießen. 2020 würden die nächsten Parlamentswahlen stattfinden. Etwa zwei Jahre vorher würde ein jüngerer Linker aus den Reihen der neuen Mitglieder nachrücken und Jeremy Corbyns Platz einnehmen.”

Die Brexit-Krise machte diesen Fahrplan hinfällig. Wir schrieben: „Es ist klar, was das heißt. Corbyn muss gehen, und Jones wird die Ziele der rechten Verschwörer erläutern.“ Jones’ Antwort auf seine Kritiker bestätigt diese Einschätzung, gibt Aufschluss, wer an dem „Plan” zur Ablösung Corbyns beteiligt war und macht deutlich, dass Jones rigoros alles ablehnt, was die Dominanz der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie über die Arbeiterklasse in Frage stellt.

Am 1. August lesen wir einen Eintrag in seinem Blog, „Fragen, die alle Corbyn-Unterstützer beantworten müssen”. Darin erklärt Jones, „Labour und die Linke taumeln am Rand des Abgrunds”, und er macht dafür Corbyns Führung der Partei verantwortlich.

Abschließend entgegnet er seinen Kritikern: „Mich kümmert das alles nicht. Nennt mich doch einen Blair-Anhänger, Tory, Handlanger des Establishments, Karrieristen, einen Ausverkäufer oder sonst irgendetwas, damit ihr euch besser fühlt. Die Situation ist äußerst ernst, und wenn wir keine guten Antworten finden, sind wir nicht mehr als die Komplizen genau der Leute, die unsere Gegner sind.”

Jones ist in der Tat ein Handlanger des Establishments und ein Karrierist. Sein Nutzwert für die herrschende Klasse ist, dass er nicht als lupenreiner Blair-Anhänger gilt.

Es gibt für ihn nichts Wichtigeres als sein eigenes Leben und Denken. So dreht sich die erste Hälfte seines letzten Artikels ganz um eine ausführliche Selbstrechtfertigung, samt detailreicher Angaben zu seiner Biographie mit zahllosen Links auf Äußerungen von ihm, die er für bedeutend hält. Er hebt seine engen Beziehungen zum Corbyn-Lager hervor, um seine vermeintlich „linken” politischen Referenzen unter Beweis zu stellen. Nach Abschluss seines Studiums an der Oxford University 2005 „arbeitete ich zweieinhalb Jahre im Büro des heutigen Schattenkanzlers John McDonnell und war an der Organisation seiner (gescheiterten) Bewerbung um den Parteivorsitz behilflich.” Er betont: „Ich nahm am ersten Treffen der Corbyn-Kampagne teil, und auch am letzten… Ich kenne dieses Umfeld nicht nur gut, ich gehöre zu ihm.”

Das gereicht ihm bestimmt nicht zur Ehre, es beweist eher den politischen Opportunismus des linken „Umfelds” von Labour um seinen heutigen Führer Corbyn. Jones gibt darüber hinaus zu verstehen, dass er sich sogar im Inneren dieses Milieus als politische Polizei begreift – eine warnende Stimme gegen alles, was als „linker Exzess” gelten könnte.

Jones sagt: „Als Corbyn sich um die Parteiführung bewarb, gingen alle, und auch er selbst, davon aus, dass er unterliegt, aber gut genug abschneidet, um der politischen Debatte eine andere Richtung zu geben”. Corbyns Sieg war also äußerst unwillkommen, weil er politische Erwartungen wecken konnte, dass die „Linke” ihrer erklärten Opposition gegen Sparpolitik und Militarismus Taten werde folgen lassen, anstatt sich hinter dem rechten Flügel von Labour zu verstecken, der die Partei führt.

Jones erklärt, dass er am 29. August 2015 „einen ausführlichen Strategievorschlag für Corbyns künftige Parteiführung vorgelegt habe”. Er verweist auf einen Link mit dem Titel: „Meine aufrichtige Meinung zur Corbyn-Kampagne – und zur Überwindung großer Hindernisse.”

Seine politischen Rezepte laufen auf den Vorschlag an Corbyn hinaus, alles zu unterlassen, was ihn in Konflikt mit der Rechten bringen könnte, weil es inakzeptabel für die herrschende Klasse wäre. Hier nur drei Beispiele:

* „Bedenken gegen Einwanderung können wir nicht ausräumen, indem wir uns taub stellen oder nur die Vorteile der Einwanderung herausstreichen… Die Ukip-Wähler müssen wir umschmeicheln und nicht als primitive Rassisten behandeln, sondern als Leute, die sich von der politischen Elite im Stich gelassen fühlen und sich große Sorgen um alle möglichen Themen machen, von Wohnungsnot bis Arbeitsplatzsicherheit…”

* „Eine Corbyn-Regierung muss selektiv entscheiden, welche Konflikte sie austrägt, denn es gibt mehr als genug davon. Etwa das Thema Nato: Die Vorzüge der Mitgliedschaft kommen in der politischen Debatte nur am Rand vor, so dass es sinnlos und selbstzerstörerisch wäre, darüber zu streiten. Stattdessen sollte Labour eine Debatte über eine konstruktivere Rolle Großbritanniens innerhalb des Bündnisses anregen.”

* „Einige Leute glauben, die Linke hasse es irgendwie, britisch oder englisch zu sein. Das stimmt einfach nicht. Man sollte einen neuen Umgang mit britischen – und vor allem englischen – Traditionen und Werten positiv herausstellen...”

Zusammengenommen sind das die programmatischen Eckpfeiler des Blair-Flügels der Partei, der seine Angriffe auf diese Fragen konzentriert, seit Corbyn im Amt ist. Corbyn hat bei jedem Konflikt um diese Themen vor den Rechten kapituliert, doch selbst das reichte Jones nicht: „Als sich herausstellte, dass diese Strategie nicht angenommen wurde, war ich völlig entmutigt”, schrieb er. „Nach einigen Tagen war ich äußerst verzweifelt.”

Jones bekräftigt, dass er es „bevorzugen” würde, wenn einer der „neuen” Labour-Abgeordneten Corbyn vor den für 2020 angesetzten Neuwahlen beerben würde. Doch als den Mann seiner Wahl nennt er „Clive Lewis, vielleicht in 2018”. Er bezeichnete Lewis als „meinen Freund, für den ich schon Jahre vor den Wahlen zum Parteivorsitz Kampagnenarbeit geleistet habe…”

Lewis beendete seine Ausbildung zum Infanterieoffizier 2006 an der Elite-Militärakademie Sandhurst. 2009 ging er für drei Monate nach Afghanistan. Er war der geeignete Mann. Er hatte einen militärischen Hintergrund und war, in der Sprache der Labour-Rechten, „unverbraucht”. Zur Zeit des Irakkriegs war er kein Abgeordneter, so dass er nicht für den Krieg stimmte.

Lewis blieb in Corbyns Schattenkabinett, als mehr als 60 Blair-Leute es verließen, um den Putsch einzuleiten. Bei der Abstimmung über das Trident-Atom-U-Bootprogramm während der letzten Unterhausdebatte enthielt sich Lewis. Bei der jüngsten Debatte über den Chilcot-Bericht zum Irakkrieg bestand er darauf, dass Kritik an der Invasion den räuberischen Zielen des britischen Imperialismus nicht im Weg stehen darf. Für die Zukunft müsse man daraus lernen, dass man „ganz sichere Beweise” haben muss, „um unser Land in den Krieg zu führen”.

Jones/Lewis wollten auf der Welle der großen Unterstützung, die Corbyn dank seiner erklärten Opposition gegen Sparpolitik, Militarismus und Krieg gewonnen hatte, einen Ersatz für ihn finden, der für den rechten Flügel der Parlamentsfraktion der Labour Party annehmbarer ist und auf einer Linie mit ihm liegt. In einem von Jones geführten Video-Interview sagte Lewis kürzlich, dass Abgeordnete wie er, wenn sie „Jeremy Corbyn [als Parteiführer] vorschlagen, damit sagen, dass wir nicht wollen, dass unsere Partei nach rechts rückt, sondern dass wir Jeremy Corbyn an der Spitze haben wollten, damit er die Debatte wieder in die Mitte zurückbringt.” [Unsere Hervorhebung].

Viele Jahre hat Jones auf unzähligen Konferenzen und öffentlichen Versammlungen darauf bestanden, dass die einzige realistische Hoffnung für die Arbeiterklasse die Hoffnung auf einen Linksschwenk der Labour Party sei.

Das irische Magazin Look Left schrieb im Januar 2014 über ein Interview mit Jones, in dem er prahlt, dass „er die radikalen Wurzeln seiner Familie bis zu einem ‘Waffenschmuggler für Garibaldi’ zurückverfolgen könne, weiter über einen von der ‘russischen Revolution inspirierten’ Zugführer, der am britischen Generalstreik von 1926 teilnahm, einen Großvater, der 1930 in die Kommunistische Partei eintrat, und einen Großonkel in der Independent Labour Party. Jones selbst ist im Wortsinn ein Kind der Militant-Tendenz in der Labour Party, in der sich seine Eltern in den 1960ern kennenlernten. Seine Mutter war damals Herausgeberin der Zeitung der Labour Party Young Socialists, die Militant-Tendenz hatte hier das Sagen. Sein Vater war Militant-Organisator in Süd-Yorkshire. 1984, bei der ‘Schlacht von Orgreave’ während des Streiks der Bergarbeiter war er anwesend und erlebte mit, wie die Polizei Bergarbeiter angriff und verprügelte.’ Jones wurde zwei Monate später geboren.”

Im Zuge einer Säuberung durch den rechten Flügel der Labour Party verließ Jones’ Vater die pseudolinke Militant-Tendenz im selben Jahr. Militant fungierte jahrzehntelang als Eingangspforte zur Labour Party. Ihre Führung behauptete, die Labour Party könne für den Sozialismus gewonnen werden

Im Rückblick auf das politische Leben seiner Eltern behauptet Jones: „Am Ende waren sie ‘zerstört und erledigt durch das, was der Linken und Arbeiterbewegung in den 1980ern widerfuhr’, sie erlebten ‘Niederlage um Niederlage, Abstieg, und gaben die Politik auf.” Nach dem Ausschluss der Militant-Tendenz und dem unausweichlichen Scheitern ihres erklärten Ziels, die Labour Party in eine revolutionäre Partei umzuwandeln, führte Jones die politische Demoralisierung immer wieder als Beweis dafür an, dass es keine Alternative dazu gebe, bis in alle Ewigkeit für die Erneuerung der Labour-“Linken” einzutreten.

In Look Left besteht Jones darauf, dass jede Bewegung außerhalb der Labour Party mit „der Labour-Linken” zusammengehen muss, denn „solange es eine Verbindung zu den Gewerkschaften gibt, gibt es im Grunde auch eine Labour Party und die Möglichkeit, dass sie die Interessen der Arbeiterklasse repräsentiert.”

Jones hat nun klar zum Ausdruck gebracht, dass es ihm in Wirklichkeit immer darum ging, den Würgegriff der Arbeiterbürokratie aufrechtzuerhalten. Corbyn, McDonnell und Jones waren politisch unzertrennlich, solange aus Sicht von Jones damit die Illusion genährt werden konnte, die Labour Party könne eine Entwicklung nach links machen. Letztes Jahr wurde Corbyn ins Amt getragen, was ein verzerrter Ausdruck einer wirklichen Linksentwicklung unter Arbeitern und jungen Leuten war. Hunderttausende schlossen sich der Partei an, um den Kampf gegen den rechten Flügel aufzunehmen. Nun, inmitten einer beispiellosen Hexenjagd, sind weitere Tausende der Partei beigetreten, so dass die Mitgliederzahl Labours auf über eine halbe Million angestiegen ist.

Auf diese Entwicklung reagiert Jones, indem er sich mit dem ausdrücklichen Ziel auf die Seite der Verschwörer stellt, im Namen der „Wählbarkeit” Labours die Partei als bewährtes politisches Instrument des britischen Imperialismus zu erhalten.

Auch wenn Jones seine eigentlichen Ziele offen ausspricht, bedeutet sein Zerwürfnis mit seinen früheren Verbündeten nicht, dass Corbyn und McDonnell diese Ziele nicht teilen. Seit elf Monaten gibt Corbyn als sein Ziel die Erhaltung der Einheit der Labour Party aus und behauptet weiterhin, trotz aller gegenteiligen Erfahrungen, dass man aus Labour eine Oppositionspartei gegen Sparpolitik, Militarismus und Krieg machen kann. Die Propagierung dieser Lüge vereint ihn mit Jones und Lewis, obwohl sie sich gegen ihn verschwören. In ähnlicher Weise bietet Corbyn der Parlamentsfraktion der Labour Party Frieden an, während sie seinen Sturz plant.

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